Ortskräfte in Afghanistan: Bricht Deutschland Versprechen?

    Ortskräfte in Afghanistan:Bricht Deutschland sein Versprechen?

    von Henriette de Maizière, Berlin
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    Die Ampel hat afghanischen Ortskräften, die für Deutschland arbeiteten, "unbürokratische Verfahren" versprochen, um sie in Sicherheit zu bringen. Daraus ist nicht viel geworden.

    Zwei Jahre ist die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan inzwischen her. Was nach dem deutschen Abzug aus Afghanistan blieb, war das Versprechen, wenigstens die Ortskräfte und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Sie hatten die westlichen Truppen unterstützt und so den Zorn der Taliban auf sich gezogen.
    Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versprach, das Bundesaufnahmeprogramm solle den von den Taliban Verfolgten "eine Chance auf ein freies, selbstbestimmtes und sicheres Leben" bieten. Sie räumte ein, dass dies eine gewaltige Aufgabe sei, versicherte aber gleichzeitig: "Wir werden in unseren Anstrengungen nicht nachlassen."

    Einer von vielen: Ahmed ringt um Einreise

    Ausreisen will auch Ahmed - dessen Identität wir schützen müssen und deshalb seinen Namen geändert haben. Wir erreichen ihn per Videocall. Nachdem er eine Vorladung von den Taliban bekommen hatte, ist er untergetaucht, lebt mit seiner Frau und den Töchtern versteckt bei Verwandten. Sein Leben, so sagt er, sei in Gefahr.
    ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf ist zwei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban nach Afghanistan gereist:
    Unterlagen belegen: Er arbeitete in Afghanistan als Ortskraft für die Deutschen bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ). Mitte des vergangenen Jahres stellte er den Antrag, am sogenannten Ortskräfteverfahren (OKV) teilzunehmen. Außer der Eingangsbestätigung für seinen Antrag hat er seither nichts mehr gehört. Er weiß nicht, ob er ausreisen darf, nicht wann und auch nicht wie. Auf nachfragende E-Mails bekommt er automatisch generierte Antworten.

    Rund 30.000 Menschen warten

    Über 40.000 besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen sowie ihren berechtigten Familienangehörigen hatte die Bundesregierung eine Aufnahme in Deutschland in Aussicht gestellt. Darunter viele Ortskräfte. Doch nur etwa 11.000 Menschen sind bislang nach Deutschland eingereist.
    Islamic Relief-Mitarbeiterinnen sitzen mit afghanischen Müttern und ihren Kindern in einem Raum auf dem Boden.
    Die Taliban schränken die Grundrechte der afghanischen Frauen immer weiter ein.13.01.2023 | 6:43 min
    Frauen sind in Afghanistan fast vollständig aus dem öffentlichen Leben verdrängt:
    Hat die Ampel also ihr Versprechen gebrochen? Scheitern viele an den restriktiven Kriterien deutscher Behörden? Sowohl das Außen- als auch das Innenministerium wollen dazu kein Interview geben.

    Stegner: Deutsche entscheiden sich im Zweifel für die Bürokratie

    Ralf Stegner (SPD), Leiter des Untersuchungsausschusses Afghanistan im Deutschen Bundestag, äußert sich im ZDF-Interview durchaus selbstkritisch. Er fordert, die "humanitären Spielräume zu maximieren". Die Gefährdungslage der Ortskräfte sei unterschiedlich.
    Doch der Eindruck dränge sich auf, dass vor die Wahl zwischen Bürokratie und Humanität gestellt, die Deutschen sich im Zweifel für die Bürokratie entschieden. Seine Beobachtung: Die Amerikaner hätten 2021 "burschikoser geholfen, als das für Deutschland zutrifft".

    Lehren aus Afghanistan gefordert

    Auf dem Ortskräftekongress in Berlin heute der Appell, Deutschland müsse "Worst-Case-Szenarien" auch für andere Krisenregionen wie Mali, den Sudan oder Niger entwerfen.
    Wie kann Europa Afghanistan helfen?
    Man müsse zu Friedenszeiten überlegen, so Marcus Grotian vom Patenschaftsnetzwerk Afghanistan, wie gehen wir im Ernstfall mit unseren Angestellten um? Es brauche ein Konzept für den Schutz lokaler Beschäftigter - zumindest das sollte die Lehre aus Afghanistan sein.

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