Flugblatt-Affäre um Aiwanger: "Ein echtes Dilemma" für Söder
Flugblatt-Affäre um Aiwanger:"Ein echtes Dilemma" für Söder
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Den Katalog aus 25 Fragen hat Freie-Wähler-Chef Aiwanger beantwortet - für ihn sind damit alle Gründe für eine Entlassung ausgeräumt. CSU-Chef Söder steckt derweil im Dilemma.
In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt geht Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger davon aus, dass mit seiner Beantwortung des Fragenkatalogs von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) alle Gründe für eine mögliche Entlassung ausgeräumt sind. Der Ball liegt jetzt wieder im Feld von Söder. Der kündigte für Sonntagvormittag kurzfristigt eine Pressekonferenz an - "aus aktuellem Anlass".
Alle Fragen beantwortet
Er habe alle 25 Fragen beantwortet, sagte Aiwanger der "Bild am Sonntag". Aiwanger fügte hinzu:
CSU-Chef Söder sagte am Nachmittag gegenüber dem ZDF: "Alles wird sauber geprüft". Wann er eine Entscheidung trifft, ist nicht bekannt.
Nach Ansicht von Stefan Leifert, Leiter des ZDF-Studios in München, steckt der bayerische Ministerpräsident in der Zwickmühle:
Beide Alternativen, die Söder habe, würden große Risiken bergen. "Sollte er Hubert Aiwanger am Ende nicht entlassen, dann würde er Gefahr laufen, auch Zweifel an seinem eigenen Aufklärungswillen zu streuen", sagt Leifert. Denn Söder habe die Latte sehr hoch gehängt. Er habe von Vorwürfen gesprochen, die jetzt zweifelsfrei aufgeklärt werden müssten. Blieben am Ende Zweifel an Aiwanger, dann würden auch Zweifel an Söder haften bleiben, erklärt Leifert.
Auch die zweite Möglichkeit, die Entlassung von Aiwanger, sei mit großen Risiken behaftet:
In diesem Fall müsste Söder dann einen komplett neuen Wahlkampf entwerfen. Am Sonntag ist Markus Söder im ZDF-Sommerinterview zu Gast.
Aiwanger jedenfalls will die Koalition mit der CSU auch in der kommenden Legislaturperiode weiterführen:
Aiwanger: Zurück zur Tagesarbeit
Aiwanger verwies darauf, dass bei seinen Anhängern "die Empörung über diese Kampagne" groß sei. "Ich habe mich für Fehler von mir entschuldigt", sagte der bayerische Wirtschaftsminister und forderte, nun wieder zur Tagesarbeit zurückzukehren.
Der 52-Jährige sprach von einer "Hexenjagd" gegen ihn: "Meine Sorge ist: Wenn diese Hexenjagd nicht aufhört und Erfolg hat, wird niemand mehr in die Politik oder in andere Führungspositionen gehen, aus Angst, dass seine Vergangenheit auf jeden schlechten Witz hin durchleuchtet wird."
Antwort auf 25 Fragen am Freitagabend
Als Konsequenz aus der Affäre aus seiner Schulzeit forderte Aiwanger: "Die Schule muss künftig wieder ein geschützter Raum werden, wo sich Schüler entwickeln können, ohne Jahrzehnte später für wirkliche oder durch anonym behauptete Fehler vernichtet zu werden."
Aiwanger hatte die Fragen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu den im Raum stehenden Vorwürfen am Freitagabend schriftlich beantwortet. Zum Inhalt der Antworten ist bislang noch nichts bekannt. Auch die Fragen, die die Staatskanzlei an Aiwanger geschickt hatte, waren nicht veröffentlicht worden.
Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger entschuldigt sich, einen Rücktritt lehnt er ab.31.08.2023 | 11:14 min
Söder hatte auf eine schnelle Beantwortung der 25 Fragen gedrängt und gesagt, es dürften keine Restzweifel bleiben. Er muss nun entscheiden, ob er Aiwanger entlässt oder wie weiter verfahren werden soll. Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.
Aiwanger entschuldigt sich für Fehler in Jugend
In einem Statement hatte sich Aiwanger am Donnerstag erstmals für mögliche Fehler in seiner Jugendzeit entschuldigt. Seine Entschuldigung gelte "zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit".
Zugleich sprach er angesichts der Vorwürfe erneut von einer politischen Kampagne gegen ihn und seine Partei.
Den in der "Süddeutschen Zeitung" vom Wochenende erhobenen Vorwurf, in seiner Schulzeit in den 80er Jahren ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben, weist Aiwanger zurück. Er räumte ein, dass Exemplare in seinem Schulranzen gefunden wurden, bestreitet aber, der Urheber zu sein. Sein Bruder übernahm am Wochenende dafür die Verantwortung.
Freie Wähler-Chef Aiwanger fühlt sich - trotz seiner Entschuldigung - als Opfer der Flugblatt-Affäre. Der Präsident des Zentralrats der Juden sieht eine "Täter-Opfer-Umkehr".