Abgrenzung zur AfD: So bröckelt die CDU-Brandmauer

    Wo fängt Zusammenarbeit an?:Warum die CDU-Brandmauer zur AfD so bröckelt

    von David Gebhard, Patricia Hoffhaus
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    Die CDU hat ein Brandmauerproblem. Offiziell untersagt die Partei jede Kooperation mit der AfD, definiert aber nicht klar, was das heißt. An der Basis gehen manche eigene Wege.

    Stop-Schild vor der CDU-Parteizentrale in Berlin
    Ein Jahr vor den drei wichtigen Landtagswahlen in Ostdeutschland beharrt die CDU-Parteispitze in Berlin darauf: keine Zusammenarbeit mit der Konkurrenz von ganz rechts.19.09.2023 | 8:03 min
    Keine Zusammenarbeit mit der AfD - die CDU beteuert diese Woche, dass dieser Grundsatz gilt. Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, verweist auf den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gegenüber der AfD.

    In dieser Partei gibt es nachweislich Nazis, da möchte ich gar nichts mit zu tun haben.

    CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann

    Das sagt auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. Nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten gelte auf allen Ebenen, also auch in der Kommunalpolitik. Auf Nachfrage von ZDF frontal, ob die CDU AfD-Anträgen zustimmt, konkretisiert er: "Das kommt für uns nicht in Frage."

    Brandmauer ohne Wirkung bei CDU-Basis in Ostdeutschland?

    Das Verhalten von der Basis der CDU wirft die Frage auf, ob sie sich an die Vorgaben der Partei-Spitze hält. Eine Spurensuche von ZDF frontal, die in Berlin beginnt und in zahlreiche Brandmauer-Hotspots in Kommunen in Ost-Deutschland führt, zeigt: Die CDU stimmt immer wieder mit der AfD gemeinsam Anträgen zu. Und mehr noch: In manchen Kommunen in Deutschland ist die Zusammenarbeit mit der AfD ganz alltäglich.
    In Radebeul, Sachsen, hat die CDU zusammen mit der AfD einen Platz umbenannt - nach einer Opernsängerin. Der Antrag kam von der AfD. Der neue Platzname ist nicht ideologisch begründet, die Umbenennung an sich politisch nicht brisant, die Zustimmung eines AfD-Antrags aber gegen die prinzipielle Vorgabe aus Berlin.
    Heikler wird es in Bautzen, Sachsen, und Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern. Auch in diesen Kommunen hat die CDU gemeinsam mit der AfD gestimmt. In Bautzen stimmte die CDU demnach einem AfD-Antrag zu Asyl und Migration zu. In der Stralsunder Bürgerschaft haben die beiden Parteien schon häufiger gemeinsam die Hand gehoben, darunter über AfD-Anträge zum Gender-Verbot und zur Asylpolitik.

    CDU-Lokalpolitiker: "Zustimmung für AfD-Antrag ist keine Zusammenarbeit"

    Henrik Gotsch, CDU-Politiker in der Bürgerschaft Stralsund sieht darin kein Problem und keine Zusammenarbeit: "Wenn man zusammenarbeitet, dann - das steckt ja schon im Wort - arbeitet man zusammen. Das hat nichts damit zu tun, dass man inhaltlich auch mal einem Antrag zustimmt", sagt er ZDF frontal.
    Seine CDU-Kollegin Kerstin Friesenhahn ergänzt:

    Man muss die Anträge an sich begucken. Und dann erst überlegen: Ist das was Gutes für die Stadt oder ist es nichts Gutes. Ganz unabhängig von der Partei.

    Kerstin Friesenhahn, CDU Stralsund

    AfD als Mehrheitsbeschaffer? Kretschmer erteilt klare Absage

    Ganz anders klingt es nebenan an der Küste. "Ich bilde keine Mehrheiten mit Extremisten", sagt Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. "Und wenn ich darauf angewiesen bin, dann weiß ich in dem Augenblick, ich kann meine Hand nicht dafür heben", fordert er von seiner Partei.
    Doch mittlerweile bringen CDU-Politiker sogar CDU-Minderheitsregierungen im Osten ins Spiel, die sich dann wechselnde Mehrheiten im Parlament suchen könnten - je nach Thema dann auch mal mit der AfD. Neben Kommunalpolitikern kommt dieser Vorschlag mittlerweile sogar vom Chef der Grundwertekommission Andreas Rödder.
    Die Parteispitze in Berlin distanzierte sich. Der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer stellte zuletzt klar: "Eines ist von vorne rein ausgeschlossen - dass es irgendwas hier mit der AfD gibt, solange ich noch was zu sagen haben." Was genau das heißen soll, keine Zusammenarbeit mit der AfD, bleibt unklar.

    Was besagt der CDU-Unvereinbarkeitsbeschluss von 2018?

    Der formale Beschluss der CDU aus dem Jahr 2018 besagt zunächst schwammig: "Keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Keine Zusammenarbeit mit der Alternativen für Deutschland." Dann heißt es konkreter:

    Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.

    CDU-Parteitagsbeschluss von 2018

    Darauf berufen sich auch die Radebeuler: "Der Parteitagsbeschluss von 2018 ist für mich bindend als Parteimitglied", sagt Sven Eppinger, stellvertretender Kreisvorsitzender in Meißen. "Das Zustimmen zu einer Platzbenennung ist definitiv keine Koalition und auch keine ähnliche Zusammenarbeit - also ist das kein Verstoß."
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz aus Sachsen stört sich an dieser Auslegung. Sie führe zur Normalisierung der rechtsradikalen AfD. Er bringt eine Nachschärfung des Abgrenzungsbeschlusses ins Spiel. ZDF frontal sagt er: "Das ist die Verantwortung des Bundesvorstands darüber nachzudenken, ob man nachschärfen kann, um Unklarheiten oder Auslegungsspielräume wegzunehmen."
    Auf dem Bild ist eine Grafik des Politbarometers zu sehen.
    Im aktuellen ZDF-Politbarometer ist die AfD weiterhin mit 21 Prozent die zweitstärkste Partei hinter der CDU. Mit der Arbeit der Bundesregierung ist eine Mehrheit der Befragten unzufrieden, unter anderem wegen der aktuellen Wirtschaftslage.15.09.2023 | 1:48 min

    CDU-Lokalpolitiker zu Besuch bei der AfD in Berlin

    Die Brandmauer bröselt oft im Kleinen. "Mit diesen Leuten haben wir nichts zu tun", hat Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender, vor der Sommerpause über die AfD gesagt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnt jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD ab: "Und sei es nur der Kaffeeplausch in einem Kommunalparlament".
    In Krauschwitz trinkt man statt Kaffee lieber Bier nach der Sitzung mit dem AfD-Kollegen. Über die Zusammenarbeit im Gemeinderat sagt CDU-Fraktionsmitglied Mario Mackowiak:

    Wir haben null Brandmauer.

    Mario Mackowiak, CDU-Fraktion in Krauschwitz

    Während er darüber spricht, dass er zwischen CDU und AfD keine Berührungsprobleme feststellen kann, sitzt er im AfD-Fraktionssitzungssaal im Bundestag. Er ist dort als Gast einer sächsischen Reisegruppe. Gastgeber ist AfD-Chef Tino Chrupalla.

    Kühnert zu Thüringen
    :"So viel Macht hatte die AfD noch nie"

    Nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD in Thüringen gerät die CDU unter Druck. SPD-Generalsekretär Kühnert kritisiert vor allem das Verhalten von CDU-Chef Friedrich Merz.
    von Dominik Rzepka
    Archiv: Kevin Kühnert, Generalsekretär der Bundes-SPD, sitzt auf einer Bühne. (28.01.2023)
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