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ZDF-Team trifft Mann in Kabul:Abgeschoben nach Afghanistan - und jetzt?
von K. Eigendorf, N. Fayzi, J. Girke
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Raheem wurde Ende August nach Afghanistan abgeschoben. Der verurteilte Straftäter ist jetzt auf freiem Fuß. Sein Wunsch: zurück nach Europa. Ein ZDF-Team hat mit ihm gesprochen.
Das ZDF-Team in Kabul hat mit einem der 28 Afghanen geredet, die Ende August aus Deutschland abgeschoben wurden.18.10.2024 | 8:02 min
Straftäter abschieben - eine Forderung, die Politiker immer wieder äußern. Doch können verurteilte Straftäter per se einfacher abgeschoben werden? Und was passiert danach?
Ein ZDF-Team in Kabul konnte mit einem der 28 verurteilten Straftäter reden, die Ende August aus Deutschland abgeschoben wurden. Wir nennen ihn Raheem, seinen richtigen Namen möchte er nicht nennen. Es dauerte einige Wochen, bis er einem Interview zustimmte. Sein Wunsch: zurück nach Europa.
Raheem lebt bei seiner Familie, doch sie ist enttäuscht von ihm: Die Hoffnungen auf ein besseres Leben wurden mit seiner Abschiebung zerschlagen.
Quelle: ZDF
Flucht nach der Machtergreifung der Taliban
Raheems Fluchtgeschichte beginnt 2021, als die Taliban die Macht in Afghanistan ergriffen:
Seine Frau und die beiden Kinder lässt der damals Anfang 20-Jährige zurück. Er zahlt den Schmugglern viel Geld, verkauft fast seinen ganzen Besitz. Raheems Hoffnung: in Deutschland einen sicheren Job finden und damit seine Familie versorgen.
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Doch der Plan geht nicht auf: Sein Asylverfahren zieht sich, er lebt isoliert in einer Flüchtlingsunterkunft, arbeitet oft schwarz. Bis er straffällig wird - was genau passiert ist, wissen wir nicht. Nur so viel: Er soll in einen Streit verwickelt worden sein, trug ein Messer mit sich.
Können Straftäter einfacher abgeschoben werden?
Die Polizei nimmt ihn fest. Das Urteil: drei Jahre Gefängnis. Von dort wird er am 30. August abgeschoben, gemeinsam mit 27 anderen verurteilten Afghanen. Obwohl die Männer darüber informiert werden, kann Raheem es kaum fassen.
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Politiker, darunter auch Bundeskanzler Scholz, betonen immer wieder, das Sicherheitsinteresse Deutschlands wiege in solchen Fällen schwerer als das Schutzinteresse des Täters. Doch können Geflüchtete, die straffällig werden, per se einfacher abgeschoben werden? Nein. Jeder Fall muss einzeln geprüft werden. Entscheidend ist nicht, wie sich die Person in Deutschland verhält, sondern wie gefährdet sie im Zielland ist.
Raheem ist aus wirtschaftlichen Gründen geflohen, er wird nicht politisch verfolgt, scheint also keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Gleichwohl gilt das Regime der Taliban als unberechenbar. Er hat große Angst, was passieren würde, wenn die Taliban wüssten, dass er mit ausländischen Medienvertretern über seine Geschichte spricht.
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Was passiert nach der Abschiebung?
Die Versorgungslage in Afghanistan hat sich dramatisch verschlechtert, seit Raheem geflohen ist. Droht Menschen die Verelendung, stehen sie ebenfalls unter einem besonderen Schutzanspruch, sagt Völkerrechtsexperte Andreas Zimmermann. Auch wenn ein Geflüchteter keinen Asylstatus erhält, gebe es bestimmte Umstände, die eine Abschiebung unmöglich machten: Etwa, wenn die Lebenssituation im Zielland so schlimm wäre, dass es einem Menschenwürde-Verstoß gleichkäme, wenn man diese Person in diese Situation zurückbringt. In Raheems Fall hat dieses Kriterium offenbar nicht gegriffen.
Auf den Straßen in Afghanistans Hauptstadt Kabul versuchen die Menschen, irgendwie zu überleben.
Quelle: ZDF
Tareq Alaows von Pro Asyl kritisiert: "Die Abschiebung als einzige Lösung gegen Straftäter darzustellen, ist eine indirekte Diskreditierung für unser Justiz- und Strafsystem." Wer in Deutschland eine Straftat begehe, müsse auch hier bestraft werden, so Alaows.
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Die 28 abgeschobenen Männer sind alle wieder auf freiem Fuß. Auch Raheem durfte nach Hause, nachdem er ein paar Tage im Flughafen festgehalten wurde, erzählt er. Nach den Gesetzen der Taliban ist er offenbar kein Krimineller, trotz der Straftat in Deutschland.
Können Abgeschobene wieder einreisen?
In Afghanistan bleiben will er nicht. Sein Wunsch: zurück nach Europa.
Können abgeschobene Personen wieder legal nach Deutschland kommen? In Raheems Fall ein wohl aussichtsloser Wunsch. Wurde sein erster Asylantrag abgelehnt, ist es unwahrscheinlich, dass er bei einem zweiten Antrag in Deutschland mehr Erfolg hätte, sagt Experte Zimmermann.
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Sollte Raheem überhaupt bis zur Grenze kommen: "Dann würde ihm an der Grenze durch die Bundespolizei die Einreise verweigert werden."
Denn: Bei einer Abschiebung wird in aller Regel ein mehrjähriges Einreiseverbot verhängt.
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Zimmermanns Appell: mehr Differenzierung in der Migrationsdebatte. Deutschland brauche Facharbeiter aus dem Ausland und müsse verfolgten Menschen weiterhin Schutz gewähren: "Und die zu trennen von den Personen, die allein aus wirtschaftlichen Gründen in das Gebiet der Europäischen Union einreisen. Das ist das eigentliche Problem."
Doch diese Differenzierung käme in der viel zu hitzigen Debatte zu kurz. Es brauche einen sachlichen Austausch, eine bessere Integrationspolitik und wirksame Maßnahmen. Raheem vermied nach dem Gespräch weiteren Kontakt. Wie es für ihn weitergeht, ist unklar.
Asylanträge von Afghanen und Syrern 2024
Laut Pro Asyl schürt die aktuelle Migrationsdebatte große Ängste bei Geflüchteten in Deutschland. Doch viele Betroffene dürften gar nicht abgeschoben werden, belegen auch aktuelle Zahlen: In diesem Jahr (Januar bis September 2024) hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über 74.892 Asylanträge von Menschen aus Syrien und über 32.999 Anträge von Menschen aus Afghanistan entschieden. 5.751 Syrer und 11.434 Afghanen erhielten einen Flüchtlingsstatus.
Alle anderen Asylanträge dieser beiden Länder wurden aber nicht abgelehnt: 57.095 Syrer erhielten einen sogenannten subsidiären Schutz, 12.984 Afghanen stehen unter einem Abschiebeverbot.
Insgesamt ist das eine Schutzquote von 84,2 Prozent bei syrischen und 75,8 Prozent bei afghanischen Antragstellern. In diesen Fällen ist eine Abschiebung in der Regel unmöglich.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
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