Die letzte Ariane 5: Europas Raumfahrt fehlen die Raketen

    Letzte "Ariane 5"-Rakete:Europas Raumfahrt bald auf Musk angewiesen?

    Studioleiterin Susanne Freitag-Carteron, ZDF-Landesstudio Saarland, mit Mikrofon.
    von Susanne Freitag-Carteron
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    Europas Trägerrakete Ariane 5 steht vor ihrem letzten Einsatz. Der Start der Nachfolgerin, Ariane 6, verzögert sich seit Jahren. Ist Europa bald angewiesen auf Elon Musk?

    Nachtaufnahme der hell angestrahlten neuen Mondrakete SLS, die vor dem Start auf der Startrampe steht
    Das Artemis-Programm, Amerikas Rückkehr zum Mond, definiert die Raumfahrtindustrie neu. Ein Milliardenmarkt entsteht. Beim Wettlauf um die Zukunft kämpft Europa um Anschluss.13.06.2023 | 29:02 min
    Eigentlich sollte in der Nacht von Freitag auf Samstag die letzte Ariane-5-Rakete in Französisch-Guyana starten. Am Europäischen Weltraumbahnhof in Kourou wäre eine Ära zu Ende gegangen. Die jetzige Ariane-Rakete sollte "Heinrich Hertz" ins Weltall bringen - ein in Bremen beim Raumfahrtunternehmen OHB gebauter Satellit, der neue Kommunikationstechnologien untersuchen wird. Wegen Sicherheitsbedenken wurde der Start jedoch verschoben.
    Die anspruchsvolle Mission wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) finanziert. Eine weitere nach dem James-Webb-Teleskop, das atemberaubende Bilder aus anderen Galaxien sendet, und der "Juice"-Mission, die die Jupitermonde erforschen wird.
    [Physiker Hauke Hussmann erklärt im ZDF-Interview, warum Leben auf den Eismonden des Jupiters nicht ausgeschlossen ist.]

    Warten auf Ariane 6

    Das kann aber nicht über ein großes Problem hinwegtäuschen: Europa fehlen die Raketen. Eigentlich sollte das Folgemodell der Ariane 5, die Ariane 6, längst abgehoben sein, aber die 60 Meter hohe Trägerrakete steht seit drei Jahren in ihrem Hangar und startet nicht.
    Technische Probleme und die Corona-Pandemie haben zu Verzögerungen geführt und zu einer Kostenexplosion auf über vier Milliarden Euro. Der Jungfernflug ist jetzt für Ende des Jahres geplant.

    Bei Satelliten ist Europa top

    "Europa kann gut Satelliten bauen und Wissenschaft machen", sagt der deutsche Ingenieur Hans Königsmann, der seit neuestem Aufsichtsrat beim Satellitenbauer OHB ist. Vorher war Königsmann 20 Jahre lang bei SpaceX, war Elon Musks "Mitarbeiter Nummer 4" und verantwortlich für Raketenstarts.

    Aber Sachen bauen, die fliegen, die innovativ und neu sind - das habe ich bis jetzt noch nicht gesehen.

    Hans Königsmann, Ingenieur und Aufsichtsrat bei OHB

    SpaceX hat Raketen-Markt revolutioniert

    "Space X hat einfach erkannt, was Raketen teuer macht: Das ist die Tatsache, dass man sie nach jedem Start einfach wegschmeißt", sagt er.
    Königsmann hat bei SpaceX an den wiederverwertbaren Raketen gearbeitet, die das Raumfahrtbusiness komplett umgekrempelt haben, und die Europas Weltraumambitionen heute vor die größte Herausforderung aller Zeiten stellen.

    Ariane 6 "schon vor dem ersten Flug veraltet"

    Ariane 6 sei schon vor dem ersten Flug veraltet, meint Königsmann. Wenn sie fliegt, komme sie nicht zurück, die Milliarden verschwänden ersatzlos im Orbit, erklärt Königsmann das Problem.
    Unterdessen fliegen manche SpaceX-Raketen bereits zum 15. Mal - das macht sie konkurrenzlos günstig. Deshalb ist Elon Musk bei Astronautenflügen längst fester Partner der Nasa, auch Europas Astronauten fliegen mit seinen Dragon-Kapseln zur Internationalen Raumstation ISS.
    Im Januar war der Generaldirektor der ESA, Josef Aschbacher, mit einer Expertengruppe in Kourou, um Zukunftsstrategien zu entwerfen. Da standen sie oben auf dem Ariane-Raketengebäude. Die Aussicht auf Europas Weltraumbahnhof ist spektakulär. Die Aussichten in die Zukunft müssen es erst noch werden.

    ESA hat Schwerpunkt auf Forschung gelegt

    "Europa braucht einen unabhängigen Zugang ins All, auch für Astronauten", sagt Aschbacher. Doch dazu müsste die gesamte Infrastruktur verändert werden und die Raketen ebenfalls. Ariane 6 kann, selbst wenn sie fliegt, keine Menschen transportieren. Milliardeninvestitionen, die die 22 ESA-Mitgliedsstaaten erst einmal gemeinsam verhandeln müssen.
    Europas Weg ins All
    Mit dem Artemis-Programm wollen die USA dahin zurückkehren, wo sie vor 50 Jahren schon mal waren – auf den Mond. 21.04.2023 | 2:15 min
    Europa hat bei seinen Investitionen den Schwerpunkt immer auf die Forschung gelegt, bei der Erdbeobachtung und Klimaanalyse war das erfolgreich. Der Start von "Heinrich Hertz" setzt diese Tradition fort. Und natürlich hoffen alle, dass die leistungsstärkere Ariane 6 auch in Zukunft europäische Hochtechnologie ins All befördert.
    [Forscher: So könnte Leben auf dem Mars aussehen.]

    Europa könnte beim Satellitentransport auf SpaceX angewiesen sein

    Aber selbst wenn ihr Start erfolgreich sein sollte - wiederverwertbar ist sie nicht. "Ariane 6 ist eine sehr traditionelle Rakete", sagt Hans Königsmann, "aber sie kann die Wiederverwertbarkeit nicht schlagen".
    Sollte es zu weiteren Verzögerungen beim Start kommen, was auch Experten nicht ausschließen, dann könnte es sein, dass Europa in seiner Königsdisziplin, beim Transport schwerer Satelliten, auf absehbare Zeit erst einmal komplett auf Elon Musk angewiesen ist.
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