Twitter-Alternative: Warum Threads echtes Potenzial hat

    Erfolgreicher App-Start:Threads: Ernsthafter Rivale für Twitter?

    von Torben Heine
    |

    Meta gelingt mit Threads der erfolgreichste App-Start aller Zeiten. Auch andere wollten bereits Twitter-Alternativen etablieren. Warum es diesmal auch langfristig klappen könnte.

    Ein Threads-Logo auf einem Smartphone.
    Social-Network Threads (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    100 Millionen Nutzerinnen und Nutzer - diese Schallmauer konnte das neue soziale Netzwerk Threads bereits wenige Tage nach seinem Start durchbrechen. Das ist schon jetzt der erfolgreichste Start einer neuen Plattform in der Geschichte. Und Mark Zuckerberg, Chef des Mutterkonzerns Meta will noch höher hinaus: Ehrgeizig spricht er vom Ziel, eine Milliarde User zu gewinnen.
    Threads ist ähnlich aufgebaut wie Twitter und ein offener Angriff auf die Plattform, die seit der Übernahme durch Tech-Milliardär Elon Musk durch dessen intransparente Management-Entscheidungen immer wieder in die Kritik gerät.

    Das ist natürlich eine einmalige Gelegenheit für Meta, sich als Alternative anzubieten. Ich glaube, das ist reiner aktiver Opportunismus, der aber genau deswegen auch sehr erfolgreich sein kann.

    Michael Seemann, Digital-Experte und Autor

    Threads-Nutzer können ihre Gedanken vor allem schriftlich, aber auch durch Fotos, mit der Welt teilen. Wie bei Twitter gibt es auch bei Threads ein Zeichenlimit. Auch hier können Inhalte gelikt, kommentiert und weiterverbreitet werden.
    "Es ist sehr nah an dem, was Twitter gebracht hat", sagt Michael Seemann. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Digital-Themen und der Macht von Online-Plattformen. "Allerdings würde ich sagen, dass der Algorithmus, der momentan noch verwendet wird, nicht sehr gut funktioniert." Die Personalisierung auf individuelle Vorlieben und Interessen sei noch nicht ausgereift.

    Meta kündigt Verbesserungen und neue Features an

    Und doch dürfte Threads das Potenzial zur echten Twitter-Alternative haben. Schon jetzt entspricht die Anzahl der Registrierungen einem Viertel der Zahl aktiver Twitter-User. Und: Meta hat bereits Verbesserungen und neue Features aller Art angekündigt.
    Dass der Dienst wohl wegen rechtlicher Unsicherheiten beim Datenschutz und der Regulierung großer Online-Plattformen noch nicht in Europa gestartet ist - nur ein vorläufiger Makel. "Wir arbeiten daran, Threads in weiteren Ländern auf den Markt zu bringen und werden laufend prüfen, das Produkt auch in Europa anzubieten", so eine Konzernsprecherin.

    Clubhouse und Mastodon dürften Meta eine Warnung sein

    Im Großen und Ganzen spricht das Wachstum für sich. Ein unternehmerischer Erfolg ist Threads auf jeden Fall.

    Michael Seemann

    Dass rasantes Nutzerwachstum allerdings nicht alles ist, zeigen vergangene Beispiele. Der schnelle Aufstieg und Fall des audiobasierten sozialen Netzwerks Clubhouse dürfte Meta ebenso eine Warnung sein wie die Entwicklung von Mastodon.
    Auch das dezentrale Netzwerk aus dem sogenannten Fediverse wurde und wird nach wie vor von vielen als Twitter-Alternative angepriesen. Der Zulauf war zwischenzeitlich hoch, das Netzwerk wuchs Ende 2022 auf 2,5 Millionen User an. Von einer Wachablösung von Twitter als debattenprägendes Netzwerk kann bisher aber keine Rede sein.

    Entwicklung von Mastodon zu schleppend

    Das hat laut Experte Seemann verschiedene Gründe. Zum einen reiche Mastodon mit seinen Features nicht an die Vielfalt von Twitter heran. "Im Gegensatz zu Meta-Produkten entwickelt sich Mastodon sehr langsam, Features werden nur schleppend adaptiert." Das schrecke ungeduldige Nutzer ab.
    Zurück bleibe eine Community, die sich mit den bestehenden Umständen eingerichtet hat.

    Man hat manchmal das Gefühl, dass bei Mastodon gar kein Interesse besteht, in den Mainstream vorzudringen.

    Michael Seemann

    Meta hat hier gut vorgesorgt, um nicht den gleichen Fehler zu machen. Die Verknüpfung mit Instagram macht es für Nutzer möglich, sich mit nur einem Klick bei Threads zu registrieren, der Mainstream kann so leicht überschwappen. Auch das dürfte das explosionsartige Wachstum erklären.

    Design und Nutzerfreundlichkeit bei Threads besser

    Auch das Design und die Nutzerfreundlichkeit seien Aspekte, die bei Threads mehr überzeugen und bei Mastodon schnell abschrecken würden, meint Seemann. Meta kann hier von seinen Erfahrungen mit Instagram und Facebook profitieren.

    Ein großes Alleinstellungsmerkmal, von dem bisher Mastodon profitieren konnte, ist die technische Infrastruktur. Mastodon arbeitet mit dem sogenannten AcitivityPub-Protokoll. Durch diesen Standard ist Mastodon ein offenes Netzwerk. Andere Server und Dienste können sich mit dem Protokoll untereinander verbinden, ohne zwangsläufig Daten miteinander auszutauschen - sie bilden so das Fediverse. Kein Konzern kann die Regeln des Protokolls einfach so ändern.

    Threads zeigt sich offen, das Protokoll in Zukunft zu integrieren. Sollte das passieren, könnten Regierungen, Organisation und andere Nutzer ihre eigenen Server an das soziale Netzwerk anschließen, sogar Mastodon-Accounts ließen sich anbinden. Seemann bremst allerdings die Erwartungen: "Es wird viel darüber gerätselt, was die Motivation für Meta ist, ActivityPub als Protokoll zu implementieren", sagt er.

    "Man müsste sich darauf verlassen können, dass Meta diese Interoperabilität über Jahre hinweg gewährleistet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand dieses Zutrauen hat. Ich zweifle sogar, ob sie das überhaupt einführen. Ich sehe das eher als zusätzliche Spielerei und Marketing seitens Meta."

    Doch die Infrastruktur sei ohnehin nicht der entscheidende Hebel im Wettstreit um die Twitter-Ablösung.

    Das größte Manko von Mastodon sehe ich nicht in der Infrastruktur, sondern in den Massen der Nutzer.

    Michael Seemann

    Denn ohne viele User, die Inhalte teilen, kommentieren und weiterverbreiten könne kein "Echtzeit-Erlebnis" entstehen. Und gerade diese Schnelligkeit sei es, was Twitter ausmacht.

    Threads braucht stabile Community für langfristigen Erfolg

    Klar ist: Ein Scheitern von Threads als Twitter-Ablösung ist nach wie vor möglich. Die Zahlen zum Start seien zwar beeindruckend, "aber am Ende zählt natürlich, wer länger dabeibleibt und dort Content einstellt", so Seemann.
    Auch eine stabile Community auf der Plattform müsse sich erst noch bilden. "Twitter hat eine über lange Zeit entwickelte Community mit viel Tiefe und Detailreichtum, Expertennetze für praktisch alles. Das kann Threads nicht von heute auf morgen kopieren."

    Wegen Konkurrenz-App "Threads"
    :Twitter droht Meta offenbar mit Klage

    Der Kurznachrichtendienst Twitter hat mit Threads aus dem Hause Facebook ernsthafte Konkurrenz bekommen - und will sich jetzt offenbar mit einer Klage dagegen wehren.
    Zwei Handys haben jeweils die Threads und die Twitter App geöffnet.

    Mehr Digital-Themen