Altersdiskriminierung:Ältere bei Digitalisierung außen vor?
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Termine vereinbaren oder Tickets kaufen - viele alltägliche Dinge sind digitalisiert. Das schließt Ältere oft aus. Die Antidiskriminierungsbeauftragte fordert mehr Teilhabe.
Senioren nehmen an einem Computer-Kurs von Daniel Lehmann in einer Berliner Stadtteilbibliothek teil.
Quelle: dpa
Die 73-jährige Ewa hat das Internet bis vor einem Jahr nie benutzt. "Die jungen Leute sind geboren mit Computern und dem Internet. Für uns ist das alles zu viel", klagt sie. "Doch im Rathaus, bei der Krankenkasse, beim Optiker - man muss überall online Termine machen. Ich muss das bedienen können." Und so kommt sie einmal in der Woche in die Berliner Stadtteilbibliothek Haselhorst.
Hier lernt sie in einem Kurs der Arbeiterwohlfahrt gemeinsam mit anderen Senioren und Seniorinnen, wie man ein Mailprogramm einrichtet, Fotos und Videos macht oder in Videokonferenzen geht.
Neben Ewas Tablet liegt eine Mappe aus Papier. In geschwungener Schrift notiert sie, was "Wlan" bedeutet und wie das Symbol aussieht, um etwas zu speichern. Ein Wörterbuch für die digitale Sprache.
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Laut Alternsforscher Hans-Werner Wahl hat die digitale Wende viel Nährboden gegeben, Diskriminierungen wegen des Alters zu verstärken. "Da hört man dann: 'Das können die Alten doch jetzt wirklich nicht. Das sollte man gar nicht erst versuchen'", sagt Wahl von der Uni Heidelberg. "Beim Deutschlandticket gibt es inzwischen auch andere Wege, als es online zu beantragen. Aber da muss man sich teils in langen Schlangen anstellen und Termine im Rathaus sind oft viel leichter online zu bekommen."
Jeder Sechste der 65- bis 74-Jährigen nutzt kein Internet
Nach Angaben des Statistischen Bundesamt hat 2022 gut ein Sechstel (17 Prozent) der 65- bis 74-Jährigen in Deutschland noch nie das Internet genutzt und einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen zufolge führt das zu Problemen in nahezu allen Lebensbereichen. Besonders gelte das für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und von Bürgerdiensten sowie des Bankensektors.
In der Alternswissenschaft wird häufig die Grenze von 60 oder 65 Jahren genutzt. Inzwischen wird oft auch in ein "drittes und viertes Lebensalter" unterteilt - also einmal die 60- bis 80-Jährigen und einmal 80-Jährigen und Älteren. Quelle: dpa
Auch die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, hat sich dem Thema angenommen. "Es darf nicht sein, dass wir uns darauf verlassen, dass das schon jemand anders für die Person macht."
Ewas Computer-Dozent in der Berliner Stadtteilbibliothek Haselhorst versucht, dazu etwas beizutragen. "Ich kann vielleicht länger zu Hause leben, wenn ich mir meine Getränke und Lebensmittel online liefern lassen kann", sagt Daniel Lehmann. Das sei wichtig für die Teilhabe.
Dozent: "Man muss die Menschen an die Hand nehmen"
Ewa möchte unter anderem lernen, ein Foto per Mail zu schicken - von einer Rose aus ihrem Garten. In 90 Minuten führt Dozent Lehmann seine sechs Teilnehmer und Teilnehmerinnen durch das Mailprogramm. "Was war das Besondere an der Zeile, in der 'An' steht?", fragt der 32-Jährige. "Das kann man an ganz viele schicken", kommt es zurück. "Genau, anders als ein Postbrief kann man eine E-Mail an mehrere Empfänger schicken", erklärt Lehmann und geht herum, hilft bei Problemen.
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"Man muss die Menschen an die Hand nehmen", sagt Lehmann.
Auch in der Wirtschaft werden ältere Menschen immer wieder vergessen: Die Supermarktkette Rewe will vom 1. Juli 2023 an keine Handzettel mehr drucken lassen, Deutschlands größte Baumarktkette Obi verzichtet bereits seit Juni auf Prospekte. Schnäppchen müssen online gesucht werden, idealerweise per App auf dem Handy. Ältere Menschen sind einer Studie zufolge jedoch mit 67 Prozent wöchentlicher Nutzung eine der eifrigsten Nutzergruppen der Prospekte.
Doch Alternsforscher Wahl zeigt sich optimistisch. "Wir haben eine alte Arbeitsgesellschaft. Die Älteren sind wichtige Marktteilnehmer", sagt er.
"Man wird seine Klientel nicht verärgern wollen," so Wahl.