Interview
Rock-Legenden über das Altern:Warum die Stones nicht ans Aufhören denken
von Wolf-Christian Ulrich
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Die Rolling Stones veröffentlichen nach 18 Jahren ein Album mit neuen Songs. Was treibt sie an, wie bleiben sie fit - und gibt’s eine Tour? Antworten von drei Unverwüstbaren.
Suite in einem Londoner Nobel-Hotel. Mick Jagger erscheint: Drahtig, gut gelaunt, hellwach. Die Band trommelt hier für das neue Album "Hackney Diamonds". "Rock'n'Roll muss tonnenweise Energie haben. Und Humor!" Mick Jaggers Augen blitzen. Er rudert mit den Armen. Alt und jung gleichzeitig.
Das erstaunlichste auf "Hackney Diamonds" ist Micks Jaggers Stimme. Der 80-Jährige klingt immer noch wie mit 30. Wie macht er das nur?
Mick Jagger: Ich habe einfach Glück. Ich hatte nie wirklich Probleme mit meiner Stimme und ich habe sie immer gepflegt. Ich hatte ein paar Gesangsstunden. Und ich übe sehr viel, selbst wenn ich nicht arbeite.
Es ist, als wäre ich im Fitnessstudio. Man geht also ins Fitnessstudio, und genauso muss ich auch singen. Also gehe ich ins Fitnessstudio und singe. Es ist langweilig, aber das ist es wert.
Der Jetset, die Konzerte, die Medientermine - wie sie das mit um die 80 alles meistern, ist schon ein Kunststück für sich.
Ronnie Wood: Du musst das Alter im Zaum halten. Du musst deine Hände trainieren und ich habe einen großartigen Physiotherapeuten an meiner Seite: Wir boxen - und halten den Körper in Bewegung.
Keith Richards: Man muss sich anpassen - und akzeptieren.
Die Exzesse von früher - sind heute eher Pose. Die Stones sind längst: Fitness und Disziplin. Und weil man nur so alt ist, wie man sich fühlt - steht Mick Jagger wahrscheinlich noch mit 100 auf der Bühne.
Mick Jagger: Wenn man jung ist, kann man rauchen und trinken und trotzdem singen. Mit 20, 30 kann man noch trinken und rauchen, aber man singt nicht mehr so gut. Du, wenn man dann älter wird… weißt Du, viele Leute haben Probleme, aber ich nicht.
Wenige Bands weltweit haben eine derart magische Anziehungskraft wie die Stones. Ein neues Album? Das elektrisiert 25- wie 85-jährige Fans. Es heißt "Hackney Diamonds": Ein Euphemismus für die Glas-Splitter von eingeschmissenen Autoscheiben. Die erste Single heißt "Angry", zornig. Jugendlicher Zorn: mehr als bloß Marketing? Worüber wären die Rebellen von einst heute zornig?
Keith Richards: Do you have all day? (lacht)
Mick Jagger: Ich wäre zornig, wenn ich immer noch bei meinen Eltern wohnen müsste, weil ich nicht genug Geld habe, um mir eine Wohnung zu kaufen oder auch nur zu mieten. Manche Leute haben ein hartes Leben. In England läuft es im Moment wirtschaftlich nicht so gut. Vielen Menschen geht es nicht mehr so gut wie noch vor 40 Jahren.
Die Stones rocken auf Hackney Diamonds mit prominenten Gästen. Sir Paul McCartney, Sir Elton John, Stevie Wonder. Und: Lady Gaga, die mit Jagger einen wunderbaren Gospel singt. Starkes Line-up.
Mick Jagger über Lady Gaga: Es war Zufall. Sie war im Studio nebenan und sie kam rein. Ich dachte, sie wäre nur zu Besuch, aber sie kam rein, hörte ein bisschen zu, setzte sich zu meinen Füßen, setzte Kopfhörer auf, ich gab ihr das iPad. Und dann fing sie an zu singen.
Ronnie Wood über Elton John: Elton! Ja, wir haben ein paar Mal gesprochen. Ich wusste, dass er wirklich scharf darauf war, auf dem Album zu spielen. Und ich sagte, na ja, stell dich hinten an die Schlange an, Elton!
Einer fehlt in diesen Tagen: Charlie Watts, sein Tod 2021 hat die Band und die Fans sehr getroffen. In zwei Songs ist er auf Hackney Diamonds noch zu hören - für die anderen ist Steve Jordan eingesprungen. Ist der Geist von Charlie Watts trotzdem auf dem Album zu spüren?
Ronnie Woods: Charlies Geist ist immer mit uns.
Keith Richards: Charlie sagte mal zur mir, wenn ihr mal ohne mich machen müsst, ist Steve Jordan der richtige Mann.
Ronnie Woods: Mit anderen Worten, es ist wirklich wie eine Staffelübergabe.
Mick, Keith und Ronnie denken offenbar nicht ans Aufhören - im Gegenteil. Der Rock'n'Roll lässt sie nicht los. Und auch, wenn der Körper zuweilen die Ambitionen bremst: Wer auf ein Stones-Konzert geht, soll die Trübsal des Alltags vergessen.
Ronnie Wood: Wir hoffen, dass wir die Leute zum Lächeln bringen, wenn wir ihnen Spaß machen, wenn sie Musik hören.
23 Songs sollen sie jüngst aufgenommen haben. Genug Material für ein weiteres Album. Nur: wie geht es jetzt weiter? Können die Fans eine neue Tour erwarten?
Das Interview führte Wolf-Christian Ulrich, ZDF-Korrespondent in London.
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