Sondergenehmigungen für Lokale:Streit um Außenbereiche von Pariser Bars
von Lukas Nickel
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Bar-Terrassen gehören in Paris zum Stadtbild. Deren Anzahl ist seit der Pandemie stark gestiegen. Das verengt den wenigen öffentlichen Raum und sorgt für Ärger bei Anwohnern.
Terrassen vor Bars gehören in Paris zum Stadtbild.
Quelle: AFP
Für viele Menschen in Paris sind die Terrassen eine der wenigen Möglichkeiten, um ihren kleinen Wohnungen zu entkommen. Während der Corona-Pandemie hat die Stadt 12.000 Bars erlaubt, ihre Terrassen zu erweitern - entweder in Form von Holzbauten auf dem Parkstreifen, oder mehr Plätzen auf dem Gehweg.
Ausnahmegenehmigungen auch im Pariser "Biergürtel"
Aufgrund des Erfolgs der Erweiterungen hat die Stadt 4.500 Ausnahmegenehmigungen aufrecht erhalten. Besonders beliebt sind das 10. und 11. Arrondissement in Paris, mitten im Pariser "Biergürtel", der sich durch die Stadt zieht und besonders viel Gastronomie beherbergt.
Hier betreibt auch Quentin Tournié eine Kneipe. Der zusätzliche Platz sei sehr wichtig für kleine Betriebe wie seinen, vor allem im Sommer, wenn die Leute draußen sitzen wollen:
Mehr Fahrräder, mehr Cafés, weniger Autos?
Die Erweiterungen müssen um 22 Uhr geschlossen werden und dürfen nur von April bis Oktober in Betrieb sein. "Die Terrassen sind Teil unserer Politik, den öffentlichen Raum neu zu verteilen", erklärt Olivia Polski, stellvertretende Bürgermeisterin von Paris. Das bedeutet: Mehr Lebensqualität unter anderem durch mehr Fahrradstreifen, mehr Platz für Bars und Cafés, und vor allem weniger Platz für Autos.
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Das sorgt für Kritik. Im Stadtkern von Paris habe vielleicht niemand mehr ein Auto und benötige keine Parkplätze, erklärt Arsène Vassy von der Autofahrervereinigung Ligue de Défense des Conducteurs. Doch die zehn Millionen Menschen im Großraum Paris benötigten sehr wohl noch ein Auto, und die würden immer weniger nach Paris kommen.
Mehr als 8.000 Beschwerden über Lärm von Terrassen
Zu teuer und zu rar seien die wenigen verfügbaren Parkplätze. Alternativen wie Park&Ride, die man aus anderen europäischen Städten kenne, gebe es nicht. Diese Politik gegen das Auto führe insgesamt zu einer "Privatisierung von Paris", für die Menschen, die sich das Leben in der Stadt leisten können, so Vassy.
Ein weiteres Problem: Oft werden die Regeln für die Terrassen nicht eingehalten. Alleine im vergangenen Jahr gingen auf dem von der Stadt eingerichteten Portal "dans ma rue" 8.800 Beschwerden wegen Ruhestörung in Zusammenhang mit kommerziell genutzten Terrassen ein. Insgesamt wurden 4.500 gebührenpflichtige Verwarnungen von der Polizei ausgesprochen.
"Um 22 Uhr kommt man hier kaum mehr durch"
Wenige wollen offen über ihre Probleme mit den Terrassen reden. Es sei schon von Barbetreibern mit Gewalt gedroht worden und man wolle sich und seine Familie nicht in Gefahr bringen, berichten Anwohner. Einer, der spricht, ist Gilles Pourbaix von der Anwohnervereinigung Réseau Vivre Paris:
Lärm sei nicht das einzige Problem mit den Terrassen. Er zeigt auf eine weiße Linie auf dem Boden, in einer belebten Straße im 6. Arrondissement. Es ist 19 Uhr, die zahlreichen Bars schon gut gefüllt. Viele Stühle und Tische ragen über die Linie hinaus, die eigentlich sicherstellen soll, dass Passanten und vor allem Rollstuhlfahrer mindestens 1,60 Meter Platz auf dem Bürgersteig haben. "Um 22 Uhr kommt man hier kaum mehr durch", sagt Pourbaix.
Die meisten Appartements hier seien mittlerweile Ferienwohnungen. Und Anwohner wie er würden langsam aus den belebten Gegenden vertrieben. Hinter Pourbaix geht gerade eine Anwohnerin in ihr Haus. Ob sie mit dem Krach zu kämpfen habe? "Wir haben hier nicht eine Minute Ruhe", sagt sie.