Der Sanierungsstau an Deutschlands größter Hochschule, der TU Berlin, liegt bei 2,4 Milliarden Euro, in ganz Berlin sind es acht Milliarden. Ein Brief fordert Hilfe vom Senat.
Das Wasser strömt von der Decke, die Zwischendecke kracht auf Tische und Stühle. "Wir hatten Glück im Unglück. Der Seminarraum war gerade nicht belegt", sagt Chemieprofessor Martin Lerch.
Das Wasser lief in nur wenigen Minuten durch die Gänge in die Laboratorien des alten Chemiegebäudes, das seitdem abgesperrt und nicht nutzbar ist. Das Schlimmste, erklärt Professor Lerch, seien die gestoppten Drittmittel-finanzierten Projekte. Niemand kann arbeiten. Das frustriert Doktorantinnen und Doktoranten.
An der TU Berlin sind aktuell gleich drei Gebäude akut durch Wasserschäden geflutet. Eins für Chemie, das Mathegebäude und das für Physik teilweise.
Offener Brief an Berliner Wissenschaftssenatorin
TU-Kanzler Lars Oeverdieck hat jetzt einen offenen Brief mit 2.000 Unterschriften von TU-Mitarbeitern an Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) übergeben. Ein Hilferuf. Man wolle exellente Forschung betreiben und dringend benötigten Nachwuchs ausbilden, aber das Fundament für diese Aufgabe bröckele und drohe einzustürzen, so der TU Kanzler.
Senatorin Czyborra spricht von einer "bitteren und besorgniserregenden Lage" allerdings gebe es auch eine "Verteilungskrise" und die "Schuldenbremse". Berlins neuer Senat sei gerade dabei den Haushalt neu aufzustellen. Weiter an Investitionen zu sparen sei keine gute Idee.
Koalitionsvertrag sieht 5 Prozent Mehrausgaben vor
Acht Milliarden Euro wären für ganz Berlin nötig, rechnet die Senatorin vor. Aber wie viel Geld es für die maroden Unis aktuell gibt, kann sie nicht sagen. Auch Finanzsenator Stefan Evers (CDU) schwieg sich zu der möglichen Höhe eines Investitionsprogrammes aus.
Im Koalitionsvertrag sind fünf Prozent Mehrausgaben für Unis und Hochschulen eingeplant. Das reicht für alle Herausforderungen auf keinen Fall.
Lerngruppen im Freien - noch geht das
Derweil sitzt Mathe-Tutorin Johanna Sophie Eberl mit ihrer Lerngruppe auf der Wiese hinter dem gesperrten Mathegebäude. Heute lacht die Sonne, aber wenn es regnet, kommt kaum einer. Dann sind die Bänke nass - und überhaupt fehlen die Steckdosen.
Johanna Sophie bemüht sich zu betonen, dass die TU dennoch eine super Uni ist, aber "es ist halt superärgerlich, wenn nicht mal die Räume zur Verfügung stehen". Sie denkt, dass ein Dach über dem Kopf das Erste sein müsste, was man an einer Uni braucht.
TU-Kanzler: Bundesmittel oder Privatfinanzierungen erwägen
Das Semester ist bald zu Ende. Spätestens bis zum Herbst müssen Lösungen her. Sonst weht ein rauer Wind auf dem Campus. Denn die Probleme wurden schon lange von Senat zu Senat verschoben. Es gibt zwar seit 2018 einen Plan für die Entwicklung des Hochschulstandortes, aber Investitionen wurden immer wieder verschoben oder gekürzt.
Um den Sanierungsstau abzubauen, sollten mehr Anträge auf Bundesmittel gestellt werden und alternative Modelle, zum Beispiel Privatfinanzierungen, erprobt werden, meint der TU-Kanzler. Sonst seien Forschung und Lehre auf Dauer massiv beeinträchtigt.