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Neue Gravitationswellen entdeckt:Forschende eröffnen neuen Zugang zum Kosmos
Ein Observatorium, groß wie die Milchstraße: Damit ist es einem internationalen Forscherteam gelungen, das gravitative Echo kollidierender gigantisch Schwarzer Löcher nachzuweisen.
Ein Forschungsteam hat entdeckt, dass das Universum von sehr langen Gravitationswellen durchzogen ist. Entdeckt mit HIlfe eines Radioteleskops, größer als die Milchstraße. 29.06.2023 | 4:36 min
Bereits 1916 hatte der Physiker Albert Einstein die Überlegung in den Raum gestellt, dass bewegte Massen die Raumzeit ins Schwingen versetzen müssten. Diese Raumzeit ist eine Kombination aus dem Raum um uns herum, in dem alle Dinge und wir selbst existieren, und der Zeit. Man kann sie sich vorstellen wie ein Trampolin, das sich dehnt und verformt, wenn sich eine Masse - also zum Beispiel eine Person - darauf bewegt.
Es handelt sich also nicht um Wellen im Raum (wie Wasserwellen) sondern Schwingungen der Raumzeit selbst. Im Alltag bekommen wir davon selbstverständlich nichts mit, dafür sind diese Dehnungen viel zu klein. Nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlern aber tatsächlich das gravitative Echo kollidierender gigantisch Schwarzer Löcher nachweisen können.
Harald Lesch: Im Sog des Schwarzen Lochs27.09.2020 | 43:25 min
Schwarze Löcher sind die gewaltigsten Monster im Universum. Niemand weiß, was in ihrem Inneren passiert.
Was können wir daraus Neues lernen?
Forschende erhoffen sich daraus vor allem Antworten über die Frühzeit des Universums. Die gängigen Theorien zur Entstehung und Entwicklung des Universums wie die Urknall-Theorie könnten so weiter überprüft werden. Auch etwa, ob es einen "Big Bounce" gab, also einen Kollaps eines Vorgänger-Universums vor unserem Urknall.
Die ZDF-Wissenschaftsexperten Suzanna Randall und Marco Smolla haben in einem YouTube live von Terra X zusammen mit Michael Kramer, quasi der deutsche Guru zu Gravitationswellen, Fragen zu den neuen Forschungsergebnissen beantwortet. Was löst den "Gravitationswellenhintergrund" aus?
Laut gängiger Theorien ist das gesamte
Weltall von einer Art gravitativem Hintergrundrauschen durchzogen. Dieses wird von gewaltigen Ereignissen ausgelöst, etwa wenn zwei gigantische Schwarze Löcher - die Objekte mit der größten Gravitationskraft im ganzen Universum - verschmelzen. So etwas führt zu den größten Gravitationswellen des Kosmos: Eine einzige Welle erstreckt sich über mehrere Lichtjahre.
Schwarze Löcher sind Objekte mit enormer Masse. Sie sind die Quelle von Gravitationswellen, verformen Raum und Zeit. Aber wie kann man so etwas nachweisen?29.06.2023 | 28:04 min
Wie kann man Gravitationswellen nachweisen?
Warum ist dieses Hintergrundrauschen so schwierig zu messen?
Auf der Erde allein sind diese Wellen nicht zu messen, denn sie ist zu klein. Das große Problem: Für die Messung dieser extrem langen Gravitationswellen braucht es einen Detektor von etwa der Größe der halben
Milchstraße, etwa 40 Millionen Mal größer als unser
Sonnensystem.
Forscher sind begeistert und erhoffen sich neue Erkenntnisse über die Entstehung des Universums.12.07.2022 | 2:41 min
30 Jahre Entwicklung, zehn Milliarden Dollar teuer und seit Juli ist es soweit: Das "James Webb Space Telescope" liefert erste Bilder.
Wie gelang der Bau eines solch gigantischen Detektors?
Die kurze Antwort lautet: gar nicht. Glücklicherweise gibt es aber Objekte im Universum, die uns hier behilflich sein können: die Pulsare. Pulsare sind so etwas wie die Leuchttürme der Galaxie. Es handelt sich um die Überbleibsel von sehr großen Sternen, die sich rasend schnell um sich selbst drehen. Von bestimmten Stellen ihrer Oberfläche aus senden sie starke gebündelte Radiostrahlung.
Durch die Rotation sieht man diese Strahlung von der Erde aus immer wieder aufblitzen. Dabei dauert eine Umdrehung auf den Bruchteil einer Sekunde genau immer gleich lang. Pulsare sind also immer "pünktlich" - außer irgendetwas stört.
Zum Beispiel eine Gravitationswelle. Diese verkürzt oder verlängert durch die Dehnung der Raumzeit die Strecke zwischen der Erde und dem Pulsar. Das Signal des Pulsars kommt also minimal zu früh oder zu spät, während die Gravitationswelle durch diesen Bereich des Alls läuft.
Und genau das ist nun gelungen: Über 15 Jahre hinweg beobachtete ein Team von Forschenden aus Europa, Indien und Japan 67 über die Milchstraße verteilte Pulsare. Die Ergebnisse zeigen, dass der gesamte Kosmos tatsächlich vom "Summen" dieser enorm langen Gravitationswellen durchzogen ist.
Welche Signale wurden empfangen?
Die beteiligten Forschenden gehen davon aus, dass die detektierten Signale von einer größeren Anzahl Supermassereicher-Schwarzer-Loch-Duos stammen, die sich umkreisen. Tatsächlich ist das Gesamtsignal noch stärker als erwartet. Forschende glauben, dass eventuell noch andere Ereignisse eine Rolle spielen. Welche das sein könnten, ist noch unklar.
Jana Steuer ist Wissenschaftsredakteurin im ZDF.