Umfrage: Mehrheit spricht sich gegen Kirchensteuer aus
Neue Umfrage:Große Mehrheit: Kirchensteuer nicht zeitgemäß
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Drei Viertel der Menschen finden die Kirchensteuer einer Umfrage zufolge nicht mehr zeitgemäß. Angesichts schwindender Mitgliederzahlen steht die Kirche zunehmend unter Druck.
Die Kirchensteuer ist der am zweitmeisten genannte Grund für einen Kirchenaustritt, nach den Skandalen um sexuellen Missbrauch.
Quelle: Caroline Seidel/dpa/Archiv
Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland finden die Kirchensteuer nicht mehr zeitgemäß. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor.
74 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie das Einziehen der Kirchensteuer nicht mehr für zeitgemäß halten. Nur 13 Prozent hielten es für zeitgemäß. Weitere 13 Prozent machten keine Angaben oder hatten keine Meinung dazu.
Kirchen könnten in finanzielle Nöte geraten
Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hat die katholische Kirche im vergangenen Jahr - trotz schwindender Mitgliederzahl - mehr als 6,8 Milliarden Euro Kirchensteuern eingenommen. Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) waren es im selben Jahr mehr als 6,2 Milliarden.
Viele Deutsche halten einer Umfrage zufolge die Kirchensteuer für nicht mehr zeitgemäß. Sie beträgt in Deutschland acht oder neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer. Dass es auch andere Finanzierungssysteme gibt, zeigt ein Blick ins Ausland:
Die Staatskirche finanziert sich aus eigenem Vermögen.
Die katholische Kirche finanziert sich aus eigenem Vermögen. Zusätzlich können Gemeindemitglieder 0,5 Prozent ihres Einkommens für religiöse Zwecke bestimmen.
In Italien werden 0,8 Prozent der Einkommensteuer an anerkannte Religionsgemeinschaften oder humanitären Zwecke gezahlt. Jeder Steuerzahler bestimmt jährlich neu, an wen das Geld geht. Daher wirbt etwa die katholische Kirche in Werbespots für die Zuwendung. In Spanien gilt ebenfalls dieses System, jedoch liegt der Steuerbetrag bei 0,7 Prozent.
Eine Kirchensteuer ist hier gesetzlich verboten. Die Kirche finanziert sich aus Spenden und spricht mit Kampagnen potenzielle Sponsoren an. Weitere Mittel erhält die Kirche aus eigenen Erträgen ihres großen Vermögens.
Die Kirche ist auf Spenden und den freiwilligen Kulturbeitrag von einem Prozent des Einkommens der Mitglieder angewiesen, den etwa 45 Prozent der Katholiken zahlen.
Ähnlich wie in Deutschland wird ein Kirchenbeitrag eingezogen, bei der katholischen Kirche sind es 1,1 Prozent des Bruttoeinkommens - allerdings nicht vom Staat, sondern von den Bistümern selbst.
Quelle: dpa
Laut einer 2019 veröffentlichten Prognose der beiden großen Kirchen könnten die Kirchensteuereinnahmen wegen steigender Löhne der Steuerzahler auch bis ins Jahr 2060 noch in etwa auf dem Niveau von 13 Milliarden Euro bleiben - allerdings bei deutlich steigenden Ausgaben, die in rund 40 Jahren bei knapp 25 Milliarden liegen könnten.
Die Kaufkraft wird der Voraussage zufolge dann rund 50 Prozent unter der von 2017 liegen. Die Kirchen haben sich darum schon seit einiger Zeit einen Sparkurs verordnet.
Mehrheit der Deutschen nicht mehr Mitglied in Kirche
Allein 2022 traten mehr als eine halbe Million Menschen aus der katholischen und rund 380.000 aus der evangelischen Kirche aus. Inzwischen ist die Mehrheit der Deutschen nicht mehr Mitglied in einer der großen christlichen Kirchen. Von den Menschen, die sich in der YouGov-Umfrage als Christen bezeichneten, gaben 43 Prozent an, das Zahlen der Kirchensteuer könne auch sie zum Austritt bewegen.
Der Sprecher der katholischen Reformbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, nennt das "höchst alarmierend".
"Warum soll ich, so fragen sich viele, ein Leben lang für eine Institution zahlen, wenn ich deren Leistungen und Einrichtungen ohnehin nicht in Anspruch nehme, höchstens noch kirchlich beerdigt werden möchte?", sagt Weisner weiter.
In der Umfrage bezeichneten immerhin 61 Prozent aller Befragten die karitativen Aufgaben der Kirche in Kindergärten, Krankenhäusern und der Altenpflege als wichtig oder sogar sehr wichtig. Befragt wurden 2.006 Menschen ab 18 Jahren.
Missbrauchsskandale meistgenannter Grund für Austritt aus Kirche
Die Kirchensteuer liegt auf der Liste der möglichen Austrittsgründe in der YouGov-Umfrage auch nur auf Platz zwei. Fast die Hälfte (49 Prozent) nannte den Skandal um sexuellen Missbrauch als möglichen Grund für einen Kirchenaustritt. 25 Prozent gaben einen schwindenden Glauben und 20 Prozent einen Reformstau als mögliche Austrittsgründe an. Nur 18 Prozent antworteten, es gebe keine Gründe für sie, aus der Kirche auszutreten.