Über halbe Million Menschen verlässt katholische Kirche
Rekordaustritte bei Katholiken:Über halbe Million Menschen verlassen Kirche
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Die bisherige Höchstzahl an Kirchenaustritten aus dem Jahr 2021 wurde 2022 noch einmal deutlich übertroffen. Insgesamt verliert die katholische Kirche über 600.000 Mitglieder.
Mehr als eine halbe Million Menschen sind im vergangenen Jahr aus der katholischen Kirche ausgetreten. Wie die Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch in Bonn mitteilte, stieg die Zahl der Kirchenaustritte auf 522.821. Im Vorjahr war bereits mit 359.338 Kirchenaustritten ein vorläufiger Rekord erreicht worden. Den 522.652 Austritten und 240.133 Todesfällen stehen etwa 155.000 katholische Taufen gegenüber sowie 1.445 Eintritte etwa aus anderen christlichen Konfessionen und 3.749 Wiederaufnahmen. Daraus ergibt sich ein Mitgliederschwund von über 600.000.
"Die katholische Kirche stirbt einen quälenden Tod vor den Augen der gesellschaftlichen Öffentlichkeit", sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller der Deutschen Presse-Agentur. Dass sich die für die katholische Kirche ohnehin dramatische Entwicklung noch einmal beschleunigen würde, hatte sich bereits zu Jahresbeginn 2022 abgezeichnet. In Deutschland machten die restlichen 20.937.590 Katholiken nach den Zahlen von 2022 noch 24,8 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.
Eckdaten zur katholischen und evangelischen Kirche:
Im vergangenen Jahr gehörten 20.937.950 Menschen der katholischen Kirche an, 2021 waren es noch 21.645.875. Bei den Protestanten sank die Zahl von 19.725.000 auf 19.150.000. Das entspricht einem Anteil von rund 24,8 beziehungsweise 22,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung. 2021 war der Gesamtanteil (26,0 + 23,5) erstmals unter 50 Prozent gefallen.
2022 traten 522.652 (2021: 359.338) Menschen aus der katholischen und rund 380.000 (2021: 280.000) aus der evangelischen Kirche aus. In beiden Fällen ist das ein neuer Rekordwert.
Die katholische Kirche verzeichnete im vergangenen Jahr rund 5.200 Aufnahmen, nämlich 1.445 Eintritte und 3.759 Wiederaufnahmen. Die evangelische Kirche spricht für den gleichen Zeitraum von rund 19.000 Aufnahmen, ohne dies näher aufzuschlüsseln.
Bei den Taufen verzeichneten beide Kirchen für 2022 Zuwächse gegenüber dem Jahr davor: In der katholischen Kirche waren es 155.173 (2021: 141.992), in der evangelischen Kirche 165.000 (2021: 115.000). Fachleute führen dies - wie bei den Hochzeiten - zum Teil auf "Nachholeffekte" nach der Corona-Pandemie zurück.
Die katholische Kirche meldet für 2022 deutlich mehr Trauungen (35.467 im Vergleich zu 20.140 im Jahr 2021). Auf evangelischer Seite stammt die aktuellste Zahl - 17.869 - aus dem Jahr 2021.
Im Durchschnitt besuchten 1,19 Millionen Katholikinnen und Katholiken am Wochenende Gottesdienste, das waren rund 5,7 Prozent aller Mitglieder. Dabei wurde die digitale Teilnahme nicht mitgezählt. 2021 lagen die Zahlen - sicher auch durch Corona bedingt - bei 923.000, also rund 4,3 Prozent. Die evangelische Kirche gab zuletzt 2021 an, dass im Schnitt knapp 314.000 Mitglieder (1,6 Prozent) am Wochenende Gottesdienste besuchten.
Quelle: KNA
Kirche durch Missbrauch-Geschichte belastet
Vor allem nach der Vorstellung eines Gutachtens zum Missbrauch im Erzbistum München und Freising im Januar und der Diskussion um eine Mitschuld des inzwischen gestorbenen Papstes Benedikt XVI. waren die Austrittszahlen förmlich explodiert. Schlagzeilen machten im vergangenen Jahr auch Lügen-Vorwürfe gegen den umstrittenen Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, bei dem es erst an diesem Dienstag eine Razzia gegeben hatte, und Rechtsstreitigkeiten um Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer in Köln und im oberbayerischen Traunstein.
"Viele Ursachen spielen hierbei hinein, aber auch aktuelle Brandbeschleuniger wie die kardinale Tragödie in Köln, in deren Strudel alle Bistümer und selbst die evangelischen Landeskirchen mit hineingezogen werden", sagte Schüller. Die Austrittswelle rollt nicht nur in der katholischen Kirche immer schneller. Auch die evangelische Kirche hat mit 380.000 Mitgliedern 2022 mehr verloren als im Jahr davor.
Kirchenrechtler: Austritte mit Auswirkungen auf Gesellschaft
Die Austritte betreffen aber laut Kirchenrechtler Schüller nicht nur die Kirche selbst:
"Der Tod der Kirche trifft sie nicht nur selbst, sondern Staat und Gesellschaft verlieren einen Eckpfeiler des Sozial- und Bildungssystems, den sie nicht ersetzen können", sagte Schüller.