Jugendämter: Höchststand bei Gefährdungen des Kindeswohls

    Jugendämter zum Kindeswohl:Gefährdete Kinder: Mehr Meldungen denn je

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    Noch nie wurden so viele Fälle von Kindeswohlgefährdung gemeldet. Was tun, wenn man einen Verdacht hat? "Das Schlechteste ist, gar nichts zu machen", so der Kinderschutzbund.

    Ein misshandeltes Kind kauert in einer Ecke
    Kindeswohl in Gefahr - das kann körperliche oder sexuelle Gewalt bedeuten, aber auch Vernachlässigung, die die Entwicklung gefährdet.
    Quelle: colourbox

    Jugendämter in Deutschland haben im vergangenen Jahr so viele Fälle von Kindeswohlgefährdungen festgestellt wie nie zuvor. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um rund vier Prozent auf fast 62.300 Kinder oder Jugendliche, deren Wohlergehen durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt gefährdet war. Das waren rund 2.300 Fälle mehr als im Jahr zuvor und ein neuer Höchststand.

    Tweet Statistisches Bundesamt

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    203.700 Hinweise auf Kindeswohlgefährdung

    In weiteren 68.900 Fällen lag 2022 nach Einschätzung der Behörden zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber ein erzieherischer Hilfebedarf vor. Geprüft hatten die Jugendämter insgesamt 203.700 Hinweise, bei denen der Verdacht auf eine mögliche Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen bestand. Das entspricht einem Plus von drei Prozent.
    Etwa vier von fünf der betroffenen Kinder waren jünger als 14 Jahre, etwa jedes zweite sogar jünger als acht Jahre. Knapp die Hälfte nahm zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch, stand also schon in Kontakt zum Hilfesystem.
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    Expertinnen: Hohe Meldezahlen zeigen, dass Menschen hinschauen

    Julia Wahnschaffe und Barbara Becker, die Geschäftsführerinnen des Kinderschutzbund Baden-Württemberg, sehen die hohen Zahlen nicht ausschließlich negativ, denn:

    Jeder Fall, der aufgedeckt wird, ist gut.

    Barbara Becker, Geschäftsführerin Kinderschutzbund Baden-Württemberg

    Angesichts der vermutlich hohen Dunkelziffer stünden die Zahlen auch für Menschen, die hinschauen und Verdachtsfälle melden. Ansprechpartner dafür ist das Jugendamt.

    Expertin: Kindern genau zuhören

    Der Kinderschutzbund hat auch an Schulen und Kitas eine gestiegene Sensibilität für das Thema festgestellt. Beim Verdacht, dass das Kindeswohl gefährdet ist, ist etwa ein Kindergarten verpflichtet, tätig zu werden und das Gespräch mit den Eltern zu suchen.
    "Wichtig ist, den Kindern genau zuzuhören", sagte Wahnschaffe mit Blick auf Andeutungen, die Betroffene machen. Auch könne es sein, dass ein Kind sich anders verhalte als früher oder plötzlich nicht mehr nach Hause wolle. Da sei es eine "unheimliche Gratwanderung", nachzufragen und mehr Hinweise zu erlangen.

    Viele Schritte vor Trennung von Familie

    Auch der Kinderschutzbund erhalte Anrufe verunsicherter Eltern oder Nachbarn, die den Verdacht haben, dass Kindern im Umfeld Vernachlässigung oder Gewalt ausgesetzt sein könnten. "Was soll ich tun, wie gehe ich damit um?" seien häufige Fragen. Becker:

    Das Schlechteste ist, gar nichts zu machen.

    Barbara Becker, Geschäftsführerin Kinderschutzbund Baden-Württemberg

    "Man sollte überlegen, was ist für das Kind die beste Lösung? Ist es möglich, mit den Eltern ein Gespräch zu führen?" Denn ein Kind aus der Familie herauszuholen, sei das "letzte Mittel".

    Auch gesundheitliche Vernachlässigung ein Problem

    Praxis und Forschung zum Kinderschutz gibt es unter anderem am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), wo mit dem Childhood-Haus Hamburg rund um die Uhr Untersuchungen von Kindern vorgenommen werden können, die als Verdachtsfälle gemeldet wurden. Wichtig sei es, bei der Feststellung von Kindeswohlgefährdung "das Kind mit all seinen Bedürfnissen zu sehen", erklärte Oberärztin und Rechtsmedizinerin Dragana Seifert.

    Die Erfahrung zeigt, dass Kinder nicht nur körperliche Gewalt erleben, sondern auch gesundheitliche Vernachlässigung.

    Dragana Seifert, Oberärztin und Rechtsmedizinerin

    "Wir entdecken viel, aber wir können den Kindern nicht gerecht werden, wenn sie nicht Wochen, sondern Monate auf eine Therapie warten müssen", so Seifert. "Ein Kind, das noch mitten in der Entwicklung steckt, hat diese Zeit nicht."
    Quelle: dpa

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