Jahreswechsel: Wenn der Blick auf 2024 vor allem wehtut
Tod eines geliebten Menschen:Wenn der Blick auf 2024 vor allem wehtut
von Luisa Houben
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Dieses Jahr wird Monika Beuttel nie vergessen: 2024 starb ihre 16-jährige Tochter Leni an Krebs. Was bleibt und warum eine Trauerbegleiterin von Vorsätzen abrät.
Leni und ihre Mutter Monika Beuttel im Klinikum Stuttgart. Fast ein Jahr lang kämpfte die 16-Jährige gegen den Krebs.
Quelle: Luisa Houben
Der Tag, an dem Leni beerdigt wird, ist ein grauer Herbsttag. Alle, die Abschied von der 16-Jährigen nehmen wollen, sind gekommen: ihre Familie, ihre Freundinnen und Freunde aus der Schule und vom Leichtathletik-Verein, ihre Trainer und Lehrer.
Als der weiße Sarg zum Grab gebracht wird, bekommt jeder der Trauernden einen pinkfarbenen Luftballon. Es sind Hunderte. Später lassen sie sie gemeinsam steigen: In einem Moment, in dem sich die dunklen Wolken zur Seite schieben, fliegen die Ballons ins Licht.
"Das hat einfach zu Leni gepasst", sagt Monika Beuttel später. Schon als Kind habe ihre Tochter Luftballons geliebt, sei leicht wie ein Ballon durchs Leben gegangen.
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Leni kämpfte fast ein Jahr gegen den Krebs
Für ihre Mutter ist dieser Moment am Grab eine der hoffnungsvollen Erinnerungen aus diesem Jahr. Viele andere schmerzen: die schlaflosen Nächte, die ständige Angst, der Abschied.
Leni hatte Krebs. In ihrem Bauch war ein Weichgewebetumor gewachsen. Ziemlich selten und aggressiv. Fast ein Jahr lang kämpfte sie ums Überleben. Sie starb elf Monate nach der Diagnose.
Diesen Kampf, sagt Monika Beuttel, habe sie ebenso verloren wie ihre Tochter.
Monika Beuttel war alleinerziehend. Leni und sie ein eingeschworenes Team. Sie fehlt ihr jeden Tag und erst recht an den Feiertagen.
Jahreswechsel: Nichts ist wie sonst
Für Menschen, die einen Schicksalsschlag erlitten haben, kann der Jahreswechsel eine besonders schwere Zeit sein. "Da wird Trauernden häufig klar, dass es dieses Jahr nicht ist, wie sonst und nie wieder so sein wird," sagt die Trauerbegleiterin Lilian Binder. Trauer bedeute auch, sich an eine neue Realität gewöhnen zu müssen, die man bisher nicht kannte.
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Das Wichtigste sei, dies anzuerkennen: "Dass es eine besonders beschissene Zeit ist jetzt. Punkt." Trauernde dürften sich das eingestehen und gleichzeitig Schönes zulassen, wie zum Beispiel Verabredungen zu Partys, wenn sie sich danach fühlen. Trauerbegleiterin Binder rät: "Ausprobieren, was guttut, und sich die Freiheit nehmen, sonst einfach wieder zu gehen."
Freunde und Familie geben Halt
Nach Lenis Tod zieht Monika Beuttel sich zurück. Sie will mit niemandem so richtig sprechen. Sie versteht nicht, wie alle um sie herum weiterleben, sich die Welt weiterdreht. Ihre war stehengeblieben.
2024 aber habe sie gelernt, Hilfe anzunehmen. "Ich war immer so ein Typ, der sagt, ich schaffe das alles alleine." Jetzt freue sich über Einladungen, eine Runde spazieren zu gehen, und Freunde, die Essen bringen, wenn sie es nicht aus dem Bett schafft. Außerdem geht sie regelmäßig zur Psychotherapie und Trauerbegleitung. Da hat sie eine Erinnerungskerze mit pinkfarbenen Luftballons beklebt. Und zuletzt einen Ballon aus Ton geformt. All das hilft ihr sehr.
Trauerbegleiterin Lilian Binder rät Freunden und Angehörigen von Trauernden:
Langfristig helfe es Betroffenen sehr, Halt zu finden, wenn sie immer wieder signalisiert bekommen, dass man an ihrer Seite bleibt.
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17 pinkfarbene Luftballons an Lenis Geburtstag
Das neue Jahr wird für Monika Beuttel das erste ohne Leni sein. Jeden Tag wird sie daran erinnert werden. Ihr Handy zeigt ihr Archivfotos an - "Heute vor einem Jahr".
Sie freut sich darauf und weiß gleichzeitig, dass der Verlust an manchen Tagen schwerer auszuhalten sein wird. Vor allem an Lenis Geburtstag. Sie wäre bald 17 Jahre alt geworden. Ihre Mutter will trotzdem feiern - mit Kaffee, Kuchen und 17 pinkfarbenen Luftballons.
Bei Lenis Beerdigung im Herbst lassen ihre Familie und Freund*innen zum Abschied pinkfarbene Luftballons aufsteigen.
Quelle: Anne Dörr
Trauerbegleiterin rät zu "radikaler Selbstfürsorge"
Von großen Vorsätzen und Zielen für 2025 rät Lilian Binder Trauernden ab. Mit dem Verlust klarzukommen, bedeute schon genug Stress. Und Vorsätze machten nur zusätzlich Druck. Sie plädiert stattdessen für radikale Selbstfürsorge: "Zu sich selbst gut zu sein und den Mut zu haben, dazu zu stehen."
Monika Beuttel hat sich vorgenommen, 2025 Urlaub zu machen. Ägypten ist schon gebucht. Alles andere will sie auf sich zukommen lassen. Sie weiß, es braucht Zeit. Und die will sie sich nehmen. An Silvester wird sie mit ihrem Bruder, Lenis Onkel, wie jedes Jahr Raketen steigen lassen: "Für Leni, weil sie das geliebt hat."
Rund um die Uhr kämpfen sie – für die bestmögliche Behandlung und ums Überleben. Begleiten Sie Ärzte und Patienten des größten Stuttgarter Krankenhauses.