Trösten: Wie man richtig Trost spendet und was hilft
Empathisch in bitteren Momenten:Formel zum Trösten: Wie Trost gelingen kann
von Paulina Reents
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Trost spenden will gelernt sein. Oft werden typische Floskeln genutzt. Nicht jedes Wort entfaltet dabei die gewollte Wirkung. Tipps vom Psychiater, wie Trost gelingen kann.
Geliebten Menschen in schweren Zeiten Trost zu spenden, ist sehr wichtig. Doch das "Wie" will gelernt sein. (Symbolbild)
Quelle: Colourbox.de
Es sind Momente der Sprachlosigkeit und Unsicherheit. Ob Beziehungskrise oder Trauer um einen Verstorbenen: Seine Geliebten leiden zu sehen, ist hart, und wir möchten helfen. Doch wie findet man die richtigen Worte? Was will der Trauernde wirklich hören? Die Kunst des Tröstens ist eine Fähigkeit, die sich auf methodischem Wege für jede*n erlernen lässt.
Michael Lehofer, Psychiater, Psychologe und Psychotherapeut sowie ärztlicher Direktor am Landeskrankenhaus Graz Süd-West, verrät, wie es gelingt, seinen Trost gewählt zu kommunizieren und nimmt zusammen mit ZDFheute einige Trost-Floskeln unter die Lupe.
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Wie tröstet man jemanden?
"Kopf hoch, das wird schon wieder!"
Bei dieser häufig verwendeten Floskel schwingt ein herabsetzender Unterton mit. Vielleicht liegt es daran, dass Gefühle und Wertungen stets unterschiedlich ausfallen und es einem Außenstehenden nicht zustehen darf, die Tragik eines Ereignisses zu beurteilen. Nicht jede*r sieht Licht am Ende des Tunnels.
Wer also wenig involviert in das Geschehen ist und trotzdem trösten möchte, lässt das mit dem "Kopf hoch" also lieber bleiben und steht dem anderen stattdessen einfühlsam bei.
"Reiß' dich zusammen"
Wird hier fehlende Einfühlsamkeit mit Stärke verwechselt? Viele Menschen halten Härte als Trostmechanismus für eine gute Idee. Für Professor Lehofer gibt es andere Wege, wie man sanfter einen Schubs in Richtung Normalität gibt: "Prinzipiell macht es Sinn, Trauernde, die sich sehr gehen ließen, zum alltäglichen Leben zu ermutigen", erklärt Lehofer. "Die Floskel 'Reiß dich zusammen' gehört jedoch nicht zu den Mut schenkenden Worten." Primär im Heilprozess solle man sich der Trauer hingeben dürfen.
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"Sei dankbar für das, was du hattest"
Im Heilungsprozess ist es wichtig, die Tatsachen auch mal auf den Kopf zu stellen und für die guten Dinge dankbar zu sein - es kann, trotz des Schmerzes, positive Gefühle im Trauernden fördern. Schon der bekannte Philosoph Arthur Schopenhauer war der Meinung: "Der wirksamste Trost in jedem Leiden ist, zu denen hinzusehen, die noch unglücklicher sind als wir."
Psychiater Lehofer sieht das ähnlich: Dankbarkeit sei ein Angebot zum "Reframen", also zum Umdeuten. "Hier kommt es allerdings auf das Timing an. Raten Sie dem Trauernden zu früh zur Dankbarkeit, so kann das nach hinten losgehen", sagt Lehofer. "Erst einmal muss sich der Schmerz vollständig eingestanden werden, dann kann man versuchen, seinen Blickwinkel zu verändern", erläutert der Psychiater.
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"Ich bin für dich da"
Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Die Weisheit, die uns daran erinnert, besser gar nichts als das Falsche zu sagen, lässt sich, wie die meisten Grundsätze, nicht pauschal als richtig oder falsch einstufen. Während die einen gerne Austausch über ihre Gefühle führen, benötigen andere Zeit für sich alleine oder aber in stiller Gesellschaft. "Entscheidend sind nicht die Worte, sondern dass man füreinander da ist", sagt Lehofer. Vor allem die physische Begegnung sei hier von Bedeutung.
Das Wichtigste beim Trösten sei es, mit dem Gegenüber zu mentalisieren, erklärt Psychiater Michael Lehofer. Mentalisierungist einFachbegriff aus der Psychologie, der die Fähigkeit beschreibt, mittels Empathie mentale Zustände zu erkennen und entsprechende Verhaltensweisen interpretieren zu können.
Wenn man einen geliebten Menschen verloren hat, sei es essenziell, sich mit anderen lieben Menschen zu umgeben, beteuert Lehofer. "Die Berührung im übertragenen und im leiblichen Sinn ist dabei Kern des Tröstens", sagt Lehofer. Dass gerade körperliche Berührungen so trostspendend wirken, ist neurobiologisch zu erklären. "Berührungen erzeugen im Gehirn einen erhöhten Spiegel des 'Glückshormons' Oxytocin." Dieses verstärkt nicht nur das Gefühl von Vertrauen, es reduziert zudem das Stresslevel und wirkt somit negativen Emotionen entgegen. "Eine körperliche Berührung kann also durchaus manchmal mehr als tausend Worte sagen", so Lehofer.
Trösten ist fundamentales Verhalten
Trösten ist ein fundamentales Verhalten des menschlichen Wesens, wenn es auch mitunter eine schwere Aufgabe sein kann. Aus psychologischer Sicht trägt die körperliche Berührung maßgeblich zum Heilungsprozess bei. Ebenso spielen der persönliche Kontext sowie die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen eine zentrale Rolle.
Man muss sich bewusst machen, dass Trostspenden kein Allheilmittel ist und nicht immer die gewünschte Wirkung erzielt. Die Kunst des Tröstens ist schließlich eine Balance aus Verständnis, Empathie, Nähe und Feinfühligkeit. Einem leidenden Menschen Trost zu spenden, ist stets ein ehrenwertes Vorhaben und solange man füreinander da ist, muss man keine Angst haben, etwas Falsches zu sagen.
Es gibt verschiedene Anzeichen für ein depressives Gemüt. Das sind vor allem lang anhaltende negative Gefühle, die sich verstärkt auf das alltägliche Leben auswirken. Sie äußern sich zum Beispiel in Traurigkeit, Interessenverlust, Schlafstörungen, Appetitveränderungen, Energieverlust.
"Trauer ist das Gegenteil von einer Depression", sagt Psychiater Lehofer. Während eine gesunde Trauer die Konfrontation mit sehr starken Gefühlen beinhalte, sei die Depression eine Art "Gefühls-Lähmung". Viele kennen es vielleicht: Die Trauerphase besteht meist aus Ups und Downs. Käme man aus diesem Zustand nicht raus, so rät der Psychiater, sollte man über professionelle Hilfe nachdenken.
Es gibt verschiedene Anlaufstellen in der ganzen Bundesrepublik, die kontaktiert werden können, um professionelle Hilfe zu erhalten:
Die mentale Gesundheit beeinflusst maßgeblich das allgemeine Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit. Worauf jeder im Alltag achten sollte und wie man die Psyche stärken kann.