Jugenddrogenberater:Benzos: Experte warnt vor Sucht auf Rezept
|
Der Jugenddrogenberater Matthias Rost warnt vor zunehmendem Missbrauch verschreibungspflichtiger Schlaf- und Beruhigungsmittel, sogenannter Benzos. Warum junge Menschen sie nehmen.
Benzos: Die Suchtgefahr ist "enorm hoch", warnt die Hauptstelle für Suchtgefahren. (Symbolbild)
Quelle: imago
Der Leipziger Jugenddrogenberater Matthias Rost registriert eine steigende Fallzahl von Medikamenten-Missbrauch - vor allem mit Blick auf Benzodiazepine, kurz Benzos. "Wir haben momentan eine Welle", sagte der Sozialpädagoge der diakonischen Drogenberatungsstelle "K(L)ICK" der Agentur epd.
Das Suchtpotenzial der rezeptpflichtigen Beruhigungs- und Schlafmittel sei erheblich.
Viele Konsumenten sagten, sie spürten beim Gebrauch von Benzos eine Sorglosigkeit: "Alle Unsicherheiten sind weg, man ist mit sich für den Moment komplett im Reinen, einfach in Watte gepackt."
Drogen haben seit Anbeginn der Zivilisation die Menschen begleitet. "Terra X" spürt Drogen und ihrem Gebrauch an den Fundorten nach: in Europa, Nordafrika, Asien und Mittelamerika.26.08.2018 | 43:18 min
Experte: bei Benzos allein bleibt es nicht
Oft würden Benzodiazepine mit anderen Substanzen kombiniert.
"Da werden verschiedene Drogen austariert, um Emotionen zu verstärken oder loszuwerden, Upper und Downer - was bei einem Entzug ein zusätzliches Problem ist", so Rost.
Benzodiazepine sind weit verbreitete Beruhigungs- und Schlafmittel. Sie vermindern die Empfindlichkeit bestimmter Nervenzellen des Gehirns und sind rezeptpflichtig. Ärzte und Ärztinnen verordnen sie zeitlich begrenzt gegen Schlafstörungen, Angstzustände, Panikattacken, Epilepsie und zur Muskelentspannung. Sie wirken:
beruhigend
dämpfend
entspannend
angstlösend
schlaffördernd
"Obwohl Benzodiazepine unverzichtbare Medikamente für akute Gesundheitskrisen sind, müssen sie mit maximalem Augenmaß verordnet werden", warnt die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren: "Ihr Suchtpotenzial ist enorm hoch."
Sie sollten nach mehrwöchiger Einnahme nicht schlagartig abgesetzt, sondern "ausgeschlichen" werden. Die Verführung, sich mithilfe des Medikaments weiterhin Beschwerdefreiheit und Sorglosigkeit zu verschaffen, ist groß.
Quelle: epd
Benzodiazepine: schwieriger Entzug
Der Entzug werde von Konsumenten als schlimmer beschrieben als bei anderen Drogen. "Das Kreislaufsystem wird massiv belastet, wenn die Substanz wegfällt. Die ganze Hirnchemie wird ja von Benzos beeinflusst. Wenn ich da beim Entzug plötzlich die Bremse bei der Emotionssteuerung löse, können Psychosen und überschießende Emotionen auftreten", sagte Rost. Das müsse klinisch überwacht werden.
Verbote und strengere Regulierungen über Betäubungsmittel-Rezepte können Rost zufolge zwar den Markt eindämmen, sind seiner Einschätzung nach aber nicht der einzige Lösungsweg. "Das Rankommen ist in der Drogenszene noch nie ein Problem gewesen."
Behandlung von Suchtkranken
Erfolgversprechender seien Psychotherapien, die aber gerade bei teils jahrelangen Wartezeiten Mangelware seien. "Und was die Prävention angeht: Da geht es um Begleitung, darum, den Umgang mit Emotionen, mit mir selber und meinen speziellen Problemen zu lernen, um Konfliktfähigkeit."
Das sei viel Arbeit von Schulen und vor allem von Eltern.
Im Mittelalter waren Bier und Wein Grundnahrungsmittel und Ärzte experimentierten mit Opium. Drogen waren wertvolle Arzneimittel. Auch Cannabis wurde gern geraucht. Erst vor 200 Jahren begann unser Zeitalter der synthetischen Drogen – und mit den wichtigen Medikamenten auch der massive Missbrauch.02.09.2018 | 43:30 min