Cannabis und die dünnere Hirnrinde | Terra-X-Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Cannabis und die dünnere Hirnrinde

    von MAITHINK X
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    Die Entkriminalisierung von Cannabis ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber mit der höheren Verfügbarkeit müssen wir auch über die gesundheitlichen Risiken sprechen.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Mai Thi Nguyen-Kim

    Seit der letzten Bundestagswahl ist klar: In irgendeiner Form kommt die Entkriminalisierung von Cannabis. Die Motivation zur Änderung wuchs aus dem Gedanken heraus, dass die Strafverfolgung zu aufwendig ist für eine Substanz, die - im Vergleich zu Erkrankungen durch Zigaretten - weniger schädlich ist. Auch Unfälle oder Straftaten im Zusammenhang mit Alkohol sind deutlich häufiger. Und so scheint das legale Gras erst einmal eine gute Idee.

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Die Waage zwischen Entkriminalisierung und Gesundheit

    Überall frei erhältlich wird die Substanz aber nicht sein: Stattdessen wird die Abgabe und auch das Anpflanzen zu Hause begrenzt reguliert und vermutlich auch unattraktiv kompliziert. Die Bundesregierung scheint sich dabei an einem Grundsatz für Suchtmittel zu orientieren, den man zusammengefasst als U-förmiges Schaubild darstellen kann: An der einen Spitze steht der komplett illegale Gebrauch, der zu großen gesellschaftlichen Schäden führen kann, die vollständig unkontrollierte legale Benutzung an der anderen Spitze aber ebenfalls. Die vorgeschlagenen Richtlinien der Regierung scheinen auf die goldene Mitte zwischen diesen Spitzen abzuzielen: eine Verfügbarkeit von Cannabis, die so geregelt ist, dass der gesellschaftliche Schaden möglichst gering bleibt.
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    Kiffen im Hirnscan sichtbar

    Dieser Schaden liegt jedoch niemals ganz bei Null. Gesundheitliche Auswirkungen haben alle Drogen, unabhängig davon, ob sie als "Genussmittel" betrachtet oder strafrechtlich verfolgt werden. Für Cannabis gibt es aktuelle Studien, die diese Auswirkungen genauer unter die Lupe nehmen sollen. Eine Erkenntnis kam aus einem Projekt, das Tausende von Jugendlichen in ganz Europa über Jahre begleitet und immer wieder in einen Hirn-Scanner legt - dadurch sollen Entwicklungen im Gehirn über die Zeit untersucht werden.
    Auch der Konsum von Drogen wird dabei immer wieder erfragt. Und in diesen Daten zeigt sich: Jugendliche, die kiffen, haben eine dünnere Hirnrinde, vor allem in präfrontalen Regionen. Dabei ist wichtig: Je stärker das Ausmaß des Cannabis-Gebrauchs, desto höher der Grad der Verdünnung. Und: Jugendliche, die schon von Natur aus mit einer dünneren Rinde zur Welt kommen, kiffen deswegen nicht häufiger. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass es sich dabei um einen ursächlichen Zusammenhang handelt: Wer kifft, verdünnt seinen Kortex.

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    Studie äußert Verdacht für impulsives Verhalten

    Auf der anderen Seite kann die Studie aber keine Aussage darüber machen, was das in der Praxis bedeutet. "Dünnere Hirnrinde" ist nicht gleich "schlechter funktionierende Hirnrinde". Und selbst wenn das so wäre: Der präfrontale Kortex ist für allerlei unterschiedliche Dinge zuständig. Es wäre ziemlich schwierig zu sagen, wie sich eine Cannabis-basierte Veränderung davon auf das Erleben oder Verhalten der Nutzer*innen auswirken würde.
    Wobei die Studie zumindest einen Verdacht äußert: Studienteilnehmer*innen mit dünnerer Hirnrinde in dem entsprechenden Bereich zeigten später einen höheren Grad an Impulsivität. Aber da die Studie nicht darauf ausgelegt war, so einen Zusammenhang zu testen, ist dieser Hinweis für den Moment mit Vorsicht zu genießen.

    Führt Cannabis in der Schwangerschaft zu Psychosen bei Kindern?

    Ein anderes Ergebnis ist deutlicher: Auch in den USA gibt es eine Langzeitstudie mit Tausenden Jugendlichen. Allerdings werden hier teilweise andere Dinge abgefragt. Zum Beispiel werden psychotische Symptome erhoben, mit Fragen wie: Siehst du manchmal Dinge, die andere nicht sehen können? Hast du manchmal das Gefühl, jemand anderes kontrolliert deinen Verstand? Fühlst du dich manchmal, als wäre die Welt nicht echt?
    Dabei hat sich gezeigt, dass diese Symptome vermehrt bei Kindern und Jugendlichen auftraten, deren Mütter während der Schwangerschaft Cannabis konsumiert hatten. Laut beteiligter Wissenschaftler*innen waren es nur wenige zusätzliche Fälle, aber das Ergebnis hat durchaus Bestand: Zum Beispiel ist der Einfluss des Kiffens größer als der einer familiären Vorgeschichte für eine Psychose. Hinzu kommt, dass diese Studie nicht für sich alleine stehen muss, denn der Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen zeigt sich in der Studienliteratur immer wieder.
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    Mehr Eigenverantwortung statt Verbote

    Was lernen wir daraus? Wir sollten die Entkriminalisierung von Cannabis in Deutschland zweifellos begrüßen und unterstützen, denn so wie sie war, hat die deutsche Cannabispolitik einfach keinen Sinn gemacht. Aber wenn Erwachsene in Deutschland bald legal kiffen dürfen, bedeutet das für uns auch eine erhöhte Verantwortung, uns selbst und die um uns herum möglichst gut vor den negativen Auswirkungen von Cannabis aufzuklären und zu schützen.
    Das gilt vor allem für Jugendliche sowie Schwangere. Aber auch alle anderen müssen ausreichend über Risiken von Cannabis informiert werden, um eine mündige Entscheidung treffen zu können.
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    … die Show und der Instagram-Kanal mit Chemikerin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim widmen sich der Wissensvermittlung mit Humor. Das Team von MAITHINK X schätzt das kritische Denken, arbeitet emotional aufgeladene Themen faktenbasiert und unterhaltsam auf. In voller Länge und Bewegtbild finden Sie diese in der Mediathek.

    MAITHINK X ist die Kombination aus dem Namen der Moderatorin Mai Thi N(gyuen)-K(im) und Terra X.

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