Hype um Lachgas: Legaler Drogenrausch mit Nebenwirkungen
Hype um Lachgas:Legaler Rausch mit Nebenwirkungen
von Isabel Handrich
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Lachgas ist günstig und leicht verfügbar. Deswegen ist es als Droge populär. In Großbritannien ist es ab sofort illegal. Auch in Deutschland verlangen Experten ein Verbot.
Warum die Partydroge gefährliche Nebenwirkungen hat16.11.2023 | 5:44 min
Kleine silberne Kartuschen in Parks und auf anderen Grünflächen - wer über diesen Anblick auch schon einmal gestolpert ist, wird sich vielleicht gefragt haben: Was ist das? Meist handelt es sich um handelsübliche Stickstoff-Kartuschen, besser bekannt als "Lachgas".
Was ist Lachgas?
Bei Lachgas oder Distickstoffmonoxid handelt es sich, wie der Name schon sagt, um ein Gas. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beschreibt Lachgas in ihrem Drogenlexikon als farblos und süßlich riechend. Distickstoffmonoxid kommt sowohl in der Industrie als auch im medizinischen Bereich zum Einsatz.
Lachgas ist für jedermann im Supermarkt erhältlich, beispielsweise als Sahnekapsel für Sahnespender. Im Internet florieren aber auch Onlineshops, die das Gas in verschiedenen Geschmacksrichtungen und großen Mengen anbieten. Weil Besitz und Erwerb in Deutschland legal (nicht verboten) sind, spricht man in der Szene auch von einem sogenannten "Legal High".
Mit Lachgas gefüllte Luftballons am Rembrandtplein in Amsterdam.
Quelle: Annette Birschel/dpa
Die Wirkung der Droge
Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, kurz EMCDDA, beschreibt die Droge mit einem "Gefühl von Losgelöstheit". Wer zum Beispiel in einer Zahnarztpraxis schon einmal damit behandelt wurde, kennt das Gefühl vielleicht.
Tatsächlich wirkt die Droge auf das zentrale Nervensystem euphorisierend, erklärt Mediziner Andreas Schaper, der das Giftinformationszentrum-Nord in Göttingen leitet.
"Der Rausch ist eher kurz“, wenige Minuten bis maximal eine halbe Stunde sei das Gefühl zu spüren, meint Schaper.
1772: Lachgas wurde gerade erst entdeckt und in Großbritannien von der Oberschicht auf „Lachgaspartys“ konsumiert.
1960er Jahre: Lachgas kommt in der Zahnmedizin zum Einsatz, um Schmerz und Angst zu lindern.
1970er Jahre: Gas wird erstmals handlich in Ballons verkauft z.B. auf Musikfestivals.
2010: Das Interesse an Lachgas steigt wieder gerade in der Partyszene und auf Raves.
Quelle: EMCDDA: Recreational use of nitrous oxide: a growing concern for Europe, 2022
Wo ist die Droge verbreitet?
Um den Konsum von Lachgas im Privatbereich stärker einzudämmen, gelten seit diesem Jahr strengere Regeln in den Niederlanden. Lachgas ist dort seit 2023 im Opiumgesetz aufgelistet. In Großbritannien ist der Besitz seit dem 8. November 2023 illegal. In Deutschland ist Lachgas kein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Aber auch hier gibt es Stimmen, die strengere Regeln verlangen.
Die Europäische Drogenstelle EMCDDA brachte im Winter 2022 einen Bericht heraus, der der EU ein "wachsendes Problem" in Bezug auf den Missbrauch von Lachgas attestiert. In den vergangenen Jahren habe es in einigen EU-Ländern - darunter Dänemark, Frankreich und die Niederlande - einen leichten, aber signifikanten Anstieg an Meldungen in Giftnotrufzentralen gegeben.
Notrufe und Suchterkrankung in Deutschland eher selten
Für Deutschland gilt das bislang nicht. "Wir überblicken ungefähr 25 Jahre und hatten 50 Fälle insgesamt", ein schwerer Fall sei dabei gewesen, erklärt Toxikologe Andreas Schaper mit Blick auf die Daten bis April 2023. Es seien ungefähr drei bis sieben Notrufe pro Jahr, die entweder privat oder über die Notaufnahmen der Krankenhäuser im Zentrum, das für ganz Norddeutschland zuständig ist, eingehen.
Die Zahl der Rauschgiftdelikte in Deutschland ist laut BKA im vergangenen Jahr zurückgegangen. Die Verfügbarkeit von und Nachfrage nach Drogen bleibe aber hoch.
Keine große Rolle spiele Lachgas bei der Anamnese insbesondere von stationären Suchtpatient*innen in Deutschland, stellt Norbert Scherbaum, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hauptstelle für Suchtanfragen, fest. Dies schließe allerdings nicht aus, dass der "hedonistische Freizeitkonsum von Lachgas" zugenommen haben könnte, fügt er hinzu.
Woher kommt der Hype?
Für die wachsende Popularität macht die Europäische Drogenstelle EMCDDA unter anderem die leichte Verfügbarkeit, niedrige Preise (durch die Abgabe in großen Mengen) sowie die allgemeine Wahrnehmung als "relativ sicher" verantwortlich.
Außerdem machen sie folgende Beobachtung: Lachgas werde vor allem in kleinen Mengen, zum Beispiel mehrere Ballons an einem Abend einige Male im Jahr konsumiert. Der Konsum von großen Mengen sehr regelmäßig sei seltener.
Ab wann ist Lachgas gefährlich?
Wie bei jeder Droge kann es gerade bei längerem und intensivem Gebrauch zu teils erheblichen Schäden kommen, zum Beispiel bei der Blutbildung, erklärt Schaper. Die Bildung von roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen werde gehemmt, was bei länger andauerndem Gebrauch zu einer "Perniziösen Anämie" führen könnte, eine Unterform der Blutarmut. Außerdem könne es zu Nervenschäden, einer "Polyneuropathie" kommen, erklärt der Experte.
Die BZgA warnt außerdem vor: Gefrierverbrennungen durch die Zylinder, Bewusstlosigkeit(ab einem Anteil von 90 Prozent in der Atemluft), Taubheits- und Schwindelgefühlen sowie unberechenbaren Folgen bei Mischkonsum mit anderen Drogen. Alles Symptome, die bereits bei einmaligem Gebrauch auftreten können.
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