Die Wahrheit hinter TruthGPT und Elon Musk | Terra-X-Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Die Wahrheit hinter TruthGPT und Elon Musk

    von Gert Scobel
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    Mit einem offenen Brief warnte Tesla-Gründer Elon Musk zuletzt vor Künstlicher Intelligenz. Doch so edel und gemeinnützig sind seine Motive dahinter anscheinend nicht.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Gert Scobel

    Die Matrix hat einen Riss. Elon Musk, dem aufrechten Kämpfer für neue, moderne Technologie und Wissenschaft, trauen viele Fans nicht nur hohe technologische und politische Kompetenz, sondern auch wissenschaftlichen Weitblick zu. Nicht abzustreiten ist jedoch, dass Musk in den letzten Wochen mit einem Universalanspruch auf die Rettung der Welt an die Öffentlichkeit drängt.
    Indem er uns vor einer nahenden Robokalypse und intelligenten Supercomputern retten will, wiederholt er die Kritik vieler warnender Stimmen. Leider bringt jede neue Technologie auch neue Gefahren mit sich. Was also ist dran an Musks Warnungen vor der gefährlichsten Waffe der Neuzeit, vor ChatGPT - und seinem Anspruch, die Sache hinzubekommen?

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Musk spielt ein doppelt verlogenes Spiel

    Erstens sind Musks Bedenken bereits von vielen Personen und Institutionen, darunter der EU, seit langem vorgebracht worden. Völlig unklar bleibt jedoch, warum Musk als Kritiker sogenannter lernfähiger, generativer KI-Modelle diese als langjähriger Investor überhaupt erst ermöglicht hat. Ohne ihn wäre OpenAI, was ChatGPT hervorbrachte, wohl nie gegründet worden.
    Hinzu kommt, dass Musk seit 2015 Vorstufen des Programms kannte und selbst einige der Hauptentwickler*innen, wie die KI-Spezialistin Viktoriya Krakovna, eingestellt hat. In seinem offenen Brief spielt Musk geschickt den betroffenen und edlen Ankläger: Aber es ist ein doppelt verlogenes Spiel. Indem er Anklage gegen andere statt gegen sich selbst erhebt, schürt er vor allem Angst.
    Paradoxerweise endet der Brief seltsam hoffnungsfroh. Denn Musk will, "nachdem es uns gelungen ist, leistungsfähige KI-Systeme zu schaffen", auch "die Früchte ernten" und "diese Systeme zum eindeutigen Nutzen aller entwickeln und der Gesellschaft die Chance zu geben, sich anzupassen". Die Message ist klar und deutlich: Alles wird nur dann gut, wenn Musk und sein Team ganz vorne dabei sind und aufpassen, um dann alle anderen Teams weltweit anzuführen.
    kritisch blickender Scobel, Musk mit Heilgenschein, ChatGPT mit Teufelshörnern
    Ist Elon Musks Forderung nach einem Moratorium auf die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz ein Marketing-Trick? Eine Analyse von Gert Scobel.27.04.2023 | 21:05 min

    Auch TruthGPT wird Wahrheiten erfinden

    Zweitens wird es perfide, weil Musk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Briefes längst seine eigene KI-Firma gegründet und 2018 damit begonnen hatte, sein eigenes KI-Forschungslabor einzurichten. Musk gab zu, Twitter und das damit verbundene Kommunikationsnetzwerk als "Brandbeschleuniger" nutzen zu wollen, um die Entwicklung seiner Super-App X voranzutreiben.
    Ausgerechnet im Sender Fox News, der gerade eine Abfindung in dreistelliger Millionenhöhe wegen wiederholten Lügens zahlen musste, wetterte der Tesla-Chef wie einst Donald Trump gegen den Einfluss der bösen Eliten - und ließ die Katze aus dem Sack: "Ich werde etwas starten, das TruthGPT genannt wird: eine absolut nach Wahrheit strebende KI, die versucht, das Wesen des Universums zu ergründen."
    Was Musk dabei verschweigt ist, dass es Systemen wie ChatGPT aus prinzipiellen, technischen Gründen überhaupt nicht um Wahrheit gehen kann. Diese Systeme heißen "generativ", weil sie ihren gesamten Output aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrechnungen nicht prüfen, sondern generieren, das heißt "erfinden". Sie gleichen ihre Antworten nicht mit Fakten, sondern mit internen, völlig von Fakten losgelösten Rechenoperationen ab.
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    Musk nutzt Verunglimpfung von ChatGPT durch rechte Szene

    Drittens startete Musk als bekennender Freund der Rechten in den USA seine TruthGPT-Kampagne gegen den Konkurrenten Microsoft präzise in dem Moment, in dem die Rechte in Amerika Jagd auf einen neuen Feind machte: auf ChatGPT. Damit gelang es Musk, sich geschickt an die Spitze der "kritischen" rechten Intellektuellen zu stellen, indem er vor dem warnte, was die Regierung zulässt.
    In den Augen der Rechten ist die KI zu woke, zu regierungsfreundlich und vor allem links. In rechten Kreisen kursieren Unterhaltungen mit ChatGPT, in denen die KI angeblich aufgefordert wurde einen Essay über die Gefahren von Drag Queens für Kinder zu schreiben, dies aber ablehnte mit dem Hinweis, sie verstoße damit gegen ihre Programmierung.

    Digitalexperte Sascha Lobo
    :"KI mit voller Kraft umarmen"

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    Sascha Lobo
    Interview

    Deutschland verpasst Digitalisierung und Chancen der KI-Forschung

    Während man in Deutschland immer noch über Digitalisierung als Ausbau von Hardware wie Glasfaserkabel auf dem Land spricht, verkennt das Land das eigentliche Thema, obwohl es über eine exzellente, weltweit konkurrenzfähige KI-Forschung und Technologien verfügt, die seit Jahren auf Investitionen und Förderung warten. Wer die Matrix durchschauen und verlassen will, muss bekanntlich die richtige Pille wählen. Die Pille von Elon Musk würde ich jedenfalls in keinem Fall schlucken.
    Ingolf Baur mit einer EEG-Haube neben einem humanoiden Roboter
    Waren Maschinen früher nur Helfer, werden sie heute zu Weggefährten. Der Mensch spricht mit seinem Auto oder mit Alexa. Akzeptieren wir die Technik mehr, je ähnlicher sie uns wird? 02.03.2023 | 43:52 min

    ... ist Philosoph, Wissenschafts- und Kulturjournalist sowie Moderator der 3sat-Sendungen "SCOBEL" und "Buchzeit". Er beleuchtet und analysiert wissenschaftliche Diskurse. Besonders interessiert ist er an Aufklärung, Transformationsprozessen, der Förderung von Bewusstseinskultur und der Frage nach einer Ethik der Informatik, insbesondere der Künstlichen Intelligenz. Seit 2019 ist er mit "SCOBEL" auch als Youtuber aktiv - und kann cat content nicht ausstehen.

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