Wege aus der Baukrise: "Jung kauft Alt"

    Umbau statt Neubau:"Jung kauft Alt": Eine Lösung der Baukrise

    von Eva-Maria Gfirtner
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    Inmitten der Baukrise bietet "Jung kauft Alt" eine Lösung. Familien erhalten finanzielle Unterstützung beim Kauf von Bestandsimmobilien, eine Chance für den ländlichen Raum.

    Zwei alte Gebäudefassaden. Eine ist frisch renoviert. Eine sieht heruntergekommen aus.
    Bauland ist teuer, die Zinsen sind hoch, Fachkräfte nur schwer zu bekommen. Wenn neu bauen so schwierig ist – warum dann nicht Vorhandenes besser nutzen?28.09.2023 | 29:55 min
    Der Wohnungs- und Hausbau in Deutschland steckt in einer Krise. Es fehlen aktuell allein 700.000 Mietwohnungen. Die Gründe sind vielfältig: Dem deutschen Baugewerbe mangelt es an rund 300.000 Fachkräften. Die Branche hat außerdem mit Material- und Lieferengpässen zu kämpfen. Ein zusätzliches Problem: die Bauzinsen. Sie sind stark gestiegen. Die Folgen sind spürbar: Immer weniger Menschen beantragen einen Immobilienkredit.
    Wenn der Neubau so schwierig ist, warum nicht Vorhandenes besser nutzen? Also bestehende Gebäude umbauen und ihnen ein neues Leben geben. Denn gerade in ländlichen Regionen Deutschlands gibt es verfügbaren Wohnraum. Rund 78 Prozent der gesamten deutschen Bevölkerung lebt in Städten.

    Dorf in Nordrhein-Westfalen zeigt mögliche Lösung

    Inmitten der Herausforderungen des demografischen Wandels und der Landflucht hatte das kleine Dorf Hiddenhausen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007 eine kluge Idee. Wie viele andere Kommunen in Deutschland kämpfte auch Hiddenhausen mit einem aussterbenden Ortskern, einer schrumpfenden Einwohnerzahl und unnötigen Neubaugebieten am Stadtrand.
    In Deutschland herrscht vielerorts ein steigender Wohnungsmangel. Ist "serielles Bauen" - das Bauen mit vorgefertigten Modulen - die Lösung für schnellen und bezahlbaren Wohnraum?
    Die Gemeinde stellt sich eine einfache Frage: Warum eigentlich neu bauen statt alt kaufen? Die Antwort auf diese Frage war das Förderprogramm "Jung kauft Alt", eine Lösung, die nicht nur Hiddenhausen, sondern auch die Gemeinde Steinhagen im Kreis Gütersloh inspirierte.
    Das Förderprogramm à la Steinhagen funktioniert folgendermaßen: Familien mit mindestens einem Kind, die ein über 25 Jahre altes Haus kaufen und dort einziehen, werden über sechs Jahre mit maximal 9.000 Euro finanziell unterstützt. Seit mittlerweile zwölf Jahren hat sich das Förderprogramm in Steinhagen mittlerweile bewährt. Über 200 Familien sind bisher in die Gemeinde gezogen und geblieben, was zu einem Wachstum um etwa 780 Mitbürger und Mitbürgerinnen führte, von denen rund die Hälfte Kinder unter 18 Jahren sind.
    Sanierung eines Hausdaches
    Millionen Häuser müssen modernisiert werden für Klima und Wärmewende. Die Kosten gehen in die Milliarden. Wie kann die Abkehr von fossilen Brennstoffen im Heizungskeller gelingen?10.09.2023 | 28:25 min
    Viele alte Häuser müssen dringend saniert werden. Doch viele können sich keine hohen Investitionssummen leisten:

    Vorbild für viele andere Gemeinden

    Der Erfolg des Programms geht weit über die bloße Förderung hinaus. Die Unterstützung junger Familien beim Kauf von Bestandsimmobilien bringt der Gemeinde mehr Einwohner, die Familien wiederum stärken als Steuerzahler und mit ihrer Kaufkraft die örtliche Wirtschaft. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, die das Gemeinschaftsgefühl und die örtlichen Strukturen stärkt, sagen der Leiter des Programms, Stefan Hellweg und die Bürgermeisterin Sarah Süß.
    Das Beispiel zeigt, dass innovative Ansätze in der Stadtentwicklung und der Förderung von Familien den ländlichen Raum nachhaltig stärken können. Durch "Jung kauft Alt" haben nicht nur Hiddenhausen und Steinhagen, sondern auch viele andere Gemeinden die Möglichkeit, den demografischen Wandel aktiv zu gestalten und die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Aktuell betreiben 119 Gemeinden in ganz Deutschland ein Förderprogramm nach dem "Jung kauft Alt" Modell.

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