1 (-) Der Dirigent Wilhelm Furtwängler, der Jurist Carl Schmitt, der Schauspieler Gustaf Gründgens und der Chirurg Ferdinand Sauerbruch: Sie alle waren Kollaborateure im NS-Staat, in Nähe und Distanz. Helmut Lethen zeichnet ein faszinierendes Gruppenporträt mit fiktiven literarischen Gesprächen zwischen diesen vier. Er erzählt von Verführbarkeit und Unterdrückung, Opportunismus und Auflehnung. 78 Punkte
2 (-) Im 20. Jahrhundert entsteht eine neue Sterbekultur: Der eigene Tod gilt immer häufiger als »Projekt«, das vom Individuum selbst gestaltet wird. Wer sich das Leben nimmt, will es nicht mehr nur auslöschen, sondern ihm auch eine neue Bedeutung geben. Der Kulturwissenschaftler Thomas Macho zeichnet diesen Umbruch detailliert nach – der Suizid als Quintessenz der Moderne. 71 Punkte
3 (-) Unsere Gesellschaft ist eine Leistungsgesellschaft. Aber was meinen wir, wenn wir von »Leistung« sprechen? Wie wurde Leistung zu einer individuellen Größe, und wie haben sich soziale Beziehungen dadurch verändert? Warum definieren sich Menschen über ihre Leistung – oder über das, was sie und andere dafür halten? Nina Verheyen beschreibt, wie sich das Verständnis von Leistung gewandelt hat. 68 Punkte
4 (7) Der britische Jurist Philippe Sands erzählt, wie er während einer Reise nach Lemberg auf die Geschichte zweier Männer traf, die nach dem Zweiten Weltkrieg die zentralen Begriffe für die Strafverfolgung von NS-Verbrechen geprägt haben. Der Autor hat seine Spurensuche zu einer sprachmächtigen Erzählung verwandelt, die sich mit den Grundlagen von Schuld und Sühne auseinandersetzt. 60 Punkte (Achtung: Hier hat sich in der Printausgabe der ZEIT ein Fehler eingeschlichen - dort heißt es 57 Punkte)
5 (2) Hannah Arendts neu entdeckter Essay von 1967 hat es in sich: Die amerikanische Revolution 1776 war ein erfolgreiches Freiheitsprojekt, weil es keine soziale Not gab und das Schicksal der Sklaven ausgeblendet wurde. Im Frankreich nach 1789 hingegen bewirkte die Armut der Pariser Umsturz und Terror. Die Philosophin feiert politisches Handeln als Freiheitserfahrung – und die Republik aus antikem Geist. 45 Punkte
6 (-) Ein Essay über ein großes Menschheitsthema: Opfer von Krieg und Gewalt sind in den Medien allgegenwärtig, als Bilder von verstümmelten Soldaten, von verängstigten Kindern oder leidenden Zivilisten. Doch wer gilt eigentlich wann und warum als Opfer? Die Historikerin Svenja Goltermann erzählt, wie das Bild des Opfers, das wir heute kennen, sich erst seit dem 18. Jahrhundert herausgebildet hat. 43 Punkte
7 (-) Im Frühjahr 2017 reist Martin Mosebach nach Ägypten. Er besucht im Dorf El-Or die Familien der 21 koptischen Männer, die zwei Jahre zuvor von IS-Terroristen an einem Strand in Libyen ermordet wurden. Das Buch zur Reise reflektiert Mosebachs Begegnungen mit einer fremden Gesellschaft und einer Kirche, die sich den Glauben und die Liturgie der frühen Christenheit bewahrt hat. 37 Punkte
8 (-) Der Fisch: ein unterschätztes Wesen. Angler, Köche und Aquarienbesitzer interessieren sich für ihn, aber unser Herz rührt er kaum. Dabei sind Fische uns Menschen nicht unähnlich – sie sind strategisch und sozial, pflegen Balzrituale und lange Beziehungen. Der Verhaltensbiologe Jonathan Balcombe bricht eine Lanze für die Fische. Und überrascht mit Erkenntnissen, die weit über den Aquarienrand hinausgehen. 36 Punkte
9 (-) 50 Jahre nach dem Revolutionsjahr von 1968 zieht Heinz Bude Bilanz. Der Soziologe hat mit Männern und Frauen gesprochen, die damals auf die Straße gingen. Gemein war ihnen der Gedanke des Aufbruchs in eine Welt des befreiten Lebens. Adorno gab ihnen mit auf den Weg, dass es umso schwerer fällt, sich in der Gesellschaft nützlich zu machen, je mehr man von dieser Gesellschaft versteht. 31 Punkte
10 (-) Die Jahre zwischen 1919 und 1929 markieren eine Epoche unvergleichlicher geistiger Kreativität, in der Gedanken zum ersten Mal gedacht wurden, die bis heute in die Gegenwart hineinreichen. Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger prägten diese Epoche. Der Autor Wolfram Eilenberger lässt sie wiederauferstehen. 30 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Svenja Flaßpöhler (Philosophie Magazin), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Christoph Möllers (HU Berlin), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT), Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)