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Die Sachbuch-Bestenliste für Dezember 2017

Von ZDF, Deutschlandfunk Kultur und DIE ZEIT

Andreas Bernard: Komplizen des Erkennungsdienstes. Das Selbst in der digitalen Kultur; S. Fischer
Andreas Bernard: Komplizen des Erkennungsdienstes. Das Selbst in der digitalen Kultur; S. Fischer; 240 S., 24,– €

1 (-) Der Kulturwissenschaftler Andreas Bernard hat eine packende Studie über die Genese des Selbst in der digitalen Kultur verfasst. Bernards Befund: Die Techniken der Selbstdarstellung haben ihre Ursprünge im 19. Jahrhundert, als in Gefängnissen und Psychiatrien zur Kontrolle von Straftätern die Profilerstellung entwickelt wurde. Heute geben wir unsere Profildaten an Google und Facebook freiwillig heraus. 104 Punkte

Ibram X. Kendi: Gebrandmarkt. A. d. Engl. v. Susanne Röckel u. Heike Schlatterer; C. H. Beck
Ibram X. Kendi: Gebrandmarkt. A. d. Engl. v. Susanne Röckel u. Heike Schlatterer; C. H. Beck; 604 S., 34,– €

2 (-) Die Studie des Historikers Ibram Kendi ist ein halbes Jahr vor dem Wahlsieg von Donald Trump erschienen. Jetzt liegt das Buch auf Deutsch vor: In der Chronik, die von den Puritanern bis zur Black-Lives- M atter-B ewegung reicht, zeigt der Historiker, warum die Gesellschaft der USA nach wie vor auf rassistischen Werten basiert. Ein Buch, so schmerzhaft wie informativ. 69 Punkte

Bernd Roeck: Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance; C. H. Beck
Bernd Roeck: Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance; C. H. Beck; 1304 S., 44,– €

3 (-) Warum stieg Europa in der Renaissance zur Weltdominanz auf? Diese Frage beantwortet der Historiker Bernd Roeck in seinem faszinierenden, faktenreichen Panorama. Seine Gründe für den Siegeszug seit 1500: Die italienische Kunst, die Ideen des Humanismus, der Rückbezug auf die Antike, die Technikbegeisterung, aber auch die Kolonialisierung machten den Kontinent selbstbewusst. 65 Punkte

Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten.
Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Suhrkamp. 480 S., 28,– €

4 (1) Der Soziologe Andreas Reckwitz hat eine originelle Generaltheorie unserer Epoche vorgelegt: Nach der industriellen Moderne herrsche im Westen ein Kulturkapitalismus, der wieder soziale Klassen kenne, die sich aber nach kultureller Dominanz sortieren. Reckwitz erzählt, wie der Drang zum Singulären den nach Gleichheit ablöst – und so neue Eliten und Abgehängte, Spaltungen und Konflikte entstehen. 57 Punkte

David Miller: Fremde in unserer Mitte. Politische Philosophie der Einwanderung; a. d. Engl. v. Frank Lachmann
David Miller: Fremde in unserer Mitte. Politische Philosophie der Einwanderung; a. d. Engl. v. Frank Lachmann; Suhrkamp; 330 S., 32,– €

5 (-) Geht das: für eine tolerante Flüchtlingspolitik kämpfen und zugleich deren Risiken diskutieren? Dem britischen Philosophen David Miller ist der Spagat gelungen. Er zeigt, dass es keinen Widerspruch gibt zwischen der Verteidigung von Bürgerrechten und dem Engagement für Menschenrechte. Der Brite lässt dabei einen Kompromiss zwischen liberaler und realistischer Immigrationspolitik erkennen. 54 Punkte

Emilia Smechowski: Wir Strebermigranten; Hanser Berlin
Emilia Smechowski: Wir Strebermigranten; Hanser Berlin; 224 S., 22,– €

6 (-) Emilia Smechowski ist in Polen geboren. Als Kind wanderte sie mit ihren Eltern nach Deutschland aus, wo sie sich der deutschen Kultur völlig anpassen musste. In ihrem persönlichen Buch reflektiert sie über die Gründe ihrer Assimilation, den Druck im Elternhaus und die Suche nach einer deutsch-polnischen Identität. Am Ende zeigt die Autorin, warum so viele Polen in Deutschland unsichtbar bleiben. 52 Punkte

Ina Hartwig: Wer war Ingeborg Bachmann? Eine Biographie in Bruchstücken.
Ina Hartwig: Wer war Ingeborg Bachmann? Eine Biographie in Bruchstücken; S. Fischer; 320 S., 22,– €

7 (-) Die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann ist auch ein Mythos: Ihre Auftritte, ihre Beziehungen zu Paul Celan und Max Frisch, ihre glamouröse Aura und ihr mysteriöser Tod machten sie zu einer der faszinierendsten Intellektuellen der Nachkriegsgeschichte. Ina Hartwig hat endlich eine entmystifizierende Biografie über diese ehrgeizige, so fragile wie derbe Diva geschrieben, die ein Medienprofi war. 48 Punkte

Christoph Ribbat: Deutschland für eine Saison. Suhrkamp
Christoph Ribbat: Deutschland für eine Saison Suhrkamp; 272 S., 24,– €

8 (-) 1977 galt im westdeutschen Basketballsport eine Obergrenze von einem Ausländer pro Team. In Göttingen war der Platz durch einen Mann aus Los Angeles besetzt: Wilbert Olinde. Er kam ohne Erwartungen und machte schnell Karriere. Das Buch erzählt Olindes verblüffenden Aufstieg und eine Geschichte von Rassismus, Anpassung und Ausgrenzung. Ein kluges Sachbuch, spannend wie ein Roman. 41 Punkte

Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648
Herfried Münkler: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648. Rowohlt. 976 S., 39,95 €

9 (7) Bis zum Zweiten Weltkrieg war es der Dreißigjährige Krieg, der als Referenzgröße wahren Schreckens und schlimmster Verwüstung galt. Herfried Münkler erzählt, wie dieser Krieg, der nicht nur ein Drittel der Bevölkerung das Leben kostete, sondern auch die europäische Staatenordnung zerstörte, der Anfang einer neuen Epoche wurde und eine entscheidende Friedensordnung zuwege brachte. 36 Punkte

Martin Walser/Jakob Augstein: Das Leben wortwörtlich. Ein Gespräch; Rowohlt
Martin Walser/Jakob Augstein: Das Leben wortwörtlich. Ein Gespräch; Rowohlt; 352 S., 19,95 €

10 (-) Rechtlich ist Jakob Augstein der Sohn des "Spiegel"-Gründers Rudolf Augstein. Doch sein leiblicher Vater ist der Schriftsteller Martin Walser, wie Jakob Augstein 2002 erfuhr. Jetzt haben Vater und Sohn einen Gesprächsband veröffentlicht: Sie reden über den Krieg, das Dritte Reich, das Schreiben, Walsers Jugend am Bodensee und natürlich über Hölderlin. Nur der Sex wird ausgespart. Nicht aber die Liebe. 28 Punkte

Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.

Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Svenja Flaßpöhler (Deutschlandfunk Kultur), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Ekkehard Knörer (Merkur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Christoph Möllers (HU Berlin), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT), Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)

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