1 (1) Das Entrée des Berliner Humboldt Forums soll das sogenannte Luf-Boot schmücken: Ein 16 Meter langes, kunstvoll verziertes Holzboot, das die Bewohner der Südseeinsel Luf vor fast 150 Jahren erbaut haben. Der Historiker Götz Aly erzählt die Geschichte des Diebstahls vor dem Hintergrund eines Völkermordes durch deutsche Kolonialisten. Das nächste Kapitel in der Kunstraub-Debatte. 77 Punkte
2 (-) Überwältigend ist das Werk des Renaissance-Meisters Michelangelo. Nicht nur in seiner Bedeutung, auch im Umfang: Es erstreckt sich von der Malerei über die Bildhauerei bis in die Architektur. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp schafft es dennoch, das gesamte Œuvre "des Göttlichen" auf mehr als 800 Seiten zu bündeln. Ein eindrucksvolles Zeitpanorama. 61 Punkte
3 (-) Am Anfang der Revolution steht "Eva": Ein Frauengemälde von 1928, das die Demonstrierenden von Belarus im letzten Sommer tausendfach auf ihren T-Shirts trugen. "Eva" lautet auch der Titel des ersten Kapitels in Olga Shparagas Buch. Die weißrussische Philosophin erzählt die Chronologie eines von Frauen angeführten Proteststurms. Sie zeigt: Ihr Kampf steht für den Kampf aller Frauen weltweit. 59 Punkte
4 (-) So verschieden sind die Folgen einer Ehe: 2009 heiratete Mark Gevisser seinen Partner in Südafrika – von nun an genoss er steuerliche Privilegien. Ein Jahr später kam es in Malawi zur ersten "Schwulenehe" – die Vermählten wurden zu 14 Jahren Haft verurteilt. Die Kluft zwischen diesen Schicksalen nennt Gevisser "pinke Linie". Einfühlsam berichtet der Journalist von queerer Liebe auf beiden Seiten. 56 Punkte
5 (5) "Die Autorität der Museen bröckelt, und viele wollen wissen: Woher kommen die dort ausgestellten Objekte?" fragt Bénédicte Savoy. Nach ihrem kürzlich veröffentlichten Buch "Afrikas Kampf um seine Kunst" erscheint nun ein gemeinsam mit anderen Berliner Kunsthistorikern recherchierter Bildband zum Thema Raubkunst. Das Protokoll einer Unrechtsgeschichte, die bis in die Antike zurückreicht. 53 Punkte
6 (-) Seerosen gleichen Neurasthenikern, Liebeskranke hoffen auf Impfungen: In Marcel Prousts Meisterwerk "Auf der Suche nach der Verlorenen Zeit" sind medizinische Referenzen keine Seltenheit. Das liegt wohl auch daran, dass Marcels Vater Adrien Arzt war. Der Journalist Lothar Müller bringt die beiden zusammen – und erzählt von den überraschenden Wechselwirkungen aus Literatur und Medizin. 43 Punkte
7 (9) Hitlers Überfall auf Polen, der Russland-Feldzug, die Schlacht um Berlin: Die Geschichtsschreibung des Zweiten Weltkriegs entwickelt sich meist entlang dieser Wendepunkte. Der Historiker Dan Diner zeigt, dass es auch anders geht: Er lenkt den Blick auf den Nahen Osten. Dabei blieb das Schicksal Palästinas mit dem der Kriegsparteien eng verwoben – vor allem wegen des Öls. 25 Punkte
8 (-) Wir Deutschen sind stolz auf unsere Erinnerungskultur. Kann es aber sein, dass wir uns nur selbst entlasten wollen? Per Leo, Mitautor des vieldiskutierten Bestsellers "Mit Rechten Reden", schlägt vor, den Blick zu öffnen: Wie stehen die USA, Israel oder Polen zu ihrer eigenen, unaufgeräumten Geschichte? Ein Plädoyer für mehr Offenheit und Neugier – und gegen das Klischee. 24 Punkte
9 (-) Nachhaltigkeit, ein Modephänomen? Ganz im Gegenteil! Anhand anschaulicher Beispiele zeigt die Historikerin Annette Kehnel, dass Recycling oder Second Hand schon in vormodernen Zeiten beliebte Konzepte waren. Erst im 19. Jahrhundert begann das Zeitalter des Profitstrebens und hemmungslosen Ressourcenverschleiß. Eine Reise in die Vergangenheit, die Lust auf Veränderung macht. 21 Punkte
9 (-) Eine Woche vor ihrem 41. Geburtstag erfährt die Dichterin Anne Boyer, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist. Nun beginnt sie, sich mit dem Verhältnis von Krankheit und Gesellschaft zu beschäftigen: Sie stößt auf antike Traumtagebücher, Verschwörungstheorien und untersucht die Mechanismen der Gesundheitsindustrie. Die Originalfassung wurde 2020 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet – Boyer hat überlebt. 21 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
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