Interview mit Meteorologe und Experte Prof. Dr. Andreas H. Fink über das Wetterphänomen Arkstorm, das durch den Klimawandel in schwächerer Ausprägung auch in Europa denkbar ist.
ZDF: Im dritten Teil der Reihe "Wilder Planet" ist das Wetterphänomen "Arkstorm" ein wichtiges Thema. Was ist das?
Prof. Dr. Andreas H. Fink: Bei einem Arkstorm handelt es sich um einen Wasserdampffluss in der Atmosphäre, der in den tropischen Breiten des Pazifiks ansetzt und dann als schmales Band in Richtung Kalifornien zieht. Dabei werden enorme Mengen von Wasserdampf nach Kalifornien transportiert. Über mehrere Tage wird der Wasserdampf über dasselbe Transportband weitergeleitet, es verlagert sich nur wenig, und am Zielpunkt in Kalifornien kommt es dann zu extremen Niederschlägen, die noch dadurch verstärkt werden, dass die Luft dort an einer Gebirgskette aufsteigen muss. Der Wasserdampf kondensiert und westlich des Gebirges an der Küste gehen tagelang sintflutartige Regenfälle nieder. Wasserdampf, der tausend Kilometer entfernt aus den Tropen kommt, ist für den Regen in Kalifornien verantwortlich.
ZDF: In Kalifornien regnet es ja eher selten. Ist Regen da nicht erwünscht?
Fink: Kalifornien ist in der Tat überwiegend trocken. Wenn dann ein solcher Arkstorm auftritt, kommt es zu extremen Regenfällen mit entsprechenden Überschwemmungen. Besonders kritisch wird die Situation, wenn dieser Fluss von Wasserdampf über mehrere Tage immer dieselbe Zielregion in Kalifornien betrifft. Die Niederschläge sind dann so heftig, dass die Flüsse über die Ufer treten, es kommt zu entsprechenden Schäden an der Infrastruktur, Berghänge rutschen ab, Straßensegmente ebenfalls, Brücken werden zerstört und so weiter. Dieses Wetterereignis ist nicht unbedingt mit extremen Windgeschwindigkeiten oder extremem Wellengang verbunden. Es ist wirklich der Niederschlag, der die Zerstörungen auslöst.
ZDF: In Kalifornien rechnet man ja eher mit Zerstörungen durch Erdbeben. Woher wissen wir denn, dass dort ein neuer Arkstorm droht?
Fink: Seit 30 Jahren gibt es Satellitenbeobachtungen, die uns diese Wasserdampfflüsse in Bildern zeigen. Am Zielpunkt in Kalifornien existieren seit 100 Jahren instrumentelle Aufzeichnungen über solche extremen Ereignisse. Davor gibt es außerdem Berichte von Augenzeugen, wie zum Beispiel vom Winter 1861/62. Damals führte ein offenbar sehr starker Arkstorm 40 Tage lang zu Regenfällen und Überflutungen. Wenn man noch weiter zurück in die Vergangenheit schauen will, dann muss man geologische Anzeichen im Gelände heranziehen: Zum Beispiel kann man die Einzugsgebiete von Flüssen untersuchen und die Flutstände datieren. Der Arkstorm ist ein gravierendes, aber in jedem Fall ein extrem seltenes Ereignis – das zeigen uns Instrumente, Aufzeichnungen und geologische Erkenntnisse.
ZDF: Könnte so ein Arkstorm auch bei uns in Europa stattfinden?
Fink: Diese Wasserdampfflüsse, die wir Arkstorm nennen, treten im Winter auch auf dem atlantischen Ozean vor der Haustüre Europas auf und sind nach neueren Erkenntnissen zum Beispiel auf den britischen Inseln mit starken Flutereignissen verknüpft. Wie man seit einiger Zeit weiß, gibt es auch in Westeuropa – also in Deutschland, Frankreich bis hinunter nach Nordwestafrika im Atlasgebirge – Zielgebiete, wo eben auch diese Wettersituation, diese stabilen atmosphärischen Flüsse, auftreten und tagelang für Starkregen und Überschwemmungen sorgen können.
ZDF: Und wie würde sich ein Arkstorm dann in Europa und besonders in Deutschland auswirken?
Fink: Ein solcher Arkstorm in Europa könnte bewirken, dass über einige Tage extreme Niederschläge fallen. Besonders Steigungsregen an Gebirgen würden zunehmen, und entsprechend dürften die großen Ströme Westeuropas, zum Beispiel bei uns der Rhein, über die Ufer treten. Gegebenenfalls erreichen die Flüsse Hochwasserstände, wie wir sie in den letzten hundert, zweihundert Jahren nicht gesehen und gemessen haben.
ZDF: Welchen Einfluss könnte der Klimawandel auf dieses meteorologische Phänomen haben?
Fink: Der Klimawandel bedeutet zunächst, dass die Atmosphäre wärmer wird. Damit kann sie mehr Wasserdampf aufnehmen und das würde in letzter Konsequenz auch bedeuten, dass die Menge an Wasserdampf, die von Süden nach Norden fließt, erhöht sein kann. Im Einzelfall entscheidet die Dauer dieser Wetterlage über ihre Intensität und nicht so sehr, ob zehn oder 20 Prozent mehr Wasserdampf aus den Tropen exportiert werden. Dennoch: Es kann sein, dass diese Arkstorms durch die Klimaerwärmung noch ein wenig stärker werden.
Die Fragen stellte Stefan Schneider.