Spätestens seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat die Diskussion um die Erdbebensicherheit von Städten, Gebäuden und gerade auch Atomreaktoren weltweit eine neue Brisanz erreicht. Die Auswirkungen eines Bebens können nicht länger als lokal oder regional gelten, sondern müssen als globale Phänomene betrachtet werden. Wissenschaftler versuchen daher weltweit die Mechanismen zu erforschen, die Beben verursachen. Sie hoffen Technologien zu entwickeln, die einen besseren Erdbebenschutz ermöglichen. Im zweiten Teil der "Terra X"-Reihe "Wilder Planet" besucht das ZDF-Team Forscher in den seismisch aktivsten Gebieten der Erde.
In vielen Ländern der Erde ist die Bevölkerung so an Erdbeben gewöhnt, dass ein kurzes Rucken des Bodens kaum mehr wahrgenommen wird. In Kalifornien oder Chile stellen sich Vorsichtige möglicherweise kurz unter einen Türsturz, aber kaum hat das Wackeln aufgehört, geht jeder wieder seiner Wege. Beben gehören zum Alltag, man blendet sie aus als Irritation wie anderswo auf der Welt Auto- oder Fluglärm. In Europa dagegen hat man wenig Erfahrung mit Erdbeben, da die seismische Tätigkeit hier nicht besonders ausgeprägt ist.
Beben selbst verhinderte einen Tsunami
In Chile untersucht der Geophysiker Prof. Dr. Stephen Miller von der Universität Bonn mit seinem Team eine Region in den Chilenischen Anden. In dieser seismisch hochaktiven Gegend stellen die Wissenschaftler erstaunliche Dinge fest. 2010 hatte ein Erdbeben der Magnitude 8,8 den Seeboden vor der Küste Chiles erschüttert. Der Boden brach auf einer Länge von mehreren 100 Kilometern auf und hätte eigentlich einen gewaltigen Tsunami auslösen müssen.
In Panik flüchteten die Bewohner aus der Küstenregion, doch wie durch ein Wunder blieb der Tsunami aus. Der Grund dafür: Das Beben selbst verhinderte die Katastrophe. Innerhalb weniger Sekunden hob es die Küste um 2,5 Meter an und errichtete so einen Schutzwall gegen die Überflutung. Solche überraschenden Beobachtungen machen deutlich, wie wenig vorhersehbar die gewaltigen Kräfte der Erde noch immer sind. Miller sieht vor allem in dem Zusammenwirken von Erdbeben und Vulkanen ein wichtiges Forschungsgebiet.
Vom Verhalten der Kröten lernen
Dass Erdbeben jedoch längst nicht immer im Zusammenhang mit Vulkanen stehen müssen, zeigt das Projekt "USArray". In Michigan, mitten in der nordamerikanischen Prärie, begleitet "Terra X" ein USArray-Team. Die Männer versenken einen hochempfindlichen Seismografen in der Erde, Teil eines Netzwerks von 400 solcher Geräte, die überall in den USA Messungen durchführen. Die Seismografen haben keinen festen Platz, vielmehr wird das Netz nach einer festgelegten Zeit immer weiter von Westen nach Osten bewegt. Auf diese Weise soll mit nie dagewesener Genauigkeit die amerikanische "Unterwelt" erforscht werden. Vor allem die Frage, warum Erdbeben gelegentlich auch weit entfernt von den tektonisch aktiven Grenzen der Kontinentalplatten ausgelöst werden können, kann nun beantwortet werden. Offenbar tauchen nicht alle Platten, wie bisher angenommen, komplett an einer sogenannten Subduktionszone in den Erdmantel ein, um wieder eingeschmolzen zu werden. Die gewaltige Ozeanplatte, die seit mehr als 100 Millionen Jahren vor der Westküste der USA in die Tiefe sinkt, tut dies beispielsweise ganz und gar nicht in einem Stück. Im Verlauf der USArray-Forschung wurden stattdessen Fragmente nachgewiesen, die in geringer Tiefe unter dem Kontinent bis nach New York reichen. Diese Bruchstücke sind in der Lage den Kontinent zu destabilisieren und bis hin zur Ostküste Erdbeben auszulösen, weit weg von der eigentlichen Subduktionszone an der Westküste Amerikas.
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All diese Forschung lässt die Möglichkeit sinnvoller Erdbebenvorhersage immer unwahrscheinlicher werden. Allerdings gibt es manchmal überraschende Hilfe. Im Umland der italienischen Stadt L’Aquila erforscht die britische Biologin Rachel Grant seit über vier Jahren das Verhalten von Kröten. Wenige Tage vor dem Beben im Jahr 2009 verschwanden sämtliche Kröten aus dem nahegelegenen See. Zwei Wochen nach dem Beben tauchten sie wieder auf. Grant vermutet, dass sich im Vorfeld des Bebens die chemische Zusammensetzung des Seewassers geändert haben könnte. Vielleicht eröffnen die sensiblen Amphibien ganz neue Möglichkeiten für die Vorhersage von Erdbeben.
In Disaster City in Texas steht nicht die Vorhersage von Erdbeben im Vordergrund, hier übt man vielmehr, was zu tun ist, wenn die Erde bereits gebebt hat. 70 000 Spezialisten aus aller Welt kommen jedes Jahr in die texanische Katastrophenstadt, um hier das ABC des Rettens zu trainieren. Was passiert wenn bei einem Erdbeben Gebäude über ihren Bewohnern einstürzen? Wo könnten Überlebende verborgen sein und wie kann man sie bergen? Auf einer Fläche von 30 Fußballfeldern wird das Szenario so echt wie möglich nachgespielt, damit die Rettungskräfte handlungsfähig sind, wenn es zum Ernstfall kommt.
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