Thomas Hagedorn: Wie würden Sie den Stellenwert der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Rahmen des Superwahljahres 2021 beschreiben: Ist es mit Blick auf die Bundestagswahl und den weiteren Landtagswahlen am 26. September ein eher landespolitisches Ereignis oder bekommt es bundesweite Relevanz, weil es der erste Stimmungstest nach den Entscheidungen für den Kanzlerkandidaten der Union und die Kanzlerkandidatin der Grünen ist?
Andreas Weise: Die Wahl in Sachsen-Anhalt ist schon sehr von der Bundespolitik geprägt. So ist die CDU auch hier in den Umfragen auf weit unter 30 Prozent abgestürzt. Doch dagegen stehen die sehr guten Werte für CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff. Dessen Arbeit wird allgemein als gut bis sehr gut eingeschätzt, die anderen Spitzenkandidaten sind oft kaum bekannt im Bundesland. Anders als in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist hier auch derzeit nicht mit Verlusten für die AfD zu rechnen. Vom Bundestrend scheinen hier vor allem die Grünen zu profitieren. Zwei Umfragen sehen sie bei über 10 Prozent – das wäre eine Verdoppelung des Wahlergebnisses von 2016.
T.H.: Ministerpräsident Reiner Haseloff, der seit zehn Jahren in Sachsen-Anhalt regiert, zudem mit der einzigen bundesweiten Kenia-Koalition, geht jetzt noch einmal für die CDU ins Rennen. Nach dem Koalitionsstreit über den Rundfunkbeitrag und der Entlassung von Holger Stahlknecht im vergangenen Dezember und nach der Kanzlerkandidaten-Entscheidung am 20. April: Wie nehmen Sie die landespolitische Situation wahr – ist die erneute Kenia-Koalition die einzige Option?
Weise: Wenn die Zusammensetzung des Landtags so bleibt und keine der derzeit fünf Parteien große Gewinne oder Verluste hat, ist Kenia die einzige Option. Es gab zwar in der Vergangenheit einige CDU-Abgeordnete die lieber mit der AfD kooperieren würden, aber diese Stimmen sind derzeit kaum zu vernehmen. Wohl auch, weil die AfD in Sachsen-Anhalt anscheinend vom Verfassungsschutz beobachtet wird – offizielle Informationen dazu gibt es nicht. Sollte aber die FDP nach zehn Jahren wieder den Einzug ins Parlament schaffen, gäbe es deutlich mehr Regierungsoptionen. Außer Kenia (Schwarz-Rot-Grün) wären dann noch Jamaika (Schwarz-Grün-Gelb) oder die sogenannte Deutschland-Koalition (Schwarz-Rot-Gelb) möglich.
T.H.: Die zurückliegende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt fand am 13. März 2016 am selben Tag wie die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz statt. Ohne solche Konkurrenz – wird Magdeburg diesmal bundesweit intensiver wahrgenommen?
Weise: Diese Wahl am 6. Juni wird definitiv deutlicher wahrgenommen. Es ist die letzte vor der Bundestagwahl im Herbst und die Spitzenpolitiker aller Parteien aus Berlin wollen hier – in welcher Form auch immer – im Wahlkampf präsent sein.
T.H.: Wie bereitet sich Ihr Studio auf die Landtagswahl vor und wo wird das ZDF-Wahlstudio präsent sein?
Weise: Wir sind schon jetzt sehr aktiv in der Wahlkampf-Berichterstattung – auch wenn die aus Pandemie-Gründen sehr speziell ist. Außer Wahlplakat-Enthüllungen und Online-Formaten gibt es nicht viel. Nur die AfD macht teilweise Straßenwahlkampf. Aber die anderen Parteien wollen das auch machen, sobald die Inzidenzzahlen das zulassen. Wir sind in den aktuellen Sendungen schon jetzt gut vertreten und natürlich wird die Berichterstattung in Richtung Wahltermin immer intensiver werden. Das "ZDF-Morgenmagazin" ist am Freitag vor der Wahl, am 4. Juni 2021, hier in Magdeburg und da werden wir als Landesstudio auch gefordert sein – mit Beiträgen über die Spitzenkandidaten und ich als Studiogast in der Sendung. Das ZDF-Wahlstudio wird auf der Messe in Magdeburg präsent sein. Dort kann mit ausreichend Abstand gearbeitet werden.
T.H.: Welche Themen aus Sachsen-Anhalt prägen über die Politik hinaus die Berichterstattung aus Ihrem Studio?
Weise: Derzeit natürlich die Corona-Situation. Lange sah es so aus, als ob Sachsen-Anhalt mit relativ wenigen Fällen da durchkommt. Doch mit der zweiten Welle kamen auch hier viele Infizierte und Tote. Vor allem der Süden Sachsen-Anhalts um Halle ist betroffen. Die Landesregierung versucht jetzt mit Modellprojekten in den Bereichen Kultur, Gastronomie und Restaurants Wege aus dem Shutdown zu finden. Zwei Themen, die auch noch sehr wichtig sind im Bundesland: Schule und Digitalisierung. In Sachsen-Anhalt fehlen jedes Jahr knapp 1000 Lehrer und es ist kein Ende des Problems in Sicht. Und bei der Digitalisierung gibt es auch deutlichen Nachholbedarf. Sachsen-Anhalt hat den Ruf das Land der Funklöcher zu sein
Interview: Thomas Hagedorn, ZDF - Presse und Information