Die Vorsitzende des ZDF-Fernsehrates, Marlehn Thieme, scheidet nach zwei Amtsperioden an der Spitze des Gremiums aus dem ZDF-Fernsehrat aus. Zum Ende Ihrer Amtszeit zieht die Fernsehratschefin Bilanz und wünscht dem neuen Fernsehrat "die strategischen Instrumente für die Erfüllung des Programmauftrags gut zu nutzen und mit externen Experten auch weiterzuentwickeln."
#Fernsehrat: Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf Ihre letzte Sitzung als Vorsitzende des ZDF Fernsehrates?
Marlehn Thieme: Zunächst werden wir uns im "alten" Fernsehrat wie gewohnt noch um inhaltliche Themen, wie die Umsetzung des Stretegieprozesses "Ein ZDF für alle", um die Compliance-Regelung und um aktuelle Programmbeschwerden kümmern. Die Wahl meines Nachfolgers oder meiner Nachfolgerin wird dann eine besondere Aufgabe für den neuen Fernsehrat sein.
#Fernsehrat: Wie schätzen Sie die Veränderungen durch die neue Zusammensetzung des Fernsehrates ein?
Thieme: Der Fernsehrat ist seit 2016 weiblicher, jünger, diverser und auch staatsferner geworden. Damit bildet er die Gesellschaft umfassender ab. Es gibt gesellschaftliche Perspektiven, die in meiner Wahrnehmung vorher weniger vorhanden waren. Außerdem haben wir unter den Fernsehratsmitgliedern viele, die sich mit der digitalen Entwicklung sehr gut auskennen und das Haus dementsprechend auch gefordert haben und weiter fordern werden.
Die neue Vielfalt der Perspektiven hat auch die Diskussionskultur verändert. Zu Beginn meiner Fernsehratsarbeit hatten wir in den Sitzungen mehr abgestimmte Reden, wenige weitere Wortmeldungen und vertiefende Diskussionen. Das ist heute anders. Es kommt auch schon vor, dass wir die Themen aus den Ausschüssen noch einmal neu im Fernsehrat aufmachen und die Diskussion in eine andere Richtung geht, als im Ausschuss. Die Debatten sind von einer größeren Meinungsbreite geprägt. Ich habe darauf hingearbeitet, dass möglichst viele Mitglieder auch im Plenum mitdiskutieren. Dann kann die Öffentlichkeit - und auch die ZDF-Mitarbeitenden - die gesellschaftliche Diskussion in konkretem Bezug auf die Programmangebote wahrnehmen. Zudem steht jedes Mitglied im Fernsehrat ja in der Verantwortung für die Begleitung aller ZDF-Programmangebote.
#Fernsehrat: In Ihrer Amtszeit als Vorsitzende spielte der Transparenzgedanke des Gremiums eine immer größere Rolle. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Thieme: Alle Rundfunk- und Fernsehräte waren in den vergangenen Jahren stark gefordert, sich transparenter zu zeigen, auch ausgelöst durch die in den Blick der Öffentlichkeit gerückten Missstände beim RBB. Der ZDF-Fernsehrat hatte sich schon vorher geöffnet. Allein die öffentlichen Sitzungen, die seit Corona-Zeiten auch im Livestream angesehen werden können, sind erkennbar ein Mehrwert für die interessierte Öffentlichkeit. Seit 2017 betreibt der Fernsehrat einen Account auf Twitter, jetzt X. Zusätzlich geben wir seit 2020 einen Fernsehrat-Newsletter heraus, der in persönlichen Interviews die unterschiedlichen Perspektiven der Mitglieder auf Themen und Beschlüsse darlegt.
#Fernsehrat: Wie würden Sie die Bedeutung von Vertretern und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft im Fernsehrat beurteilen?
Thieme: Ihre hohe Verantwortung für die Angebote des ZDF und die Bereitschaft, sich trotz ihrer vollen Terminkalender in ihren Organisationen in die Aufgaben, Bedarfe und Entwicklungen eines modernen Medienunternehmens einzuarbeiten, ist ein wichtiges Pfund für die Aufgaben des ZDF-Fernsehrates.
#Fernsehrat: Wie haben Sie das Verhältnis zwischen Staat und Rundfunk in ihrer Amtszeit empfunden?
Thieme: Die Vertreter der Länder und des Bundes haben an der Fernsehratsarbeit in meiner Wahrnehmung sehr konstruktiv mitgewirkt. Medienpolitische Meinungen wurden ausgetauscht – im klaren Bewusstsein, dass wir alle mit unserer konstruktiven Fernsehratsarbeit zum Gelingen des öffentlich-rechtlichen Auftrags an das ZDF und damit in einer Facette auch der Medienpolitik beizutragen haben.
#Fernsehrat: Vor dem Hintergrund der Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Was muss guter Journalismus leisten und dürfen Ihrer Ansicht nach Journalisten eine Haltung vertreten?
Thieme: Eine journalistische Haltung versucht möglichst breite Perspektiven auf ein Thema. Journalisten sollten eine klare Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung haben und die dem Grundgesetz zugrundeliegenden Vorstellungen von Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit vertreten. Dies ist vor dem Hintergrund der Spaltung der Gesellschaft wichtig, damit sich möglichst viele Menschen durch die Berichterstattung sachlich orientieren können. Das ist etwas deutlich anderes als die Unterstützung der eigenen politischen Meinung.
#Fernsehrat: Wie sieht Ihre persönliche Bilanz für den Fernsehrat aus?
Thieme: Am Ende meiner Amtszeit möchte ich betonen, dass der Fernsehrat in den letzten Jahren seiner Mitverantwortung in der Begleitung der Programmangebote auch als staatsferner aufgestelltes Gremium professionell und öffentlich nachvollziehbar erfüllt hat. Wir haben intensiver mit dem Haus ZDF diskutiert und sind zugleich zu konstruktiven und zukunftsweisenden Entscheidungen mit und für das Haus gekommen. Genauso können wir die Qualität der Programmangebote ebenso wie Nutzung, Wirkung und Akzeptanz von Programm mit Kriterien und Methoden messen und bewerten. Die strategischen Instrumente für die Erfüllung des Programmauftrags gut zu nutzen und mit externen Experten auch weiterzuentwickeln, bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe.
#Fernsehrat: Wie geht es für Sie persönlich nach Ihrer Amtszeit weiter?
Thieme: Ich werde auch in Zukunft meine Mandate in der Zivilgesellschaft wahrnehmen. Ich werde mich da einsetzen, wo ich etwas einbringen kann, so bei der Welthungerhilfe. Aber vor allem werde ich auch wieder mehr Sport treiben können. Und natürlich auch mehr als ein Auge auf das ZDF haben.