Scholz unbeirrbar – Wahlkampf um Krieg und Frieden?

Fakten-Box | 21. November 2024

• Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur

  

  Bundeskanzler Olaf Scholz verliert weiter an Zustimmung in der Bevölkerung. Im RTL/ntv-Trendbarometer kommt der Amtsinhaber der SPD bei der Kanzlerfrage nur noch auf 13 Prozent, ein Rückgang um drei Prozent zum Vergleich in der Vorwoche. CDU-Chef Friedrich Merz baut seinen Vorsprung um zwei Prozentpunkte aus und kommt auf 34 Prozent.
  
  Deutlich beliebter in Umfragen ist der derzeitige Verteidigungsminister Boris Pistorius. In den vergangenen Tagen hatten sich immer mehr SPD-Politiker auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene offen für eine Kandidatur von Pistorius ausgesprochen. Er selbst äußerte sich am Montagabend bei einer Veranstaltung der Mediengruppe Bayern in Passau auf Nachfrage. „In der Politik sollte man nie irgendetwas ausschließen, ganz egal, worum es geht.“ Dabei betonte Pistorius aber gleichzeitig: „Da ich erstens ein zutiefst loyaler Mensch bin, zweitens in meiner Lebensplanung nie drinstand, Verteidigungsminister zu werden oder gar Bundeskanzler, werde ich 'nen Teufel tun und mir jetzt sagen: Ich mache das, ich trete jetzt an. Nein, das werden Sie von mir nicht hören. Ich bin Parteisoldat.“
  
  Amtsinhaber Olaf Scholz will bei der am 23. Februar geplanten Bundestagswahl für die SPD erneut antreten. Die Parteispitze hat immer wieder ihre Unterstützung für ihn bekräftigt, die Debatte damit aber nicht stoppen können. In der Sendung ‚maybrit illner‘ bekräftigte der Generalsekretär Matthias Miersch die Kanzlerkandidatur von Scholz und betonte, „dass wir hier jemanden haben, der dieses Land in wirklich stürmischen Zeiten gut geführt hat.“ Eine offizielle Nominierung von Scholz ist bisher nicht erfolgt. Olaf Scholz selbst hatte immer wieder betont, dass er sein Amt verteidigen wolle. „Es ist so, dass die SPD und ich gemeinsam die Wahl gewinnen wollen, betonte Scholz im Interview mit dem ZDF am Rande des G20-Gipfels in Rio de Janeiro.
  
  Unterdessen schalteten sich auch die früheren Parteigrößen wie Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel in die Diskussion um die Kandidatur ein. Ex-Kanzler Schröder warnte davor, den eigenen Bundeskanzler zu demontieren. Der ehemalige SPD-Chef Gabriel wies dagegen auf Widerstand an der Basis hin. Mit Thüringens SPD-Chef Georg Maier rückte zudem ein Landesvorsitzender von Scholz ab.
  
  Am Mittwochabend kamen die SPD-Parteispitze in einer Schaltkonferenz zusammen. An dem Gespräch sollen die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken, Generalsekretär Matthias Miersch und die stellvertretenden Parteivorsitzenden teilgenommen haben. SPD-Chef Lars Klingbeil hat eine baldige Entscheidung in der SPD in der Frage der Kanzlerkandidatur angekündigt, einen genauen Zeitpunkt aber weiter offen gelassen.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: dpa

• FDP und Grüne mit Spitzenkandidaten

  Während die SPD ihren Kanzlerkandidaten noch nicht festgelegt hat, haben die anderen beiden Parteien der ehemaligen Ampel-Koalition ihre Spitzenkandidaturen entschieden. FDP-Chef Christian Lindner erklärte nach seinem Rausschmiss als Bundesfinanzminister und dem Bruch der Ampel, er wolle die Liberalen erneut als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf führen, auch um in einer neuen Bundesregierung wieder Finanzminister zu werden.
  
  Die Grünen werden von Wirtschaftsminister Robert Habeck in den Bundestagswahlkampf geführt. Ein entsprechender Antrag erhielt beim Bundesparteitag am vergangenen Wochenende in Wiesbaden 96,48 Prozent der Delegierten-Stimmen.
  
  In seiner Bewerbungsrede warb Habeck um das Vertrauen, diese Partei und die Verantwortung weiter tragen zu dürfen. «Und wenn es uns ganz weit trägt, dann auch ins Kanzleramt», fügt er hinzu. Ausdrücklich dankt er Annalena Baerbock, mit der er sich einst den Parteivorsitz geteilt hatte. Baerbock sicherte Habeck zu, ihn als Spitzenkandidat im Wahlkampf zu unterstützen: "Ich will genau das: Dich als Kanzler".
  
  Habeck warnte vor einer Neuauflage der sogenannten Großen Koalition. "Sie ist die Ursache der Wirtschaftskrise der letzten Jahre", sagte er. Die Koalition von Union und SPD habe Deutschland einst in eine Energie-Abhängigkeit von Russland geführt und lange nicht gesehen oder nicht sehen wollen, was sich in den Jahren vor dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 angebahnt habe. 
  
  Der dreitägige Parteitag war geprägt von der Wahl einer neuen Führung, nachdem der bisherige Vorstand um Ricarda Lang und Omid Nouripour Ende September nach drei enttäuschenden Landtagswahlen seinen Rückzug angekündigt hatte. Die beiden neuen Vorsitzenden, Franziska Brantner und Felix Banaszak, betonten angesichts mauer Umfragewerte von 11 bis 12 Prozent die aus ihrer Sicht unverzichtbare Rolle der Grünen als Anwälte von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit. 
  
  CSU-Chef Markus Söder hat nach dem Grünen-Parteitag seine Absage an eine mögliche Koalition aus Union und Grünen im Bundestag untermauert. «Schwarz-Grün ist für uns keine Option», sagte der bayerische Ministerpräsident in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Es brauche bei der Bundestagswahl einen echten Richtungswechsel. "Mit den Grünen geht es halt weiter so."
  
  Berichte mehrerer Medien über einen schon seit Ende September von der FDP-Spitze geplanten Bruch der Ampel-Koalition haben bei den ehemaligen Koalitionspartnern SPD und Grünen Empörung ausgelöst. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bezeichnete den FDP-Chef als "ehrlos". Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: "Jeder künftige Koalitionspartner müsste sich dreimal überlegen, ob er mit dieser FDP koalieren möchte."
  
  FDP-Chef Christian Lindner kommentierte die Berichte mit den Worten: "Es ist Wahlkampf." Selbstverständlich hätte die FDP ohne Wirtschaftswende die Koalition verlassen müssen. Deshalb habe er Scholz einen gemeinsamen, geordneten Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen.
  
  Den Umfragen zufolge ist rechnerisch derzeit nur eine unionsgeführte Regierung mit der SPD oder ein Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, Grünen und FDP denkbar, wobei die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde kratzen. Ob sie dem neuen Bundestag angehören, ist ungewiss.
  
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

• Die Lage im Ukrainekrieg

  

  Russland hat nach Angaben aus Kiew eine Interkontinentalrakete gegen die Stadt Dnipro eingesetzt. Die Rakete sei in der Region Astrachan am Kaspischen Meer gestartet und zusammen mit acht weiteren Geschossen auf die viertgrößte Stadt der Ukraine abgefeuert worden, teilte die ukrainische Luftwaffe auf Telegram mit.
  
  Der Luftwaffe zufolge wurden sechs Geschosse abgefangen. Die örtlichen Behörden teilten mit, bei dem Angriff seien zwei Menschen verletzt und eine Industrieanlage sowie ein Rehazentrum beschädigt worden.
  
  Interkontinentalraketen haben eine Reichweite von mehreren Tausend Kilometern, so dass ihr Einsatz gegen die Ukraine überzogen scheint. Vor dem Hintergrund der erst am Dienstag veränderten russischen Atomdoktrin könnte er jedoch eine Drohgebärde über die Ukraine hinaus sein, denn Interkontinentalraketen können Kernwaffen tragen.
  
  Nach der Ankunft nordkoreanischer Truppen in Russland, die Moskau im Kampf gegen die Ukraine unterstützen sollen, hatte die US-Regierung am vergangenen Sonntag Kiew gestattet, US-Waffen mit größerer Reichweite auch gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen. Die Ukraine hatte daraufhin am Dienstag mehrere von den USA gelieferte Raketen auf Ziele in Russland abgefeuert und startete am Mittwoch aus Großbritannien stammende Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow in Richtung Russland.
  
  Die Regierung in Moskau hat die US-Erlaubnis zum Einsatz westlicher Waffen mit größerer Reichweite gegen Ziele auf russischem Territorium als Eskalation bezeichnet. Kreml-Chef Wladimir Putin unterzeichnete die schon Wochen zuvor geänderte russische Kernwaffendoktrin, die die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen senkt.
  
  Gemäß der neuen Atomdoktrin kann Russland Kernwaffen auch einsetzen, wenn es von einem Staat ohne Atomwaffen angegriffen werde, der seinerseits von einer Atommacht unterstützt wird. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte am Donnerstag einmal mehr das Verhalten der US-Regierung wegen der Raketenschläge verantwortungslos.
  
  Russlands Armee hat bei Kursk knapp 50.000 Soldaten, unter ihnen etwa 10.000 Nordkoreaner, zu einer Gegenoffensive zusammengezogen, mit der sie die von ukrainischen Truppen seit Sommer besetzten Gebiete zurückerobern will. Die in der Nacht auf Mittwoch abgefeuerten Storm-Shadow-Raketen hätten nach Angaben des Instituts für Kriegsstudien (ISW) das Hauptquartier für die Kursk-Gegenoffensive getroffen.
  
  Die russischen Truppen setzen die ukrainischen Verteidiger in der Region Donezk weiterhin schwer unter Druck. Dort haben russische Truppen zuletzt Geländegewinne erzielt, die ukrainische Militärführung befürchtet weitere Rückschläge.
  
  Selenskyj berichtete in einer Videobotschaft zudem von weiterer Militärhilfe für sein Land. In einem von den USA bereitgestellten Rüstungspaket seien neben Drohnen, Artilleriegeschossen und Himars-Raketen auch Schützenminen enthalten. Die Minen sind nach Meinung des Pentagon ein wirksames Mittel, um das Vordringen der russischen Einheiten im Donbass zu verlangsamen. Der Einsatz der auch als Antipersonenminen bekannten Sprengwaffen ist international geächtet.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: ZDF

• Einsatz von ATACMS und Storm Shadows

  

  Die USA haben der Ukraine erstmals erlaubt, US-Kurzstreckenraketen für Angriffe auf militärische Ziele in russischem Gebiet einzusetzen. Die amerikanischen ATACMS (Army Tactical Missile System) können von mobilen Mehrfachraketenwerfern wie Himars oder MLRS abgefeuert werden. Ihre Reichweite beträgt bis zu 300 Kilometer. Nach dem Abschuss fliegen sie eine ballistische Kurve und sollen am Boden detonieren.
  
  Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warf dem US-Präsidenten am Montag vor, "Öl ins Feuer" gießen und "weitere Eskalation und Spannungen provozieren" zu wollen. Peskow verwies auf Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin im September, wonach die Genehmigung zum Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele in Russland von Moskau als Kriegseintritt der Nato-Staaten aufgefasst werden würde.
  
  Russischen Angaben zufolge kamen diese Raketen des Typs ATACMS am Dienstag erstmals bei einem Angriff auf eine Militäreinrichtung in der russischen Grenzregion Brjansk zum Einsatz. Russlands Außenminister Lawrow sagte zu dem ATACMS-Beschuss: „Wir werden dies als eine neue Phase des westlichen Krieges gegen Russland betrachten und entsprechend reagieren."
  
  Die Erlaubnis für den Einsatz weitreichender Waffen in Russland stößt auf Kritik im Umfeld des designierten US-Präsidenten Donald Trump, der sich im Wahlkampf gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach. Der Sohn Trumps, Donald Trump Jr., schrieb auf der Plattform X: „Der militärisch-industrielle Komplex scheint sicherstellen zu wollen, dass der Dritte Weltkrieg beginnt, bevor mein Vater die Chance hat, Frieden zu schaffen und Leben zu retten.“
  
  Kiew fordert bereits seit langem mit weitreichenden westlichen Waffen Ziele weit hinter der Frontlinie auch in Russland angreifen zu dürfen. Im Zentrum der Diskussion stehen mit ATACMS, Storm Shadow, Scalp und Taurus gleich vier westliche Systeme, die gezielte Angriffe auf entfernte Ziele erlauben. Die britischen Storm Shadow sind baugleich mit den französischen Scalp. Beide Systeme haben eine Reichweite von mehr als 250 Kilometern.
  
  Bei den europäischen Verbündeten begrüßten Polen und Frankreich die Entscheidung. Biden habe auf die Entsendung nordkoreanischer Truppen nach Russland und jüngste massive Raketenangriffe auf die Ukraine "in einer Sprache geantwortet, die (der russische Präsident) Wladimir Putin versteht", schrieb Polens Außenminister Radoslaw Sikorski im Onlinedienst X.
  
  Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine strikt ab, da er eine gefährliche Eskalation des Konflikts und eine mögliche Verwicklung Deutschlands in den Krieg befürchtet.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: dpa

• Was kann der Taurus?

  Der raketenförmige Taurus KEPD-350 gilt als einer der modernsten Flugkörper der Bundeswehr. Mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern müssen Piloten nicht in den feindlichen Luftraum eindringen, um den Taurus abzufeuern. Die rund fünf Meter langen, fast 1.400 Kilogramm schweren Flugkörper sind mit einem eigenen Triebwerk sowie vier unabhängigen Navigationssystemen ausgestattet. Im autonomen Tiefflug von weniger als 50 Metern können sie nur schwer von der gegnerischen Flugabwehr getroffen werden. Beim Aufschlag können nach Angaben der Bundeswehr „stark gehärtete Zielstrukturen“ wie etwa Bunkeranlagen durchbrochen werden. Dort soll dann das 480 Kilogramm schwere Sprengkopfsystem Mephisto explodieren. Das Waffensystem kommt unter anderem mit den Kampfflugzeugen Tornado und Eurofighter zum Einsatz. Während ATACMS für bodengestützte Einsätze konzipiert ist, zielen Storm Shadow, Scalp und Taurus auf strategische Luftangriffe ab.
  
  Die Taurus-Marschflugkörper haben mit 500 Kilometern eine größere Reichweite als die ATACMS. Diese Distanz von 500 Kilometern entsprechen in etwa der Entfernung von der ukrainisch-russischen Grenze bis Moskau. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt ihre Lieferung an die Ukraine ab, da er eine Eskalation des Konflikts mit Russland befürchtet.
  
  Im Interview mit dem ZDF am Rande des G20-Gipfels erklärte Scholz: „Ich fand es richtig und finde es richtig, dass wenn wir bestimmte Waffen liefern, wir das immer im Geleitzug mit anderen, Freunden und Verbündeten machen, denn ich muss ja sicherstellen, dass dieser Krieg, der gefährlich ist, keine Eskalation zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato nimmt." Weiter betonte er, „wir sind in Europa mit Abstand der größte Unterstützer der Ukraine."
  
  Die Ukraine hatte bereits im Mai 2023 offiziell um die Raketen gebeten, doch Scholz hielt an seiner Absage im Oktober fest. Der Druck auf ihn wächst jedoch, da die Grünen sowie die Oppositionsparteien Union und FDP eine Lieferung unterstützen. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck kündigte an, im Falle einer Wahl zum Kanzler Taurus an die Ukraine zu liefern.
  
  Am Rande eines EU-Ministertreffens in Brüssel betonte Verteidigungsminister Boris Pistorius, es sei legitim, dass die USA ihre Linie zur Nutzung weitreichender Waffen geändert hätten, aber der Kurswechsel der USA hat Deutschlands Haltung zu den Taurus-Raketen nicht beeinflusst, führte der SPD-Politiker weiter aus. „Wir reden bei Taurus über ein System, was sich immer noch deutlich unterscheidet von allen anderen, die in der Ukraine zum Einsatz kommen.“
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Was können ATACMS, Taurus und Co.?