Ampel in Notlage – ohne Geld, ohne Vertrauen?

Fakten-Box | 30. November 2023

• Nachtragshaushalt 2023

  

  Mit einer Reparatur auf den letzten Metern will die Bundesregierung den Haushalt des laufenden Jahres verfassungsfest machen. Das Kabinett brachte dafür am Montag einen Nachtragshaushalt auf den Weg – und leitete damit erste Schritte für die erneute Aussetzung der Schuldenbremse ein. Die Zeit drängt, denn Änderungen nach Jahresende wären angreifbar. Der Nachtragshaushalt soll daher noch vor Weihnachten im Bundestag beschlossen werden.
  
  „Mit dem Nachtragshaushalt 2023 ziehen wir die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts“, erklärte Finanzminister Christian Lindner (FDP). Es würden aber keine zusätzlichen Schulden aufgenommen, betonte er. Aus dem Finanzministerium hieß es: „Es geht um die Heilung eines Rechtsverstoßes, der eintreten würde, wenn wir jetzt nichts machen würden.“ Stimmt der Bundestag zu – und zieht die Opposition nicht erneut vor das Bundesverfassungsgericht – dürfte die Gefahr eines verfassungswidrigen Haushalts 2023 vom Tisch sein.
  
  Voraussetzung ist aber, dass der Bundestag als Gesetzgeber eine außergewöhnliche Notlage erklärt und so zum vierten Mal in Folge die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aussetzt. In den vergangenen Jahren hatte das Parlament dies zuerst mit der Corona-Krise und dann mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die deutschen Staatsfinanzen begründet. Ähnlich soll auch dieses Mal argumentiert werden: Die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges beeinträchtigten auch im Jahr 2023 die staatliche Finanzlage erheblich. Auch die Beseitigung der Flutschäden vom Sommer 2021 im Ahrtal sei immer noch eine außergewöhnliche Belastung für den Bund.
  
  Die Union kündigte an, die Begründung für die Notlage sehr sorgfältig zu prüfen und dann zu entscheiden, wie sie im Parlament abstimmt. Das Nachtragshaushaltsgesetz 2023 wird an diesem Freitag in erster Lesung beraten. Laut Gesetzentwurf sind Ausgaben in Höhe von rund 461 Milliarden Euro vorgesehen. Im Etat wurden die Ausgaben für die Einführung einer Aktienrente in Höhe von zehn Milliarden Euro gestrichen.
  
  Die Nettokreditaufnahme fällt zwar geringer aus als bisher geplant, liegt mit 27,4 Milliarden Euro aber über der nach der Schuldenregel zulässigen Höhe. Hinzukommen die geplante Kreditaufnahme im Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) in Höhe von 43,2 Milliarden Euro. Aus dem WSF werden unter anderem die Strom- und Gaspreisbremse finanziert. Zusammen ergibt das die Summe von 70,6 Milliarden Euro, mehr als die Schuldenbremse erlaubt. Deshalb haben die Ampel-Fraktionen die erneute Feststellung einer Notlage beantragt.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Regierungserklärung und Debatte

  

  In einer Regierungserklärung vor dem Bundestag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Bürgerinnen und Bürger auf die Folgen des Karlsruher Haushalts-Urteils eingestimmt. Das Urteil schaffe eine „neue Realität“, die es „schwieriger macht, wichtige und weithin geteilte Ziele für unser Land zu erreichen“, sagte Scholz am Dienstag und fügte hinzu, das Urteil habe Konsequenzen für die Haushaltspraxis „für alle gegenwärtigen und zukünftigen Regierungen, im Bund und in den Ländern.“
  
  Der Kanzler sicherte den Menschen verlässliche staatliche Leistungen zu. „In Ihrem Alltag hier und heute ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts – völlig unabhängig davon, ob Sie Kindergeld oder Bafög bekommen, eine Rente oder Wohngeld“, versprach er. Die Bundesregierung lasse niemanden allein mit den aktuellen Herausforderungen.
  
  Scholz verbürgte sich persönlich dafür, große Modernisierungsvorhaben nicht aufzugeben. Es gehe um Arbeitsplätze, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, ein gutes Leben für kommende Generationen. Mit diesen Prämissen werde der Haushalt für das kommende Jahr jetzt „mit der nötigen Ruhe und in Verantwortung für unser Land“ beraten. „Darauf können die Bürgerinnen und Bürger sich verlassen. Dafür stehe ich als Bundeskanzler“, sagte Scholz.
  
  Zugleich aber bereitete der Kanzler die Bürgerinnen und Bürger auf Sparbeschlüsse vor. Der Bundestag habe den Abschluss der Haushaltsberatungen für den Etat 2024 verschoben. „Das gibt uns Zeit, vorhandene Spielräume im Haushalt auszuloten, Schwerpunkte zu setzen und natürlich auch Ausgaben zu beschränken“, sagte Scholz. So sei es möglich, die Strom- und Gaspreisbremsen nicht wie geplant ins nächste Jahr zu verlängern, sondern zum Jahresende einzustellen, weil deutschlandweit wieder Strom- und Gas-Tarife verfügbar seien, die unterhalb der Obergrenzen der Preisbremsen lägen.
  
  Die Opposition warf dem Bundeskanzler in der anschließenden Debatte vor, klare Positionierungen zu vermeiden – etwa in der Frage, ob der Etat 2024 wieder die Regeln der Schuldenbremse einhält oder in der Frage, welche Haushaltsprioritäten die Koalition angesichts der enger werdenden Finanzspielräume setzt. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz attackierte den Kanzler scharf: „Sie sind ein Klempner der Macht. Ihnen fehlt jede Vorstellung davon, wie dieses Land sich in den nächsten Jahren weiter entwickeln soll.“ Im Vergleich zu früheren SPD-Kanzlern müsse man sagen: „Sie können es nicht.“
  
  Anders als Vertreter der Koalitionspartner FDP und Grüne hatte es der Kanzler in seiner Rede vermieden, die vom Verfassungsgericht verworfene Haushaltspraxis seiner Regierung im Nachhinein als Fehler zu bezeichnen.
  
  In der weiteren Debatte sprach sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dafür aus, die Schuldenbremse im kommenden Jahr abermals auszusetzen und zudem „grundsätzliche Korrekturen“ an der Regelung vorzunehmen, weil sie den Haushaltsspielraum zu sehr einschränke. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach sich dagegen aus und verteidigte die Schuldenbremse.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Streit über Schuldenbremse

  

  Direkt nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein Streit über die Zukunft der sogenannten Schuldenbremse entbrannt. Viele Politiker von SPD und Grünen plädieren für eine Reform, so dass der Staat für wichtige Investitionen mehr Kredite aufnehmen darf. Dann stünden Zukunftsprojekte nicht mehr auf der Kippe. Auch Ökonomen halten das für sinnvoll, sogar einzelne CDU-Ministerpräsidenten zeigten sich offen. Die FDP jedoch besteht bislang darauf, die Regelung im Grundgesetz nicht anzutasten. Für die Änderung wäre im Bundestag eine Zweidrittel-Mehrheit nötig.
  
  Die Schuldenbremse hat das Ziel, die langfristige Funktionsfähigkeit der Haushalte zu gewährleisten. Sie soll Bund und Ländern zur Erfüllung ihrer staatlichen Aufgaben einen finanziellen Spielraum sichern. Zuerst gilt der Grundsatz, dass Bund und Länder einen ausgeglichenen Haushalt ohne Einnahmen aus Krediten vorlegen müssen, damit künftige Generationen durch Schulden nicht belastet werden. Deshalb darf sich der Bund jedes Jahr maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) neu verschulden. Für die Bundesländer gilt ein Verbot für Neuverschuldungen.
  
  Es besteht aber die Möglichkeit, die Schuldenbremse bei außergewöhnlichen Umständen auszusetzen. Das Gesetz spricht von „einer von der Normallage abweichenden konjunkturelle Entwicklung“. Voraussetzung für ein Aussetzen der Schuldenbremse ist, dass der Gesetzgeber für das Haushaltsjahr eine „Notlage“ feststellt.
  
  In Deutschland wurde die Schuldenbremse 2020 und 2021 wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt. Unter anderem für Coronahilfen, um drohender Arbeitslosigkeit und dem Einbruch der Wirtschaft entgegenzutreten. 2022 wurde die Schuldenbremse ausgesetzt, um mit einem „Doppel-Wumms“ in Höhe von 200 Milliarden Euro die Folgen des Ukrainekriegs sowie die hohe Inflation abzufedern.
  
  Mit einem Nachtragshaushalt hat die Ampel-Regierung in dieser Woche entschieden, für das laufende Haushaltsjahr 2023 erneut die Schuldenbremse auszusetzen. Ob sie es auch für das kommende Jahr tun wird, ist noch nicht entschieden. CDU-Chef Friedrich Merz hat der Ampel mit einer erneuten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht, wenn sie den Haushalt 2024 wieder mit einer Notlage begründen würde.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Ende der Energiepreisbremsen

  

  Die Bundesregierung plant, die Preisbremsen für Strom und Gas zum Jahreswechsel 2023/24 auslaufen zu lassen. Das ist eine Folge des Haushalts-Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Die Energiepreisbremsen waren im März dieses Jahres eingeführt worden und galten rückwirkend auch für Januar und Februar. Sie sollten Verbraucher vor einer Überforderung durch gestiegene Energiekosten infolge des Ukraine-Kriegs bewahren.
  
  Die Energiekosten wurden für 80 Prozent des Verbrauchs von Privathaushalten gedeckelt – für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent je Kilowattstunde. Die Entlastung wurde aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) finanziert und sollte bis Ende März 2024 weiterlaufen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte den Fonds jedoch aus verfassungsrechtlichen Bedenken zum 31. Dezember geschlossen. Die nötigen Kredite für das laufende Jahr sollen nun per Nachtragshaushalt abgesichert werden.
  
  Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte in seiner Regierungserklärung das Auslaufen der Energiepreisbremsen. Es seien wieder Strom- und Gas-Tarife verfügbar, die zwar deutlich höher lägen als vor der Energiekrise, aber meist unterhalb der Obergrenzen der Preisbremsen und ebenfalls spürbar unter den Preisen im vergangenen Herbst und Winter.
  
  Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisierte das frühere Ende der Preisbremsen. Die Kehrtwende der Bundesregierung koste Verbraucher viel Geld. „Wer zum Beispiel im März dieses Jahres einen teuren Energievertrag abschließen musste, steckt auch über den Jahreswechsel hinaus in der Mindestvertragslaufzeit fest“, sagte Verbandschefin Ramona Pop. Vor allem Haushalte mit geringem Einkommen dürfen deshalb im Winter nicht in finanzielle Not geraten.
  
  Laut jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes konnten 6,6 Prozent der Deutschen nach eigener Einschätzung 2022 nicht angemessen heizen. Viele Menschen hätten sich die gestiegenen Energiepreise nicht leisten können, so die Erklärung der Wiesbadener Behörde.
  
  Bei den Preisen für Neukunden zeichnet sich unterdessen eine Entspannung ab. Diese lägen seit Monaten flächendeckend unterhalb der Preisbremsen und seien derzeit so günstig wie zuletzt im Oktober 2021, berichtete das Vergleichsportal Verivox. Gas koste derzeit im Bundesschnitt 8,4 Cent je Kilowattstunde und Strom 28,8 Cent. Allerdings sei das Preisniveau aktuell beim Gas beinahe doppelt so hoch wie vor der Krise (plus 85 Prozent), die Strompreise lägen noch rund 15 Prozent darüber.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

• Sondervermögen „Aufbauhilfe 2021“

  

  Durch den Nachtragshaushalt 2023 ist auch der Sonderfonds für die Betroffenen der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 bis zum Ende des laufenden Jahres gesichert. Im Ahrtal hatten im Juli 2021 Starkregenfälle Flüsse und Bäche anschwellen lassen: Bei den Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen kamen mehr als 180 Menschen ums Leben. An Wohngebäuden, Hausrat und Betrieben sind Sachschäden in Höhe von 8,1 Milliarden Euro entstanden.
  
  Der Aufbauhilfe-Fonds wurde 2021 als Sondervermögen des Bundes eingerichtet und mithilfe eines Ausbauhilfegesetzes abgesichert. Bund und Länder stellten bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung, um die durch Hochwasser entstandenen Schäden zu beseitigen. Dabei ging es um den Wiederaufbau von Wohnhäusern und Unternehmen, aber auch von Infrastruktur wie Straßen, Brücken und Schienen.
  
  Zwei Milliarden Euro für die Wiederherstellung der Bundes-Infrastruktur wie Autobahnen und Brücken trug der Bund allein. Die restlichen 28 Milliarden wurden hälftig zwischen Ländern und Bund geteilt. Dabei mussten die Länder ihren Anteil nicht sofort einzahlen. Vielmehr streckte der Bund das Geld vor und die Länder zahlen die Summe über einen Zeitraum von 30 Jahren ab.
  
  Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November dieses Jahres stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Frage, ob der Aufbauhilfefonds verfassungsrechtlich sicher wäre. Der Karlsruher Richterspruch beanstandete, Kredite für Nothilfen auf Vorrat zu verbuchen; die Notlage müsste jedes Haushaltsjahr neu begründet werden.
  
  Mit dem in dieser Woche vom Kabinett beschlossenen Nachtragshaushalt 2023 wird die Schuldenbremse nachträglich ausgesetzt und die Auszahlung der Aufbauhilfe für dieses Jahr rechtlich abgesichert. 1,6 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt 2023 wurden dem Aufbauhilfe-Fonds zugewiesen. Für das Jahr 2024 besteht allerdings noch keine Sicherheit, da der Haushalt 2024 aktuell noch beraten wird.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Teure Zusagen der Ampel

  

  Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat vielen politischen Vorhaben der Regierungskoalition für das kommende Jahr die Grundlage entzogen: das Geld. Derzeit ist völlig unklar, welche Zusagen für 2024 wegen Geldmangels wieder einkassiert werden müssen. Die abschließende Beratung des ursprünglichen Haushaltsgesetzes, die für diese Woche im Bundestag geplant war, wurde abgesetzt.
  
  Der Haushalt 2024 muss zwischen SPD, Grünen und FDP neu verhandelt werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte in der ZDF-Sendung „Was nun?“, es fehlten für nächstes Jahr 17 Milliarden Euro. Noch immer ist offen und umstritten, wofür die Ampel im kommenden Jahr noch Geld ausgeben kann.
  
  Lindner hat seine Kabinettskollegen auf „erhebliche Kraftanstrengungen“ eingestimmt. Vor der Aufstellung eines verfassungsfesten Haushalts für 2024 müssten intensive Diskussionen geführt werden, „die nicht immer einfach sein werden“. Der Katalog an sozial-, wirtschafts- und finanzpolitischen Vorhaben ist groß. Und die Koalitionäre warnen, Zehntausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel.
  
  Problem 1: Intel-Milliarden, Heizungsförderung – was geht noch im sogenannten Klima- und Transformationsfonds? Kritiker werfen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor, den KTF mit zu vielen Förderzusagen überbucht zu haben. In den kommenden vier Jahren sollten mit dem KTF nicht nur die Milliarden für neue Chipfabriken von Intel und TSMC gefördert werden, sondern auch der Austausch alter Öl- und Gasheizungen, die Sanierung der Bahn, der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos und viele weitere Projekte.
  
  Die Vorhaben beträfen den „wirtschaftlichen Kern Deutschlands“, warnt Habeck. Seine Träume von einer Wasserstoff-Wirtschaft stehen jetzt genauso in Frage wie der Industriestrompreis, den er vor drei Wochen in ein Strompreispaket für die deutsche Wirtschaft hineinverhandelt hat. Der Koalitionspartner FDP hat für dieses Paket eine weitere Entlastung durch eine Stromsteuersenkung durchgesetzt, die über den Kernhaushalt abgesichert ist; Habecks Industriestrompreis dagegen sollte aus dem KTF finanziert werden. Und dort klafft ein Riesenloch.
  
  Die Union schlägt vor, die Heizungsförderung rückabzuwickeln. Eine Möglichkeit wäre auch, über Steuererhöhungen mehr Einnahmen zu generieren – was aber die FDP rigoros ablehnt. In der SPD gibt es Stimmen, die Schuldenbremse auch 2024 ein weiteres Mal auszusetzen. Die Begründung einer Notlage wird jedoch von Monat zu Monat schwieriger, den sich der Gesetzgeber vom Anlass der Not zeitlich entfernt.
  
  Problem 2: Das Karlsruher Urteil betrifft nicht nur den Klimafonds, es hat über Umwege auch ein Milliardenloch in den regulären Etat gerissen. Das liegt vor allem daran, dass die Bundesregierung den Sondertopf für die staatlichen Energiepreisbremsen auflösen muss, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Die laufenden Ausgaben aus diesem Fonds müssen nun vom Kernhaushalt aufgefangen werden.
  
  Der WSF war 2022 mit Kreditermächtigungen in Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestattet worden („Doppel-Wumms“), die erst in den Folgejahren abfließen sollten. Diese Art von Buchhaltung hat das Bundesverfassungsgericht indirekt mitverurteilt, als es die Prinzipien der „Jährlichkeit“ und der „Jährigkeit“ betonte. Demnach dürfen Kreditermächtigungen nur bis zum Ende des Haushaltsjahres in Anspruch genommen werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, Schwerpunkte zu setzen und „natürlich auch Ausgaben zu beschränken“. Doch was wegfallen soll, ist offen. Die Union dagegen hat schon eine Streichliste. Darauf: Sozialleistungen wie Bürgergeld und Kindergrundsicherung. SPD-Chef Lars Klingbeil wies die Forderungen der Union zurück. „Wir müssen den Sozialstaat weiter stark halten, weil er den Menschen gerade in Zeiten der Unsicherheit auch Sicherheit gibt“, sagte Klingbeil in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Und deswegen darf da nicht die Axt angelegt werden.“
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Haushaltsgesetz 2024

  

  Die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag dieser Woche war mit Blick auf die ausstehenden Entscheidungen zur Aufstellung des Haushalts 2024 mit Spannung erwartet worden. Unternehmen, Länder und Kommunen pochen auf schnelle Klarheit, ob sie trotz der Probleme mit dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) und dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit vom Bund zugesagten Zuschüssen rechnen können.
  
  Scholz wies darauf hin, dass in den Beratungen für 2024 „Sorgfalt vor Schnelligkeit“gehe. Denn das Urteil aus Karlsruhe verändere die Haushaltspolitik in Bund und Ländern grundlegend.
  
  In der Bundestagsdebatte im Anschluss an die Regierungserklärung wurde deutlich, dass sich SPD, Grüne und FDP nicht einig sind, wie sie den Haushalt 2024 mit den Restriktionen für KTF und WSF aufstellen sollen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und seine Grünen-Kollegin Katharina Dröge sprachen sich dafür aus, mit Blick auf den Ukraine-Krieg auch für das nächste Haushaltsjahr eine Notlage zu erklären und damit der Regierung mehr finanziellen Spielraum zu geben. Dies hatte FDP-Fraktionschef Christian Dürr schon vorher abgelehnt.
  
  Scholz unterstrich, dass die laufenden Beratungen zwischen SPD, Grünen und FDP erlaubten, „vorhandene Spielräume im Haushalt auszuloten, Schwerpunkte zu setzen und natürlich auch Ausgaben zu beschränken“. Konkreter wurde der Kanzler nicht.
  
  Die Ampel-Koalition muss sich festlegen, wann der Etat für 2024 beschlossen werden soll. In diesem Jahr – was üblich wäre – bleibt nicht mehr viel Zeit. Der Bundesrat tagt regulär nur noch am 15. Dezember. Vor allem die SPD-Fraktion drängt auf einen schnellen Beschluss. Hintergrund ist, dass Mittelkürzungen für Sozialverbände und andere Gruppen mit dem Etatbeschluss zurückgenommen werden sollten – ohne Beschluss müssten diese Organisation zum Jahreswechsel möglicherweise Mitarbeiter entlassen, warnte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
  
  Liegt zu Jahresbeginn kein Bundeshaushalt vor, greift die sogenannte „vorläufige Haushaltsführung“. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien jedoch bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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