Software-Updates sollen Autos sauberer machen. Ein neuer Test stellt das in Frage. Der britische Mess-Spezialist "Emissions Analytics" sagt: "Update ist Kosmetik". Das Bundesverkehrsministerium dagegen nennt die Ergebnisse unserer Untersuchung "nicht nachvollziehbar".
Auf Druck der Bundesregierung versprach die deutsche Autoindustrie im August 2017 auf dem nationalen Dieselgipfel, für bessere Luft in den Städten zu sorgen, um Fahrverbote zu verhindern. Eine der versprochenen Maßnahmen: freiwillige Software-Updates. Die will Daimler bei drei Millionen Dieselautos aufspielen und damit die Stickoxidemissionen um 25 bis 30 Prozent senken, so der Autobauer aus Stuttgart.
Abgasmessung mit überraschendem Ergebnis
Jetzt hat Frontal21 Abgasmessungen begleitet, die in Frage stellen, ob das Update die Stickoxidemissionen überhaupt senkt. "Emissions Analytics" testete einen Mercedes C220 CDI (Euro 5) vor und nach dem Software-Update, das in einer Mercedes-Vertragswerkstatt durchgeführt wurde. Die Teststrecke führte über mehr als 50 Kilometer durch Stuttgart, ohne nennenswerte Steigungen, im fließenden Verkehr, immer wieder an der Daimler-Konzernzentrale im Neckartal vorbei.
Vor dem Update blies der Mercedes 715 mg/km Stickoxide in die Luft, das Vierfache des gesetzlichen Grenzwertes für Euro 5 Dieselautos (180 mg/km). Nach dem Update lag der Durchschnittswert bei 764 mg/km. "Das Update verbessert die NOx-Emissionen nicht, es verschlechtert sie", so das Fazit von Nick Molden, dem Geschäftsführer von "Emissions Analytics".
Kein Kommentar von Daimler
Fragen hierzu wollte Daimler nicht beantworten, und bat um Herausgabe des Testfahrzeugs sowie um die Rohdaten der Abgasmessung. Damit konnte das ZDF nicht weiterhelfen, verwies Daimler an "Emissions Analytics", die im Besitz der Rohdaten sind. Das britische Unternehmen hat bereits über 2.000 Abgastests durchgeführt und gilt als kompetent.
Das Verkehrsministerium erklärte auf Anfrage: "Die Ergebnisse von Emissions Analytics können nicht nachvollzogen werden", und verweist darauf, dass bei "Messungen und Prüfungen des Kraftfahrtbundesamtes" bei vergleichbaren Modellen eine "deutliche Reduktion der NOx-Emissionen" festgestellt worden sei.
Dritter Abgastest soll Klarheit schaffen
Lagen die höheren NOx-Emissionen nach dem Update vielleicht an den niedrigeren Außentemperaturen? Die lagen bei der Abgasmessung vor dem Update bei 12°C, nach dem Update bei 6°C. Niedrigere Temperaturen hatten die Autobauer in der Vergangenheit als Begründung für höhere Emissionen angeführt, weil an kalten Tagen der Motor vor Beschädigung zu schützen sei.
Also begleitet Frontal21 eine weitere Abgasmessung, bei ebenfalls 12°C Außentemperatur, und lädt dieses Mal Daimler zur der Abgasmessung ein. Daimler lehnt das Angebot ab. Wieder fährt der gleiche Mercedes die gleiche Strecke mehr als 50 Kilometer durch den Stadtverkehr, immer wieder an der Daimler-Konzernzentrale vorbei, und wieder misst "Emissions Analytics" die Schadstoffe während der Fahrt. Das ernüchternde Ergebnis: Dieses Mal sind es 792 mg/km NOx, elf Prozent mehr als vor dem Update, das 4,4-fache des gesetzlichen Grenzwertes.
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Ein Software Update mit amtlichem Segen
Das Update für den Mercedes ist vom Kraftfahrtbundesamt, KBA, geprüft und genehmigt worden. Den Prüfbericht gibt das Amt auf Nachfrage von Frontal21 nicht heraus. Nach Einschätzung des Rechtsexperten Professor Martin Führ von der Hochschule Darmstadt hätte das Update nicht genehmigt werden dürfen. Die höchsten Gerichte, darunter der Bundesgerichtshof und das Europäische Gericht, hätten festgestellt, dass die Grenzwerte im Straßenbetrieb einzuhalten sind. Führ: "Das Kraftfahrtbundesamt ist an Recht und Gesetz gebunden. Indem es sich über die Interpretation der Obergerichte hinwegsetzt, verstößt es gegen diese Bindung." Damit handele das KBA zugunsten der Fahrzeughersteller und zulasten der menschlichen Gesundheit und der Umwelt.
Fest steht: Der Mercedes C220 CDI ist nach dem Update nicht sauberer als zuvor. Stefan Carstens ist der Besitzer, und er ist ernüchtert: "Der Fahrzeugwert wird massiv nach unten gehen", befürchtet der Unternehmer. Er wird den Mercedes verkaufen. Das neue Auto hat er schon bestellt. Es ist kein Mercedes.
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