In großangelegten Werbekampagnen von Handel und Industrie sind sexistische Motive immer weniger zu finden. Dagegen werben Handwerksfirmen und kleinere Dienstleistungsunternehmen immer aggressiver mit geschlechtsdiskriminierenden Bildern und Slogans. „Werf‘ deine Alte raus“, heißt es bei einem Sanitärunternehmen, das eine halbnackte Blondine in der neuen Badewanne zeigt. Ein anderes Beispiel: Eine Frau mit gespreizten Beinen auf dem Auto einer Rohrreinigungsfirma mit dem Werbespruch: „Wir kommen überall durch“.
Rund 5000 solcher Beispiele hat die Frauenrechtsorganisation Pinkstinks im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über zwei Jahre hinweg gesammelt und bewertet. Das „Monitoring sexistischer Werbung“ hat die Hamburger Organisation im September 2019 vorgelegt. Doch fast ein Jahr danach habe Pinkstinks keinerlei Reaktion erhalten von Seiten des Ministeriums.
Desinteresse im Bundesministerium
„Das sind 400.000 Euro, die uns gegeben wurden für zwei Jahre, um die Studie zu machen", erklärt Stevie Schmiedel, Geschäftsführerin von Pinkstinks. "Und jetzt interessiert sie niemanden. Wir haben überhaupt keine Rückmeldung von den PolitikerInnen bekommen, die letztendlich die Studie beauftragt haben. Das ist eigentlich nicht fair, den SteuerzahlerInnen gegenüber“, beklagt sie.
Auch die Wirtschaftsjuristin Susanne Engelsing, Professorin an der Hochschule Konstanz, bedauert, „gegen frauenfeindliche Werbung wird zu wenig getan". Sie fordert schärfere Gesetze, weil die Selbstkontrolle der Werbewirtschaft durch den Deutschen Werberat leider nicht funktioniere. „Der Deutsche Werberat ist selbst Partei und hat die alleinige Deutungshoheit über das, was menschenverachtende Werbung ist", so Engelsing. "Man darf es aber nicht in den Händen der Werbewirtschaft lassen, sondern es müssen Gerichte eingeschaltet werden können.“
Kritiker fordern Gesetzesreform
Die Rügen durch den Deutschen Werberat hätten allenfalls Prangerwirkung. Sexistische Werbung könne so aber nicht verhindert werden, denn viele gerügte Unternehmen machen unbeeindruckt weiter mit ihren Provokationen und Tabubrüchen, weil sie meist auch keine Bußgelder zu fürchten haben. Professorin Engelsing fordert, so wie Pinkstinks, eine Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb: „Der Begriff menschenverachtende Werbung müsste ausdrücklich aufgenommen werden in den Gesetzeswortlaut. Denn so könnte man als RichterIn sich die Frage stellen, ob die konkrete Werbung den Menschen degradiert zu einem bloßen Objekt, der jederzeit sexuell verfügbar ist.“
Weder der Deutsche Werberat noch die Bundesregierung sehen Handlungsbedarf für eine Gesetzesverschärfung. In einer E-Mail an Frontal21 heißt es, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „sieht hier auch die Wirtschaft in der Pflicht, sich dem Thema zu stellen. Sexismus muss als das bezeichnet werden, was es ist: nämlich eine Form von Gewalt.“ Also weiterhin Selbstkontrolle der Werbewirtschaft, die den Sexismus in der Werbung bisher nicht verhindern konnte.