Im Interview mit Frontal 21 sagte der Zeuge, die späteren NSU-Terroristen hätten unter den Decknamen „Jörg“ und „Guido“ zwischen November 2001 bis März 2002 gemeinsam mit ihm auf einer Baustelle am Dortmunder Stadthaus gearbeitet. Auch habe er gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt in dieser Zeit in einer Pension in Dortmund gewohnt. Aus ihrer rechtsextremen Gesinnung hätten die beiden kein Geheimnis gemacht. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte den Bauarbeiter F.S. (Name ist Redaktion bekannt) im Frühjahr 2012 befragt und seine Angaben für „glaubhaft“ befunden. Gegenüber Frontal 21 äußerte der Zeuge jetzt, dass seine damaligen Arbeitskollegen Besuch von einer Freundin bekamen, die F.S. anhand von Fotos als Beate Zschäpe identifizierte.
Baustelle in der Nähe des späteren Anschlagsortes
Bislang kann Zschäpes Anwesenheit an keinem der Tatorte des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) nachgewiesen werden. In Dortmund ermordete der NSU am 4. April 2006 sein achtes Opfer, den Kioskbesitzer Mehmet Kubaşik. „Wenn es einen Zeugen gibt, der sagt, Beate Zschäpe war in Dortmund, dann ist dem auf jeden Fall nachzugehen“, fordert Antonia von der Behrens, die die Angehörigen Kubaşiks im Münchner NSU-Verfahren als Nebenklägerin vertritt.
Baustelle und Pension befinden sich in der Nähe des späteren Tatortes in der Mallinckrodtstraße und mehrerer Ausspähziele des NSU in Dortmund. Das Terrortrio hatte vor dem Mord an Kubaşik Büros und Geschäfte ausgekundschaftet und sie auf Dortmunder Stadtplänen als mögliche Anschlagsziele markiert. Darunter befanden sich Parteibüros von CDU und SPD sowie mehrere türkische Geschäfte. Das geht aus Akten zum NSU-Komplex hervor, die der Redaktion vorliegen. Bislang ist ungeklärt, ob die Mörder Kubaşiks und neun weiterer Personen ihre Anschlagsziele mit oder ohne ortskundige Helfer ausspähten. Die mögliche Anwesenheit des NSU-Trios in Dortmund lange vor der Tat könnte für die Ermittlungen von erheblicher Bedeutung sein: „Das könnte erklären, warum es so intensive Ausspähnotizen in Dortmund gibt“, sagte Anwältin von der Behrens.
Ermittler verfolgten Spur nicht weiter
Clemens Binninger (CDU), der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, hält es für möglich, dass Mundlos und Böhnhardt als Bauarbeiter tätig waren, obwohl zu dieser Zeit nach ihnen gefahndet wurde und sie in konspirativen Wohnungen lebten. „Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sie sich an verschiedenen Orten in Deutschland aufgehalten haben und vielleicht auch immer wieder temporär in solchen Firmen mitarbeiteten“, sagte Binninger.
Der Montagebau-Unternehmer Peter S. hatte schon im Frühjahr 2012 gegenüber dem BKA bestätigt, dass er 2001/2002 Arbeitgeber des Dortmunder Zeugen F.S. und zweier Männer gewesen sei. In den Polizeiakten wird Peter S. zitiert: „Der Guido und der Jörg hätten schon eine große Ähnlichkeit mit den beiden Personen Mundlos und Böhnhardt aus der Thüringer Zelle. Es seien eben Glatzköpfe gewesen.“ Die Ermittler verfolgten die Spur dennoch nicht weiter. Peter S. wurde nur am Telefon befragt. Petra Pau, Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss kritisiert: „Ich halte das für einen großen Fehler, dass man hier keine Zeugenvernehmung bei diesem Unternehmer und weiteren Beschäftigten vorgenommen hat.“
Reaktion der Bundesanwaltschaft
Auch Nebenklagevertreterin von der Behrens wirft den Ermittlern vor, den Zeugen Peter S. nicht vernommen und ihm keine Lichtbilder der Verdächtigen vorgelegt zu haben. Dieses Verhalten sei typisch für die Bundesanwaltschaft: „Bestimmten Spuren, denen man nicht nachgehen möchte, denen geht man auf diese ganz oberflächliche Art und Weise nach."
Die Bundesanwaltschaft erklärte auf Nachfrage der Redaktion, der Zeuge F.S. sei für glaubwürdig befunden worden, seine Hinweise hätten aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit erhärtet werden können. Eine Aussage zur Anwesenheit Zschäpes in Dortmund sei der Bundesanwaltschaft bisher nicht bekannt.