Strafe bitte mal innovativ denken | Terra-X-Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Strafe bitte mal innovativ denken

    von Jens Foell
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    Gefängnisse sind teuer und oft nicht das beste Mittel zur Resozialisierung nach einer Straftat. Es muss doch möglich sein, auch Bestrafung modern und technisch zu bewerkstelligen.


    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Jens Foell

    Der Strafvollzug stand in der Corona-Pandemie vor einem bekannten Problem: "Gefängnisse sind in keiner Weise darauf vorbereitet, mit Covid-19 umzugehen" - so titelte das Journal "The Lancet". Das ähnelt stark einem Gesundheitsbericht aus einem US-Gefängnis, der fast auf den Tag genau 101 Jahre zuvor während einer anderen Pandemie veröffentlicht wurde: der sogenannten Spanischen Grippe.

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Viel Innovation, aber kaum für Strafgefangene

    Aber selbst ohne Pandemie hat die weite Verbreitung von Gefängnisstrafen starke Nachteile: Gefängnisse sind teuer und viele bezweifeln, dass Straftäter sinnvoll resozialisiert werden können, wenn sie mit vielen anderen Kriminellen am selben Ort festgehalten werden - und das noch ohne die Möglichkeit, eine Arbeit zu suchen oder sich um ihre Familien zu kümmern.
    In den letzten 101 Jahren haben wir Entwicklungen von Smartphones und Mikrowellen bis hin zu Mondlandefähren beobachtet, aber für Strafgefangene haben wir immer noch keine andere Möglichkeit als den Knast?
    Bis zu 280 Gefangene sitzen in der JSA Arnstadt ein. In der täglichen Freistunde haben sie die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen.
    Sie sind jung, männlich und kriminell - die 280 Gefangenen der Jugendstrafanstalt Arnstadt in Thüringen, Deutschlands modernstem Jugendknast. ZDFinfo zeigt ihr Leben hinter Gittern.24.08.2020 | 44:58 min

    Häufiger mit Bewährung und Sozialstunden agieren

    Doch, sagen manche. Zum Beispiel wird argumentiert, dass Alternativen wie Bewährungsstrafen oder Sozialstunden in vielen Fällen besser funktionieren als Inhaftierung und daher häufiger angewendet werden sollten.
    Und es gibt auch andere innovative Ansätze: In einem Paper aus den USA argumentieren drei Jurist*innen, dass es längst Zeit sei, über elektronische Alternativen zum Gefängnis nachzudenken.
    Eric im Gefängnis
    Wie fühlt es sich an, eingesperrt zu sein? Eric Mayer verbringt einen Tag in der Jugendstrafvollzugsanstalt Neustrelitz.24.05.2023 | 9:12 min

    Elektronische Fußfesseln als Lösung?

    In manchen Fällen gibt es sie schon: Bei Straftäter*innen, die als ungefährlich angesehen werden, werden manchmal elektronische Fußfesseln verwendet. Diese setzen einen Notruf an die Polizei ab, wenn sich die Person aus einem zuvor festgelegten Bereich entfernt oder versucht, die Fessel abzulegen.
    Die Vorteile dieser Technologie liegen auf der Hand: Straftäter können nahezu normal leben, zur Arbeit gehen, sich um ihre Familie kümmern - alles Dinge, die eine Resozialisierung begünstigen.
    Aber bei dem Gedanken, diese Technik für einen größeren Teil der Gefangenenpopulation einzusetzen, fallen potenzielle Nachteile auf: Was, wenn ein Träger die Fessel ablegt und verschwindet, bevor die Polizei vor Ort sein kann? Was, wenn innerhalb des festgelegten Raums weitere Verbrechen begangen werden?

    Ein Sensor-Gurt als neue Technologie

    Ein Lösungsansatz ist, die Technologie auszuweiten auf ein Gerät, das die Verhaltensweisen des Gefangenen pausenlos erfasst und in Echtzeit auswertet: keine Fußfessel, sondern eine Art nicht abnehmbarer Sensor-Gurt. So ähnlich wie eine Smartwatch erkennen kann, ob man vom Fahrrad gefallen ist, könnte dieses Gerät die Polizei alarmieren, wenn die erfassten Signale als verbrecherisches Verhalten interpretiert werden.
    Und es gäbe noch weitere technische Möglichkeiten: Bei gefährlicheren Gefangenen könnte der Gurt Alarm schlagen, wenn ein Gegenstand benutzt wird, der nicht vorher als eindeutig harmlos im System registriert wurde. Auch zu schnelles Rennen könnte die Polizei alarmieren. Im Ernstfall könnte ein solches Gerät Träger*innen sogar mittels Elektroschocks kurzzeitig außer Gefecht setzen, um ein rechtzeitiges Eintreffen der Polizei zu ermöglichen, falls tatsächlich verbrecherisches Verhalten detektiert wird.
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    Rechtslage ist bislang ungeklärt

    Natürlich wirft das allerhand Fragen auf. Selbst wenn die Technik gelöst ist, müssen Ethik und Rechtslage durchgesprochen werden. Und vielleicht wird es nie so sein, dass - wie es die Autor*innen voraussehen - die Gefängnispopulation um mehr als 90 Prozent reduziert werden kann.
    Aber wir sind es unserer Gesellschaft schuldig, zumindest einmal ernsthaft darüber nachzudenken. Sonst wird in noch einmal 101 Jahren vielleicht wieder der exakt gleiche Bericht erscheinen müssen. Und das wäre schon etwas peinlich.
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    ... ist promovierter Neuropsychologe, Bestsellerautor und Redakteur bei MAITHINK X. Seine Leidenschaft gilt der Vermittlung von Wissenschaft durch Forschende. Zu diesem Zweck gründete er den beliebten Twitter-Account "Real Scientists DE" und gibt regelmäßig Seminare und Vorträge zum Thema.

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