Urteil im Steuerstreit: EU-Kommission verliert gegen Amazon

    Urteil im Steuerstreit:EU-Kommission unterliegt gegen Amazon

    Frank Bethmann
    von Frank Bethmann
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    Im Steuerstreit urteilt der EuGH: Die Nachforderung der EU-Kommission über 250 Millionen Euro von Amazon ist nicht rechtens. Das Gericht kritisiert Rechtsformfehler.

    Mit dem Recht ist das so eine Sache. Gefühlt im Recht zu sein, heißt nicht, es auch zu bekommen. Die EU-Kommission macht diese Erfahrung mit Amazon nicht zum ersten Mal. In ähnlichen Steuerstreitigkeiten hatte sie zuvor bereits gegen Fiat und die Engie-Gruppe, hinter der der Gasversorger Gaz de France und der Mischkonzern Suez stehen, den Kürzeren gezogen.
    In allen Fällen hat die EU-Kommission dagegen geklagt, dass die Konzerne von Luxemburg unerlaubte Steuervorteile erhalten hätten. In der Causa Amazon hatte die Brüsseler Behörde sogenannte Steuervorbescheide, die das Großherzogtum Amazon ausgestellt hatte, als unzulässige Beihilfe gewertet und Steuernachzahlungen für die Jahre 2006 bis 2014 in Höhe von 250 Millionen Euro gefordert.

    EU-Kommission: Amazon hat Bemessungsgrundlage für Steuern kleingerechnet

    Luxemburg steht seit Jahren in der Kritik, internationale Konzerne durch begünstigende Steuervereinbarungen ins Land zu locken. In Steuervorbescheiden gibt der luxemburgische Staat den Unternehmen Zusagen über die steuerliche Bewertung bestimmter Sachverhalte, etwa ins Ausland abfließende Lizenzgebühren.
    Die EU-Kommission argumentierte, so sei die Bemessungsgrundlage für Steuern kleingerechnet worden, fast drei Viertel von Amazons Gewinn seien nicht besteuert worden.

    Luxemburg und Amazon weisen Vorwürfe zurück

    Luxemburg weist die Vorwürfe stets zurück, Amazon selbstredend auch. Der US-Handelsriese gilt als einer der weltweit größten Steuervermeider; beschäftigt offenbar ein Heer von Spezialisten, die über nichts anderes grübeln als über Möglichkeiten, Steuern zu vermeiden und Geschäftsergebnisse zu maximieren.
    Die Steuerstrategie Amazons in Europa dürfte grob vereinfacht so lauten, dass man Gewinne möglichst in Ländern anfallen lässt, wo sie niedrig oder gar nicht besteuert werden. Das Instrument dafür sind in erster Linie Verrechnungen von Lizenzgebühren zwischen den verschiedenen zum Konzern gehörenden Tochterfirmen für die Nutzung der Marke Amazon. Wie das aber genau geschieht, ist unklar.

    EuGH kritisiert: EU-Kommission hat Fehler gemacht

    Dass Amazon in europäischen Ländern trotz Milliardengewinnen überhaupt keine Steuern bezahlt, stimmt nicht. Wahr aber ist, dass der US-Konzern sehr geschickt darin ist, die erlaubten, wenn auch verpönten Vorteile in den internationalen Steuergesetzen für sich zu nutzen.
    Dass die EU-Kommission nun aber mit ihrer Argumentation scheiterte, begründen die Richter am Europäischen Gerichtshof unter anderem damit, dass die Kommission das falsche Rechtssystem zugrunde gelegt habe. So habe man für die Ermittlung einer angemessenen Höhe der Lizenzgebühr fälschlicherweise nicht das luxemburgische Recht zugrunde gelegt, sondern die im Großherzogtum damals noch nicht gültigen Richtlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Luxemburg hatte seine Regeln erst später an die OECD-Standards angepasst.
    EU: Schärfere Regeln für Internet-Riesen
    Seit dem 02.05.23 gilt der "Digital Markets Act" in der EU: Internet-Riesen und Hightech-Giganten wie Google, Amazon und Co. dürfen ab sofort ihre eigenen Dienste und Produkte nicht mehr vorrangig platzieren.02.05.2023 | 2:27 min

    Steuerexpertin: "Frühes Weihnachtsgeschenk für Amazon"

    Ein vermeidbarer Rechtsfehler also, der möglicherweise ein anderes Urteil verhindert hat. Denn der Ansatz, zu klären, wie hoch Lizenzgebühren sein dürfen, war richtig. Schließlich sind Gebühren Kosten, die den zu versteuernden Gewinn drücken. Das Prinzip also simpel: Je höher die Gebühren, desto geringer der Überschuss.
    In einer ersten Reaktion auf das EuGH-Urteil bezeichnet Oxfam-Steuerexpertin Chiara Putaturo die Entscheidung als ein "frühes Weihnachtsgeschenk für Amazon". Der US-Onlineriese zeigte sich dagegen zufrieden. Das Urteil bestätige, dass Amazon die geltenden Gesetze befolgt und keine Sonderbehandlung bekommen habe, erklärte das Unternehmen.

    Schätzung: Großkonzerne vermeiden jährlich Steuerabgaben von 500 Milliarden Dollar

    Durch das Verschieben von Verlusten, Investitionen und Gebühren schätzen Ökonomen, dass Großkonzerne jährlich Steuerabgaben in Höhe von 500 Milliarden Dollar vermeiden. Zu denen, die solche Vermeidungsmodelle besonders perfektioniert haben, zählt neben Amazon auch Apple sowie die Mutterkonzerne von Google und Facebook, Alphabet und Meta.
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