Zu viel für schwache Leitungen:Solarenergie bringt Stromnetz ans Limit
von Oliver Klein
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Viele Stromleitungen in Deutschland sind für die riesigen Mengen an Solarstrom nicht ausgelegt - mittelgroße Anlagen können teils nicht ans Netz gehen. Das Problem verschärft sich.
Solarenergie bringt vielerorts die Verteilernetze mehr und mehr an die Belastungsgrenze - für so große Strommengen waren sie bisher nicht ausgelegt.
Quelle: dpa
Die Stromnetze in Deutschland stehen mehr und mehr vor einer Belastungsprobe: Einerseits wird immer mehr Strom verbraucht, etwa durch Wärmepumpen oder Ladesstationen für Elektroautos. Gleichzeitig wird durch private Photovoltaikanlagen auch immer mehr Strom massenweise dezentral produziert. Folge: Die Verteilnetze, beispielsweise die Stromleitungen, die auf den letzten Metern die Haushalte versorgen, sind für die immer größeren Strommengen häufig einfach zu dünn.
Beispiel Thüringen:
So bringt es Martin Schreiber vom Enervieversorger Thüringer Energie AG (TEAG) auf den Punkt.
20.000 neue Solaranlagen in Bayern - jeden Monat
Vor allem private Solaranlagen stellen die Netzbetreiber vor Herausforderungen: Die Zahl der Anträge für den Anschluss von Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung bis 30 Kilowatt verdoppele sich in Thüringen zurzeit jedes Jahr, so Schreiber. Konsequenz: Wer dort eine solche Solaranlage anschließen möchte, müsse im Schnitt ein halbes Jahr warten - so lange dauert es, bis überprüft ist, ob das Stromnetz vor Ort für die Installation geeignet ist.
Das Übertragungsnetz ist der Teil des Stromnetzes, der große Strommengen über weite Entfernungen leitet. Der Transport erfolgt auf der Hoch- und Höchstspannungsebene mit 220 beziehungsweise 380 Kilovolt. Von den Kraftwerken und Stromerzeugungsanlagen wird elektrische Energie zu den regionalen Verteilernetzen geleitet. Für die Stabilität verantwortlich sind die Übertragungsnetzbetreiber. In Deutschland sind das: 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW.
Weiterverteilt wird der Strom dann über die Verteilnetze. Diese gibt es in drei Varianten: Die Hochspannungsebene, die Mittelspannungsebene und die Niederspannungsebene. Mit dem Stromnetz der niedrigsten Spannungsebene werden die Endverbraucher - also die einzelnen Haushalte oder kleinere Gewerbe - an die Netze der höheren Spannungsebenen angebunden und mit Elektrizität versorgt.
"Es ist der Wahnsinn, was derzeit an Anträgen reinkommt", sagt auch Detlef Fischer, Chef des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft. Rund 20.000 neue Photovoltaik-Anlagen würden bei den Netzbetreibern in Bayern angemeldet - jeden Monat. Bei kleineren Anlagen auf Gebäuden sei der Anschluss regelmäßig möglich. Doch bei Anlagen mit höherer Leistung kann es mitunter schon mal Probleme geben:
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Netzbetreiber stehen vor riesiger Aufgabe
"Viele Anlagenbetreiber meinen, sie können jederzeit Strom ins Netz verkaufen", so Fischer. "Aber das ist wie beim Bäcker: Wenn es in einem Dorf schon zwei Bäckereien gibt, die alle Leute mit Brötchen versorgen - dann kann nicht noch ein dritter Bäcker dazu kommen und meinen, er bekommt auch alle Brötchen zu Top-Preisen weg. Die Leute können halt pro Person nur zwei Frühstücksbrötchen essen."
Die Bundesnetzagentur kennt das Problem: "Richtig ist, dass es bereits heute und auch in Zukunft vorkommen kann, dass die Kapazität einzelner Netzelemente nicht ausreichend ist, um zu jedem Zeitpunkt die volle Einspeisung einzelner PV-Anlagen aufzunehmen", schreibt die Behörde auf Anfrage von ZDFheute. Die Aufgaben, die die Netzbetreiber beim Ausbau des Stromnetzes zu bewältigen haben, sind jetzt schon riesig - und werden noch größer, weil auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien rapide voranschreitet.
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Fachkräftemangel verschärft Problem
Der Gesetzgeber schreibt den Netzbetreibern vor, bis Ende 2024 konkrete Netzausbaupläne vorzulegen. Eine Herkules-Aufgabe, die nicht nur aufwändig, sondern vor allem auch teuer ist: Allein die Thüringer TEAG-Gruppe investierte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben über 60 Millionen Euro in den Ausbau der Stromnetze, kämpft gleichzeitig gegen Fachkräftemangel und Preisanstiege: "Die für uns tätigen Baufirmen und Dienstleister sind bereits vollständig ausgelastet und haben mangels geeigneter Fachkräfte auch keine Möglichkeit, ihr Bauvolumen auszuweiten", erklärt Martin Schreiber.
Auch für den Energiekonzern E.on bedeutet der Ausbau eine Kraftanstrengung: Bis 2030 seien voraussichtlich fast drei Millionen neue Photovoltaikanlagen an deutsche E.on-Verteilnetze anzuschließen, dazu mindestsens 2.000 neue Windkraftanlagen, erklärt Pressesprecher Marvin Macke.
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