Der Trainingsanzug - Wie Menschen in Kambodscha dafür zahlen
Trainingsanzug aus Kambodscha:Der wahre Preis für den sportlichen Look
von Anna Fein
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Der Trainingsanzug: früher eine olle Sportklamotte, heute coole Straßenmode. Produziert werden die Jogger oft in Kambodscha. Doch wer aufbegehrt, riskiert seinen Job.
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Akkordarbeit in der Produktion in Kambodscha
Eines der wichtigsten Zuliefererländer ist Kambodscha. Die Textilindustrie in dem Land ist riesig. Rund 800.000 Menschen arbeiten in dem Sektor, drei Viertel davon sind Frauen. Viele Fabriken produzieren Sportkleidung für die großen Marken.
Nach langer Suche öffnet eine davon ihre Türen. Etwa 200.000 Kleidungsstücke werden hier im Monat genäht, rund 1.000 Beschäftigte arbeiten im Akkord. Die Arbeitsbedingungen seien gut, meint der Fabrikleiter:
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Arbeiter machen Überstunden für mehr Gehalt
Aber längst nicht alle Beschäftigten in den Textilfabriken sind glücklich. Die Fabrikarbeiterin Yorn, die nur ihren Vornamen nennen will, näht jeden Tag die Ärmel von T-Shirts. 70 Stück muss sie am Tag schaffen.
Wie in sehr vielen Fabriken in Kambodscha bekommt auch Yorn den gesetzlichen Mindestlohn - umgerechnet etwa 200 Euro im Monat. Doch zum Leben reicht das Geld vorne und hinten nicht, erzählt sie: "Das Frühstück lasse ich weg, damit spare ich etwa 50 Cent am Tag. Ich esse dann erst mittags und am Abend."
Kambodscha ist in der Textilindustrie eines der wichtigsten Zuliefererländer. Der gesetzliche Mindestlohn für die Arbeiter beträgt umgerechnet 200 Euro im Monat.
Quelle: ZDF
Viele Menschen in Kambodscha durch Mikrokredite verschuldet
Um ihr Gehalt aufzustocken, macht sie Überstunden. Sechs Tage die Woche, zehn Stunden am Tag sitzt sie an der Nähmaschine. Etwa zwei Euro extra bekommt sie dafür täglich.
Yorn ist kein Einzelfall. Weil viele Menschen in Kambodscha kaum über die Runden kommen, müssen sie Mikrokredite aufnehmen. In kaum einem vergleichbaren Land der Welt sind so viele Menschen durch Mikrokredite verschuldet wie in Kambodscha. Das betrifft vor allem die Beschäftigten im Textilsektor. Umfragen von Nichtregierungsorganisationen zufolge haben mehr als 90 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken einen Mikrokredit aufgenommen. Die Corona-Pandemie hat die Situation noch verschärft.
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Wer aufbegehrt, riskiert seinen Job
Der einzige Weg, etwas an den Arbeitsbedingungen im Land zu ändern, sei die Gründung von unabhängigen Gewerkschaften, meint Tola Moeun von der Nichtregierungsorganisation Central: "Nur so haben sie einen Hebel, um mit den Arbeitgebern zu verhandeln."
Doch das sei riskant, denn wer eine Gewerkschaft aufbauen wolle, müsse den Arbeitgeber informieren und eine Liste mit den Namen der Gründungsmitglieder einreichen. "Wenn die Arbeitgeber die Namen sehen, dann beenden sie einfach die Verträge", erläutert Moeun.
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Das musste auch die Fabrikarbeiterin Rudh erfahren. Gemeinsam mit anderen wollte sie eine unabhängige Gewerkschaft gründen, um die Arbeitsbedingungen in der Fabrik zu verbessern, zum Beispiel durch weniger Überstunden. Daraufhin sei sie von Seiten der Fabrikleitung unter Druck gesetzt und eingeschüchtert worden. "Sie kamen zu unserem Haus, um uns zu überwachen und zu bedrohen," erzählt sie. Als sie mit der Gewerkschaftsgründung weitermachten, wurden sie gefeuert.
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Quelle: ZDF
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