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Schuldenfalle Mikrokredit:"Das ist völlig aus dem Ruder gelaufen"
von Sarah Fehrmann
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Der einstige Hoffnungsträger Mikrokredit sollte in Entwicklungsländern die Armut bekämpfen, steht aber heute stark in der Kritik. Was läuft falsch – und wie ginge es besser?
In Entwicklungsländern wie Thailand sollten die Mikrokredite den Menschen helfen
Quelle: ap
Die Erwartungen waren groß: Mikrokredite, also Kleinstkredite, die Menschen in Entwicklungsländern den Aufbau eines Gewerbes ermöglichen sollen, galten als vielversprechendes Mittel zur Armutsbekämpfung.
Als Muhammad Yunus, der "Banker der Armen" und Gründer der Grameen Bank für Mikrofinanzierung in Bangladesch, 2006 für seine Arbeit den Friedensnobelpreis erhielt, war für viele klar: Das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe würde viele aus der Armut befreien.
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Wucherzinsen, Landverluste und Verzweiflung
Bald zwei Jahrzehnte später häuft sich die Kritik an dem Konzept: zu hohe Zinsen, Überschuldung, Verlust von Land zum Schuldenausgleich. So auch in Kambodscha, dem Land, das mit Mikrokrediten geradezu übersättigt ist.
Während einige sich mithilfe von Mikrokrediten eine wirtschaftliche Existenz aufbauen können, um sich ein besseres Leben zu ermöglichen, bekommen andere ihre Kredite an der Haustür aufgeschwatzt - oft viel zu hoch, um sie jemals zurückzahlen zu können.
Viele Eltern könnten aufgrund der Schulden ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken und müssten an den Mahlzeiten sparen, sagt Mathias Pfeifer von der Menschenrechtsorganisation FIAN. Manche treibe die Überschuldung gar bis in den Selbstmord.
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Mikrokredite richtig vergeben
Geht das nicht anders? Können Mikrokredite - richtig eingesetzt - Menschen aus der Armut helfen, ohne andere in die Schuldenfalle zu locken? Professor Frank Bliss, entwicklungspolitischer Gutachter für das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF), meint: "Das ist in Kambodscha völlig aus dem Ruder gelaufen." Er sieht bei der Nutzung von Mikrokrediten aber auch noch viel Luft nach oben.
Es brauche mehr Feingefühl bei der Kreditvergabe, so Bliss. Viele Kreditgeber prüften nur, ob die Person, die einen Kredit in Anspruch nehmen möchte, Land besitzt. Im Fall einer Überschuldung wird dieses dann zum Schuldenausgleich vom Kreditinstitut beschlagnahmt. Damit bestehe oftmals kein Anreiz, Kredite nur dann zu vergeben, wenn sie mit realistischer Wahrscheinlichkeit wieder zurückgezahlt werden können.
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Eine mögliche Lösung laut Pfeifer: das Verbot von Landverkäufen zum Schuldenausgleich. Dies würde die Mikrokreditfirmen zwingen, bei der Kreditvergabe genauer hinzusehen. So entstünde weniger Überschuldung. Wenn den Unternehmen nachgewiesen werden kann, dass ein Kredit in unverantwortlicher Weise vergeben wurde, seien sie dazu verpflichtet, die so auf Kreditnehmerseite entstandenen Schulden mithilfe von Entschuldungsfonds zu erlassen.
Finanzielle Bildung ist unverzichtbar
Wichtig sei zudem die Stärkung finanzieller Bildung. Positivbeispiele gebe es im westafrikanischen Benin, wo Mitarbeiter von Mikrofinanzinstituten eigens geschult werden, um nur an jene Kredite zu vergeben, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach zurückzahlen können, so Bliss.
Um die im Vergleich zu normalen Krediten oft sehr hohen Zinsen von oftmals bis zu 30 Prozent auf Mikrokredite zu senken, sei die Standardisierung der Kreditvergabe und deren digitale Abwicklung wichtig. Die Verfahren würden so vereinfacht, Fahrtwege gespart, Kosten gesenkt - und so letztlich ein niedrigerer Zinssatz ermöglicht.
Nicht jedem kann mit Mikrokrediten geholfen werden
Bei den Ultraarmen seien Sozialleistungen notwendig, sind sich Bliss und Pfeifer einig. Ein solches Beispiel: die Agrarunterstützung in Thailand. Dort profitieren Bäuerinnen und Bauern sowie Agrargenossenschaften von Krediten der staatseigenen Entwicklungsbank "Bank of Agriculture and Agricultural Cooperatives" (BAAC), die Kredite mit eher niedrigen Zinsen zu vergleichsweise guten Konditionen vergibt. Zusätzliche Hilfe erfahren sie durch staatliche Unterstützung für den Lebensunterhalt und die Entwicklung des Agrarsektors.
Gerade in Anbetracht der Klimakrise und den damit einhergehenden Risiken wie Dürren und Überschwemmungen sind laut Pfeifer gute Kreditkonditionen mit flexiblen Rückzahlungsmodellen für die Landwirtschaft enorm wichtig.
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