Kaffee-Barometer 2023: Trotz Boom Millionen Kaffeebauern arm
Kaffee-Barometer 2023:Trotz Kaffee-Boom Millionen Bauern verarmt
von Marcel Burkhardt
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Internationale Kaffeeröstereien machen Milliardengeschäfte, während Millionen Kaffeebauern Not leiden. Das neue "Kaffee-Barometer" benennt die größten Probleme der Kaffeeindustrie.
Der Profit kommt hier nicht an: Auf einer Plantage in Ruiru (Kenia) sortieren Arbeiter Kaffeebohnen.
Quelle: Imago
Das Geschäft mit dem Kaffeegenuss boomt, vor allem in den Hauptmärkten Europa und den USA. Mehr noch: Weltweit habe die Nachfrage nach Kaffee in den vergangenen 20 Jahren zugenommen, konstatiert das neue Kaffee-Barometer.
Starkes Ungleichgewicht im Kaffeemarkt
Marktbeherrschende internationale Kaffeeröstereien - darunter Starbucks, Nestlé, JDE Peet`s und Lavazza - machen Jahr für Jahr Milliardenumsätze und hohe Gewinne, so heißt es darin.
Quelle: ZDF
... will nach eigenem Bekunden "den bisher umfassendsten Einblick in die sozialen und ökologischen Problemfelder der globalen Kaffee-Lieferketten" bieten. Herausgegeben wird der Bericht von mehreren international tätigen Nichtregierungsorganisationen. Das Barometer wurde unter anderem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziell unterstützt.
Millionen von Kaffeekleinbauern können von einem stabilen, existenzsichernden Einkommen allerdings nur träumen. Ein Hauptgrund laut Kaffee-Barometer:
In acht von zehn untersuchten Hauptanbauländern von Kaffee liegt, dem Bericht zufolge, das durchschnittliche Einkommen der Bäuerinnen und Bauern am oder unter dem Existenzminimum.
Inflationsbereinigt hat sich das heutige Einkommen der Kaffeeerzeuger im Vergleich zu 1983 mehr als halbiert - bei gleichzeitig gestiegenen Kosten für Arbeitskräfte, Düngemittel und Pestizide.
Niedriger Kaffeepreis Ursache für Ausbeutung und Kinderarbeit
Kaffee wird weltweit auf circa 12,5 Millionen Farmen angebaut, die hauptsächlich von Kleinbauern bewirtschaftet werden. Auf diesen Menschen laste ein immenser Druck, konstatieren die Autoren der vorliegenden Studie, vor allem durch "das Streben der Kaffeeindustrie nach erschwinglichem Rohkaffee".
Die Folgen: Weil erwachsene Arbeitskräfte zu teuer sind, müssen oft auch Kinder Kaffeebohnen pflücken. Das Ausmaß an ausbeuterischer Kinderarbeit sei zwar weitaus geringer als im Kakaoanbau, berichtet Andrea Olivar, Kaffeeexpertin des an der Studie beteiligten Solidaridad-Netzwerkes.
Frederik de Vries und Sjoerd Panhuysen, die Autoren des Kaffee-Barometers, fordern die Industrie auf, "ihre Handelspraktiken und Beschaffungsrichtlinien gegenüber den Kaffeebauern umgehend zu verbessern". Andrea Olivar erläutert auf ZDFheute-Anfrage:
Vor etwa zehn Jahren sei es noch üblich gewesen, dass die Bauern 30 Tage nach der Lieferung des Kaffees bezahlt worden seien. "Heute bezahlen die Händler erst 90, 160 oder 360 Tage nach der Lieferung des Kaffees - und werden selbst entsprechend von den Röstern bezahlt", so Olivar.
Bisher massive Naturzerstörung durch Kaffeeanbau
Eine Rückkehr zur ursprünglichen Zahlungspraxis sei "der effektivste Weg, um Landwirte in die Lage zu versetzen, in ihre eigenen Unternehmen zu reinvestieren, wichtige Ökosystemdienstleistungen aufrechtzuerhalten und verantwortungsvolle Landnutzungspraktiken wie Agroforstwirtschaft einzuführen", so Panhuysen und de Vries.
Dies sei jedoch dringend nötig, denn eine "historische Expansion von Kaffeefarmen" habe auch zu massiver Umweltzerstörung beigetragen.
Die Autoren sehen die Industrie auch hierbei in der Verantwortung.
Fehlende Nachhaltigkeit bei großen Kaffeeröstern
Die Kaffeeröster rühmten sich zwar diverser Nachhaltigkeitsinitiativen - "100 % nachhaltige Beschaffung, 100 % Null-Entwaldung, 100 % Klimaneutralität" -, doch laut Kaffee-Barometer schafft es keine der elf weltgrößten Kaffeeröstereien, ihre Lieferketten nachhaltig zu gestalten.
Bei genauerem Hinsehen seien soziales Engagement und Nachhaltigkeitsaktivitäten "kaum mit umfassenden, greifbaren, messbaren und zeitgebundenen Zielen untermauert", so Studienautor Sjoerd Panhuysen von der Organisation Ethos Agriculture auf ZDFheute-Nachfrage.