Mikrochip-Produktion: Gallium und Germanium werden knapp
Für Mikrochip-Produktion wichtig:China beschränkt Export von seltenen Metallen
von Sina Mainitz
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China erschwert den Export der Rohstoffe Gallium und Germanium in die EU. Ein weiterer Schritt im Handelsstreit. Mit möglichen Folgen für die Chip- und Automobilindustrie.
Behälter mit seltenem Metall Gallium, Archivbild
Quelle: dpa
Was zunächst klingt, als seien es Begriffe aus einem "Asterix und Obelix"-Film, sind in Wahrheit seltene Metalle. Überraschend hat China den Export von Gallium und Germanium in die EU stark beschränkt. Diese Rohstoffe sind essentiell für die Herstellung von Mikrochips.
Ein wirtschaftlicher Gegenschlag Chinas im gegenseitigen Kräftemessen zwischen West und Ost. Die neue europäische Strategie für wirtschaftliche Sicherheit sieht eine Überwachung kritischer Technologie-Importe vor und schließt chinesische Komponenten an vielen Stellen aus.
Germanium ist ein chemisches Element, das zuerst in Deutschland gefunden wurde - daher der Name.
Das Element, das zu den Halbleitern gezählt wird, kommt weltweit vor, allerdings in geringen Konzentrationen.
Es wird hauptsächlich als Nebenprodukt in der Aluminium- und Zink-Industrie sowie in Kohlekraftwerken gewonnen.
Weltweit kommen etwa 60 Prozent des Germaniums aus China, wie aus Daten der europäischen Rohstoffallianz CRMA hervorgeht, der Rest stammt aus Kanada, Finnland und den USA.
2022 wurden Zolldaten zufolge insgesamt 43,7 Tonnen Germanium aus China exportiert.
Auch Gallium - zuerst entdeckt von einem französischen Chemiker - kommt in Zink- und Bauxit-Lagerstätten in geringen Konzentrationen vor. Es entsteht in erster Linie bei der Aluminiumproduktion.
CRMA-Angaben zufolge werden etwa 80 Prozent des weltweiten Bedarfs in China produziert. Ein wichtiger Grund dafür ist die aufwändige Herstellung, die inbesondere viel Energie benötigt.
Nach CRMA-Angaben können weltweit nur wenige Unternehmen Gallium in der Reinheit erzeugen, die für die weitere Verarbeitung nötig ist - eines der Unternehmen sitzt in Europa, die anderen in Japan und China.
2022 führten chinesische Firmen Zolldaten zufolge 94 Tonnen Gallium aus, das ist ein Viertel mehr als im Vorjahr.
Beide Elemente sind sogenannte Halbleiter - was sie vor allem für die Chipindustrie attraktiv macht.
Sie werden in Hochleistungsrechnern, in der Rüstungsindustrie und in Solaranlagen verwendet. So kommt Germanium unter anderem in Solarzellen oder in Röntgenanlagen zum Einsatz.
Daneben wird Germanium für die Produktion von Nachtsichtgeräten oder Infrarotkameras benötigt, auch in Glasfaserkabeln ist Germanium enthalten.
Stärker als Germanium wird Gallium in der Chipindustrie genutzt. Galliumnitrid-Leistungshalbleiter spielen unter anderem bei Elektroautos eine Rolle, weil sie im Batteriemanagement oder bei Ladestationen eine bessere Leistung versprechen als herkömmliche Silizium-Halbleiter. Quelle: Reuters
Die Antwort Chinas auf die westlichen Sanktionen fällt nun hart aus für die Halbleiter-, Telekommunikations- und Elektrofahrzeugindustrie. Chinas Regierung hat verkündet, ab dem ersten August den Export wichtiger Mineralien zu beschränken. Sie betrifft aktuell gerade die Bereiche, welche die Dekarbonisierung der Europäischen Union entscheidend voran treiben - und sie zeigt auch, wie hilflos die EU ist, Chinas Einfluss auf Lieferketten und Rohstoffexporte zu begrenzen.
Europa ist bei Gallium und Germanium abhängig von China
China ist der weltgrößte Produzent der Mineralien Gallium und Germanium. Die EU bezieht 71 beziehungsweise 45 Prozent davon aus China. Damit sitzt die Volksrepublik am längeren Hebel und nimmt entscheidenden Einfluss auf die wirtschaftlichen Geschehnisse hierzulande.
Zwar verkündet EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die EU wolle die Abhängigkeit von China reduzieren, doch die Wahrheit sieht "noch" anders aus. "Wir müssen die Abhängigkeit von China zumindest reduzieren und ihnen zeigen, dass wir nicht so leicht erpressbar sind", sagt auch Prof. Dr. Stefan Bratzel, Center of Automotive Management.
Konflikt zwischen Taiwan und China gefährdet Automobilbranche
Leichter gesagt als getan, denn dieses Katz- und Maus-Spiel gegenseitiger Sanktionen bekommt vor allem die Automobilwirtschaft zu spüren. Sie ist das Zugpferd der deutschen Industrie, steht aber wegen der Transformation zur Elektromobilität vor erheblichen Herausforderungen.
Sollte China Taiwan angreifen, das bisher den Großteil der Technologiechips produziert, gehen hier in vielen Bereichen der Industrie die Lichter aus. Vieles nahm man jahrzehntelang billigend in Kauf, weil die Geschäfte mit China glänzend liefen.
EU versucht unabhängiger zu werden - aber mit welchem Tempo?
Dem Tiefschlaf folgt nun ein böses Erwachen. Mit Hochdruck versucht die EU samt ihres wichtigsten, westlichen Verbündeten, den USA, sich eine eigene Rohstoffbasis und ein "Chiplager" aufzubauen. Die mit Milliardensummen geförderte Intel-Chipfabrik in Brandenburg ist nur ein Beispiel hierfür. Allerdings geht dieses selbstständig werden nicht von heute auf morgen.
Simone Tagliapietra, Wissenschaftlerin beim Think-Tank Bruegel in Brüssel sagt hierzu:
Eine Abhängigkeit, die teuer bezahlt werden muss. Einem Manager eines chinesischen Germanium-Produzenten zufolge haben sich bei ihm bereits mehrere Kunden aus Japan, Europa und den USA gemeldet. Sie wollten bis zum Stichtag am 1. August so viel Rohstoffe wie möglich bunkern, weil sie damit rechneten, dass die Bearbeitungszeit für die Exportanträge bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen werde.
Schaltpläne der Chips werden mit Licht auf die Platten projiziert. In chemischen und physikalischen Prozessen entstehen pro Platte auf bis zu 100 Chips Milliarden an Schaltkreisen.
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Die gestiegene Nachfrage habe die Germanium-Preise zuletzt um knapp zehn Prozent in die Höhe getrieben. Die USA haben in den vergangenen Monaten unter anderem den Export von Hochleistungschips sowie von Maschinen für deren Produktion eingeschränkt.
Ein Kräftemessen zwischen Ost und West
Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man fast meinen, man sei auf dem Spielplatz - frei nach dem Motto: "Du hast mir mein Förmchen geklaut, deshalb darfst du jetzt nicht mit meinem Eimerchen spielen". Nur dass es hier viel ernster ist. Es geht um Milliardensummen, um Zukunftstechnologien und um die gegenseitigen Abhängigkeiten alter und neuer Großmächte.
Und wir in Europa sind der kleine Ball in der Mitte der großen Spieler. Nur ein Zaubertrank wie bei Asterix und Obelix kann wohl helfen, diese immensen Herausforderungen zu lösen.
Sina Mainitz ist Moderatorin und Redakteurin im ZDF-Börsenstudio in Frankfurt