Arztpraxen und Krankenhäuser:Kliniken: 400 Millionen für unnötige Geräte?
von Peter Welchering
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Für die digitale Anbindung von Arztpraxen und Krankenhäusern sollen neue Geräte angeschafft werden. Doch die sind in den meisten Fällen gar nicht nötig.
Im Gesundheitswesen muss eigentlich gespart werden: Wurde bei der Technik unnötig Geld ausgegeben? (Symbolbild)
Quelle: dpa
Der Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung steigt für die gesetzlich Versicherten. Das hat das Bundeskabinett beschlossen. Und wenn schon die Krankenkassenbeiträge insgesamt erhöht werden müssen, dann sollte im Gesundheitswesen eigentlich Sparen angesagt sein.
Es geht um die Sicherheit der Patientendaten
Da platzte die Nachricht im Juli natürlich richtig ins Sommerloch, dass für die digitale Anbindung der Arztpraxen und Krankenhäuser noch mal mindestens 400 Millionen Euro fällig werden. Und zwar für neue Router, im Gesundheitswesen "Konnektoren" genannt. Doch ein großer Teil der Geräte muss gar nicht ausgetauscht werden. Es reicht völlig, eine neue Software aufzuspielen. Und darüber wird heftig gestritten.
Mit einem Konnektor wird die Arztpraxis an die digitale Infrastruktur des Gesundheitswesens angeschlossen. So können etwa mit den Krankenkassen Patientendaten ausgetauscht werden. Dabei geht es vor allen Dingen um die Verschlüsselung der Patientendaten. Die sollen ja nicht von jedem mitgelesen werden können.
Wenn das Labor etwa die Daten eines Blutbildes an die Praxis schickt, wollen Patienten nicht, dass diese Daten von Dritten eingesehen werden können. Die Daten müssen ordentlich verschlüsselt sein. Und der Konnektor, der Router in der Arztpraxis, sorgt dafür, dass die Blutbild-Daten entschlüsselt werden, der behandelnde Arzt die lesen kann und dann sagen kann, was los ist und was gemacht werden muss. Ähnlich geht das mit Röntgenbildern, Aufnahmen aus der Computertomographie usw.
Wenn das Labor etwa die Daten eines Blutbildes an die Praxis schickt, wollen Patienten nicht, dass diese Daten von Dritten eingesehen werden können. Die Daten müssen ordentlich verschlüsselt sein. Und der Konnektor, der Router in der Arztpraxis, sorgt dafür, dass die Blutbild-Daten entschlüsselt werden, der behandelnde Arzt die lesen kann und dann sagen kann, was los ist und was gemacht werden muss. Ähnlich geht das mit Röntgenbildern, Aufnahmen aus der Computertomographie usw.
Für die Verschlüsselung gibt es sogenannte Zertifikate, also Bestätigungen, dass die Geräte ordentlich verschlüsseln. Und die laufen jetzt ab. Ein Zertifikat ist ein Stück Software, mit dem ein Router einem anderen mitteilt: "Mein Verschlüsselungsprogramm ist überprüft, der Verschlüsselung-TÜV sozusagen, läuft noch bis zu Jahresende, und wir können sicher die Daten austauschen".
Diese Zertifikate laufen jetzt ab. Sie müssen ausgetauscht werden. Im Prinzip muss also neue Software auf die Router. Wenn ein Zertifikat abgelaufen ist, können keine verschlüsselten Daten mehr ausgetauscht werden.
Diese Zertifikate laufen jetzt ab. Sie müssen ausgetauscht werden. Im Prinzip muss also neue Software auf die Router. Wenn ein Zertifikat abgelaufen ist, können keine verschlüsselten Daten mehr ausgetauscht werden.
Der Konnektor im Gesundheitswesen hat wesentlich mehr Funktionen als der Router zu Hause. Und da fängt das Problem an. Die Gematik GmbH, die für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland zuständig ist, hat zunächst argumentiert, das funktioniere nicht so richtig. Später hat sich herausgestellt: Diese Auskunft der Gematik ist nicht ganz richtig. Man muss allerdings nach Herstellern und Modellen der Konnektoren, also dieser Router in den Arztpraxen und Krankenhäuser, unterscheiden.
Zunächst geht das noch bis Ende 2024 völlig ohne Probleme. Danach müsste man schauen. Dann könnte etwa mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik verabredet werden, dass die alte Verschlüsselungsmethode übergangsweise noch so lange läuft, bis die softwarebasierte Router-Lösung der Gematik fertig ist, also für weitere ein bis drei Jahre. Dann könnte man auch jetzt in den nächsten Monaten die Verschlüsselungssoftware auf den Geräten von Rise und Secunet per Softwarte-Update austauschen, und die Geräte müssten nicht ausgetauscht werden.
Quelle: ZDF
Quelle: ZDF
"Jetzt ist der Zeitpunkt, nochmal definitiv nachzuhaken und auch kritisch nachzufragen", machte Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Ende Juli eine klare Ansage.
Bis zu diesem Zeitpunkt gab es den Plan, alle 130.000 Konnektoren in den Arztpraxen insgesamt auszutauschen. Kostenpunkt: 300 Millionen Euro. Weitere 100 Millionen könnten durch zusätzliche Arbeiten und Gerätetausch bis Ende 2025 noch hinzukommen.
Software-Update als kostengünstigere Variante
Fachjournalisten der Computer-Zeitschrift c't hatten nachgewiesen, dass ein großer Teil der Geräte nach einem Softwaretausch weiterarbeiten könnte. Die Gematik, die als Agentur für die Digitalisierung im Gesundheitswesen verantwortlich ist, hatte das zunächst abgelehnt. Sie machte technische und organisatorische Gründe dafür geltend.
Als der öffentliche und politische Druck wuchs, tagte auf Initiative der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Gesellschafterversammlung der Gematik (GSV) am 29. August 2022 noch einmal.
Im Laufe dieser Sitzung stellte sich heraus, dass die technischen Argumente der Fachjournalisten für ein Software-Update als kostengünstigere Variante gegenüber dem kompletten Gerätetausch nicht von der Hand zu weisen waren.
Gematik gerät unter Druck
Neue Entscheidung der Gematik deshalb: "Der GSV-Beschluss vom 29.08.2022 ermöglicht mittelfristig neue, kostengünstigere Optionen", so die Gematik in einer öffentlichen Erklärung.
Im Klartext: Bei Konnektoren des Herstellers Compugroup Medical muss ein Teil der Geräte ausgetauscht werden. Beim anderen Teil reicht der Austausch der Speicherkarte, auf dem die Software gespeichert ist. Bei Konnektoren der Hersteller Secunet und Rise ist ein Software-Update prinzipiell möglich, setzt aber Vorbereitungsarbeiten voraus.
Jetzt wird darum gefeilscht, wie viele Konnektoren insgesamt doch getauscht werden sollen und wie kostenintensiv das Software-Update samt Begleitarbeiten sein darf. Mitglieder des Chaos Computer Clubs haben dafür sogar eine Routine entwickelt, die sie der Gematik und dem Bundesgesundheitsministerium, dem die Gematik mehrheitlich gehört, kostenlos angeboten haben.
Nervosität im Gesundheitsministerium steigt
Doch im Ministerium reagierte man nach ZDFheute-Informationen wenig begeistert auf dieses Angebot. Im Gegenteil, die Nervosität steigt. Denn mit dem reinen Software-Update würden sich im besten Fall mehr als 300 Millionen Euro einsparen lassen, im schlechteren Fall ungefähr 250 Millionen.
Im notleidenden Gesundheitswesen ist das eine Menge Geld. Warum Ministerium und Gematik so lange gegen diese kostengünstigere Variante votiert haben und auch jetzt beim Software-Update zögern, erschließt sich weder den Fachjournalisten der c’t, noch den Technikspezialisten des Chaos Computer Clubs, noch zahlreichen betroffenen Ärzten.