Prozess mit politischer Brisanz:Hamburger Bankier wegen Cum-Ex vor Gericht
von Nico Kellner
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Die Cum-Ex-Geschäfte gelten als größter Steuerskandal der deutschen Geschichte. Nun beginnt vor dem Landgericht Bonn ein Verfahren gegen den früheren Chef der Warburg-Bank.
Der Angeklagte Christian Olearius soll sich - so lauten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft - mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank befasst und diese abgesegnet haben. Der einstige Chef und Miteigentümer des Hamburger Kreditinstituts habe sämtliche Abläufe gekannt und maßgebliche Entscheidungen getroffen.
Obwohl es in erster Linie um Aktiengeschäfte und Steuerbetrug geht, hat das Verfahren vor dem Landgericht Bonn auch politische Brisanz. Ist Olearius doch derjenige, mit dem sich Olaf Scholz in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister getroffen hat, ehe die dortige Finanzbehörde auf Steuerforderungen in Millionenhöhe verzichtete.
Steuerbetrug durch Cum-Ex-Geschäfte
Mit dem Prozessauftakt wird nun ein weiterer Schritt in der Aufklärung dieses großen Finanzskandals eingeleitet, der den deutschen Staat einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet haben soll.
Schon im Jahr 2013 hatte die Staatsanwaltschaft Köln, namentlich die Staatsanwältin Anne Brorhilker, erste Hinweise auf die Cum-Ex-Geschäfte gehabt, bei denen sich Banken und andere Finanzunternehmen Steuern erstatten ließen, die sie niemals gezahlt hatten.
Cum-Ex-Geschäfte sind eine Form der Steuerhinterziehung, bei der Aktien um den Stichtag der Dividendenzahlung hin und her gehandelt wurden. Mal mit (also "cum"), mal ohne ("ex") Dividendenanspruch. Dieses Vorgehen wurde so oft wiederholt, dass die Behörden nicht mehr hinterherkamen. So war es den Finanzinstitutionen möglich, sich eine einmal auf Aktiendividenden gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten zu lassen. Der Bundesgerichtshof hat diese Deals, bei denen den Steuerbehörden einige Milliarden Euro entgingen, als rechtswidrig eingestuft.
Seitdem wurde deutschlandweit in vielen Fällen ermittelt. Allein die Staatsanwaltschaft Köln führt aktuell noch 120 Ermittlungsverfahren gegen etwa 1.700 Beschuldigte. Von den bisherigen Anklagen der Kölner Staatsanwaltschaft wurden fünf bereits zum Ende gebracht und führten zu Verurteilungen.
Etwa für den Steueranwalt Hanno Berger, der als Schlüsselfigur im Cum-Ex-System gilt und sich in zwei Verfahren verantworten musste. Er hat gegen das Urteil des Landgerichts Bonn, das ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilte, Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Auch das Landgericht Wiesbaden hat Berger zu acht Jahren und drei Monaten verurteilt.
Cum-Ex-Geschäfte: Olearius bestreitet Vorwürfe
Christian Olearius bestreitet die ihm gemachten Vorwürfe. Es sind 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung zwischen 2006 und 2019, von denen 14 Fälle vom Gericht zugelassen wurden.
Olearius fühlt sich vorverurteilt, einer seiner vier Verteidiger, der Münchner Anwalt Peter Gauweiler, warf der ermittelnden Staatsanwältin Befangenheit vor. Ein früherer Prozessbeginn war Anfang des Jahres gescheitert, nachdem Olearius' Verteidiger einen erfolgreichen Befangenheitsantrag gegen einen Richter gestellt hatten.
Politische Brisanz durch Scholz-Kontakte
Bundesweite Aufmerksamkeit erregt der Prozess, da er auch Einfluss auf die Bundespolitik haben könnte. In der Öffentlichkeit ist der Name Olearius vielen auch deshalb ein Begriff, da immer wieder die Frage im Raum steht, wie die Kontakte zwischen dem Bankier und Olaf Scholz (SPD), mittlerweile Bundeskanzler, ausgesehen haben.
Nachdem die Hamburger Finanzverwaltung Geldforderungen gegen die Warburg-Bank geltend gemacht hatte, wurde deren Miteigentümer mehrfach beim damaligen Bürgermeister der Hansestadt Scholz vorstellig. Der Fiskus ließ die Zahlungsansprüche daraufhin verjähren.
Scholz bestreitet, Einfluss genommen zu haben. Unlängst sollte ein Untersuchungsausschuss im Bundestag die Rolle des Politikers in dieser Sache aufklären. Dessen Einsetzung wurde jedoch durch die Regierungsfraktionen verhindert. Dagegen möchte die Unionsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht vorgehen.
Verfahren in Bonn - Forderung nach mehr Personal
Nordrhein-Westfalen ist Zentrum der Ermittlungen, da das Bundeszentralamt für Steuern seinen Sitz in Bonn hat. Das Land NRW hat die Zahl der Stellen, die sich mit Cum-Ex befassen, bereits mehrfach erhöht - dennoch wird weiter Kritik an der Unterbesetzung geübt und noch mehr Personal gefordert.
Es wird noch Jahre dauern, um den vielen Fällen und Unmengen an Akten Herr zu werden. Auch das Verfahren gegen Christian Olearius könnte das Gericht noch längere Zeit befassen. Zunächst haben die Richterinnen und Richter 28 Verhandlungstermine bis März 2024 angesetzt.
Nico Kellner arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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