Vorhaben in der Kritik:Was Lindner gegen die Inflation plant
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Finanzminister Lindner will die Bürger angesichts hoher Inflation stark entlasten. Kritik kommt aus der Politik und von Experten: Einkommensschwache profitierten kaum.
Finanzminister Christian Lindner will die Bürger angesichts der hohen Inflation mit einer Steuersenkung über mehr als zehn Milliarden Euro entlasten.
"Rentnerinnen und Rentner, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Selbstständige: In der ganzen Breite der Gesellschaft sind Menschen davon betroffen", sagte der FDP-Politiker bei der Vorstellung seiner Pläne, die nicht in der Koalition abgestimmt sind, in Berlin. Auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag sollen steigen.
Lindner: Lage erfordert Handeln
"Für viele Menschen ist das tägliche Leben sehr viel teurer geworden", sagte Lindner mit Blick auf eine Inflationsrate von aktuell mehr als sieben Prozent.
Der Minister fügte hinzu: "Wir sind also in einer Situation, wo gehandelt werden muss."
Finanzminister: 48 Millionen Menschen profitieren
Mit einem "Inflationsausgleichsgesetz" will Lindner die Menschen deutlich entlasten und die Effekte der so genannten kalten Progression abmildern. Von den Entlastungen würden 48 Millionen Menschen in Deutschland profitieren, so Lindner. Vorgesehen seien eine Anhebung des Grundfreibetrages bei der Einkommensteuer und Änderungen im Steuertarif.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine Pläne vorgestellt, wie er die Folgen der hohen Inflation für die Bürger und Bürgerinnen dämpfen will. Die Eckpunkte des Gesetzentwurfs im Überblick:
Der Grundfreibetrag soll in zwei Stufen angehoben werden:
- 2023: von 10.347 auf 10.632 Euro (plus 285 Euro)
- 2024: von 10.632 auf 10.932 Euro (plus 300 Euro)
Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll künftig erst bei höheren Einkommen greifen, um den Effekt der kalten Progression auszugleichen. Diese beschreibt den Effekt, dass Menschen durch Lohnerhöhungen in eine höhere Steuerklasse rutschen und bei hoher Inflation am Ende weniger in der Tasche haben als vorher.
- 2023: Einkommen ab 61.972 Euro (vorher 58.597 Euro)
- 2024: Einkommen ab 63.515 Euro
Der Kinderfreibetrag wird für jeden Elternteil von 2022 bis 2024 um ingesamt 264 Euro angehoben und zwar in folgenden Schritten:
- 2022: Rückwirkende Anhebung von 2.730 auf 2.810 Euro
- 2023: Erhöhung von 2.810 auf 2.880 Euro
- 2024: Anhebung von 2.880 auf 2.994 Euro
- 2023: 227 Euro pro Monat für das erste und zweite Kind (plus 8 Euro) sowie für das dritte Kind (plus 2 Euro); weiterhin 250 Euro für das vierte und jedes weitere Kind.
- 2024:233 Euro pro Monat für das erste, zweite und dritte Kind (plus 6 Euro), weiterhin 250 Euro das vierte und jedes weitere Kind.
Der Höchstbetrag für den steuerlichen Abzug von Unterhaltsleistungen, der an den Grundfreibetrag angelehnt ist, wird ebenfalls angehoben und rückwirkend ab dem Jahr 2022 angepasst.
Quelle: ZDF
Quelle: ZDF
Bei allen, deren Jahreseinkommen unter 62.000 Euro liegt, solle der Entlastungseffekt die Mehrbelastung durch die kalte Progression übersteigen. "Hier geht es nicht um eine Entlastung, sondern um einen Verzicht auf Belastung", sagte Lindner. Auch er sei dafür, dass "starke Schultern mehr tragen sollen als schmale Schultern". Durch die kalte Progression würden aber auch "Menschen belastet, deren Schultern gar nicht breiter geworden sind".
Lindner warnte, steuerliche Mehrbelastungen seien in der aktuell fragilen Lage "nicht fair und wären auch für die wirtschaftliche Entwicklung gefährlich".
Grüne: Pläne gehen "an Realität vorbei"
Lindners Pläne stoßen bei den Koalitionspartnern SPD und Grünen auf Kritik. SPD-Fraktionsvize Achim Post hält sie für "sozial noch nicht ganz ausgewogen". Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen müssten noch einmal verstärkt unterstützt werden. Dafür seien Direktzahlungen - wie etwa die bereits beschlossene Energiepreispauschale - das Mittel der Wahl.
Die Kritik von Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch fällt etwas markiger aus:
Der finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Bundestag, Christian Görke, nennt Lindners Pläne schlicht einen "Witz". Die unteren 70 Prozent der Bevölkerung würden fast komplett leer ausgehen, da sie kaum Einkommensteuer zahlten.
Steuerexperte: Reform hilft Haushalten mit geringem Einkommen nur wenig
Laut Berechnungen des Steuerexperten Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) profitieren die Spitzenverdiener in absoluten Zahlen am meisten von Lindners Entlastungspaket. So würde etwa ein Spitzenverdiener (Single ohne Kinder) bei einem Bruttoeinkommen von 194.350 Euro um 505 Euro entlastet. Prozentual wird ein Geringverdiener im Vergleich zwar etwas mehr entlastet, allerdings ist in dieser Gruppe der Anteil an Waren und Dienstleistungen im Warenkorb, die besonders von der Inflation betroffen sind (etwa für Lebensmittel und Energie), höher als bei den Spitzenverdienern. Deshalb fällt dort die Entlastung unter dem Strich weniger ins Gewicht.
DIW-Experte Stefan Bach zu Wirkungen von Lindner-Paket
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Experte Anzinger: Maßnahmen "wenig spektakulär"
Der Finanz- und Steuerexperte Heribert Anzinger von der Universität Ulm hält die geplanten Maßnahmen des Finanzministers in einer ersten Bewertung für "wenig spektakulär". Im Mittelpunkt stehe die Besteuerung von Arbeitseinkommen - dies sei im Vergleich zu Kapitaleinkommen in Deutschland vergleichsweise hoch belastet, sagte er gegenüber ZDFheute. Bezogen auf diesen Fokus "vollziehen die Maßnahmen die Inflationsentwicklung - wie die vorangegangenen Maßnahmen in den Jahren 2018 und 2020 - folgerichtig, minimalinvasiv und ausgewogen nach".
Da der Schwellenwert für den Spitzensteuersatz unverändert bleibe, würden - relativ zur Inflation und zur Anhebung der anderen Schwellenwerte - Spitzenverdiener nur marginal höher belastet.
Auch die Verteilung der Belastung zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen verändere sich nur geringfügig durch Lindners Vorstoß. Laut Anzinger gäbe es hier noch viel Luft nach oben, denkbar sei unter anderem, Veräußerungsgewinne aus langfristigen Immobilientransaktionen stärker zu erfassen. Auch die Abgeltungssteuer sei reformbedürftig.
Anzinger vermisst, dass Lindners Vorstoß die Inflationswirkungen der Umsatzsteuer außer Acht lässt, die besonders einkommensschwache Familien belastet.
DIW-Chef: Lindners Plan verschärft soziale Ungleichheit
Ähnlich argumentiert der Wirtschaftsexperte Marcel Fratzscher: "40 Prozent der Steuereinnahmen sind indirekte Steuern, wie die Mehrwertsteuer, die vor allem Menschen mit geringen Einkommen belastet", sagt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung der "Rheinischen Post". "Für diese Menschen sieht der Plan des Bundesfinanzministers jedoch keine nennenswerte steuerliche Entlastung vor."
Er warf Lindner vor, sein Plan "setzt die falschen Prioritäten, denn Menschen mit geringen Einkommen erfahren eine drei bis vier Mal höhere Belastung ihres Einkommens durch die Inflation im Vergleich zu Menschen mit hohen Einkommen". Daher würde eine Umsetzung von Lindners Konzept "die Ungleichheit und die soziale Polarisierung weiter verschärfen".
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Quelle: AFP, dpa, ZDF