Spitzensport kämpft gegen Finanzkürzung

    Einsparungen geplant:Spitzensport kämpft gegen Finanzkürzung

    von Susanne Rohlfing
    |

    Der deutsche Spitzensport wehrt sich gegen die geplanten Finanzkürzungen. Wissenschaftler der Institute FES und IAT sowie Sportler warnen vor den möglichen Folgen.

    Michael Nitsch, Direktor des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES).
    Michael Nitsch, Direktor des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES).
    Quelle: dpa

    Zwei Olympiasiege und 16 Mal WM-Gold - so lautet die imposante Titelbilanz des ehemaligen Rennsport-Kanuten Ronald Rauhe. Vor zwei Jahren, kurz vor seinem 40. Geburtstag, beendete der Berliner seine Karriere. Mit dem Sieg im Vierer über 500 Meter hatte er sich in Tokio einen goldenen Abschluss beschert.
    Am Montag kehrte er nun zurück an einen Ort, der für ihn seit seinem 14. Lebensjahr einer der wichtigsten Anlaufpunkte als Spitzenkanute war: das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin. Der Einrichtung drohen ebenso wie dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig drastische Mittelkürzungen.

    Kürzungen ausgerechnet dort, wo noch für Medaillen-Garanten gesorgt wird, das macht mich wütend.

    Kanu-Olympiasieger Ronald Rauhe

    Spezialisten bangen um ihre Jobs

    Er war ebenso wie viele andere hoch dekorierte Athleten und Verbandsvertreter zu einer von den Instituten initiierten Pressekonferenz gekommen, um über die Bedeutung der hiesigen Arbeit für den Spitzensport zu informieren. Im Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministeriums ist für FES und IAT eine Kürzung der Bundesmittel um rund vier Millionen Euro vorgesehen. Ihr Etat würde von 21,2 Millionen Euro in diesem Jahr auf 17,2 Millionen Euro heruntergefahren.
    Die Kündigung einer ganzen Reihe hochspezialisierter Fachleute wäre die nötige Konsequenz. Für das FES mit seinen rund 90 Mitarbeitern (150 am IAT) hat Direktor Michael Nitsch ausgerechnet, dass er 2024 wohl rund ein Drittel seines Personals entlassen müsste.

    Fast alle Parteien kommen ans FES

    Der Haushaltsentwurf wird ab dem 5. September im Bundestag beraten. Und es darf wohl als gutes Zeichen gewertet werden, dass Sportausschuss-Mitglieder fast aller Parteien am Montag ans FES gekommen waren. Auch teilte IAT-Direktor Marc-Oliver Löw mit, man habe "vorsichtig positive Zeichen aus dem Innenministerium erhalten, dass man über eine Umschichtung nachdenkt".
    Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es auf Anfrage des ZDF: "Die Ressorts haben bei der Haushaltsaufstellung grundsätzlich Schichtungsfreiheit." Im Aufstellungsverfahren des Regierungsentwurfs 2024 habe es ihnen freigestanden, "ihre fachpolitischen Prioritäten unter Berücksichtigung bestehender Rechtsverpflichtungen und innerhalb ihrer Ausgabenplafonds zu setzen". Heißt: Das Innenministerium könnte auch woanders sparen als am Spitzensport.
    Auf ZDFheute-Anfrage teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mit:

    Wir sind optimistisch, dass es nicht bei den Kürzungen bleibt und wir am Ende eine Lösung finden, mit der FES und IAT ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen können.

    Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI)

    Institute als "Gehirn" des Sports

    "Die beiden Institute habe mir geholfen, der Athlet zu werden, der ich heute bin", betonte Rauhe. Und er fragte: "Warum sind wir in Deutschland nicht stolz auf unsere Institute und auf unsere Sportler?" Für Athleten hätte die geplante Kürzung eine sehr emotionale Seite.

    Ich habe schon wieder das Gefühl, dass das, was ich mache, keinen Wert hat.

    Ronald Rauhe

    Der Appell von Bobpilot Francesco Friedrich, dekoriert mit vier olympischen und 14 WM-Goldmedaillen, klang so: "Wir sind so gut, wir müssen dranbleiben, wir müssen alles rausquetschen, was wir haben." Im Bobsport ist die Technik mitentscheidend, und die Deutschen haben da auf Grund der Arbeit am FES meistens die Nase vorn.
    Bob-Cheftrainer René Spies bezeichnete Mitarbeiter des Instituts als "unser Gehirn". Er kenne Angebote aus anderen Nationen, wo Ingenieure mit derartigem Fachwissen deutlich besser bezahlt würden: "Die Leute bleiben ja nur hier, weil sie Bock darauf haben, mit Athleten wie Francesco etwas zu erreichen." Es wäre also eher eine Aufstockung der Mittel nötig.

    Eigene Lenker für jeden Radsportler

    Edina Müller, Paralympics-Siegerin im Rollstuhlbasketball 2012 und im Para-Kanu 2016, bangt angesichts der drohenden Kürzungen um ihr Boot für die Paralympics im kommenden Jahr in Paris. Es braucht eine so dezidierte Justierung, dass sie ohne die Hilfe des FES aufgeschmissen wäre.
    Bahnrad-Olympiasiegerin Franzisca Brauße verwies auf Tausendstel Sekunden, um die es im Spitzensport gehe, lobte individuell für jeden deutschen Fahrer entwickelte Lenker und sagte über die Auswertungen des IAT: "Die haben uns da hingebracht, wo wir jetzt sind." In die Weltspitze.
    Thema