Parasport:Weitspringer Rehm träumt von 8,80 Metern
von Susanne Rohlfing
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Niemand springt mit Prothese weiter als Markus Rehm. Aber genug hat der 34-Jährige noch nicht. Stück für Stück pirscht er sich an die Großen des olympischen Weitsprungs heran.
Neuer Weltrekord im Para-Weitsprung: Markus Rehm.
Quelle: Imago
An Jesse Owens ist Markus Rehm vorbei. An Lutz Dombrowski auch. Mike Powell, Bob Beamon und Carl Lewis scheinen unerreichbar. Doch was heißt das schon? Rehms aktuelles Autokennzeichen trägt die Zahl 866. Sie steht für die 8,66 Meter, die er im vergangenen Jahr in Zürich gesprungen ist. Es ist seine persönliche Bestleistung, die ihm wegen formaler Wirren nicht als Weltrekord anerkannt wurde. Es ist eine Weltklasseleistung, von der niemand geglaubt hat, dass sie mit Prothese zu schaffen ist. Bis Markus Rehm kam.
Rehm hat Weltrekord verbessert
Und bei der 866 auf dem Autokennzeichen soll es nicht bleiben. Vor zwei Wochen hat Rehm seinen Weltrekord im Para-Weitsprung der einseitig Amputierten in Barcelona von 8,62 auf 8,64 Meter verbessert. Und zuletzt in Rehlingen blieb der 34-Jährige bei keinem seiner sechs Versuche unter 8,20 Meter. Wenn das Durchschnittsniveau so hoch ist, werden Ausreißer nach oben wahrscheinlicher. Rehm wird älter - und immer noch besser.
Für diesen Modellathleten aus Leverkusen, der seit einem Wakeboardunfall mit 14 Jahren am rechten Bein eine Unterschenkelprothese trägt, scheint es keine Grenzen zu geben. Dreimal hat er im Weitsprung bei Paralympischen Spiele gewonnen, fünfmal bei Weltmeisterschaften. Und es sieht nicht so aus, als könnte sich das ändern bei der WM in diesem oder bei den Spielen im nächsten Sommer, beide in Paris.
Den ganz Großen auf den Fersen
Jesse Owens ist 1935 als erster Mensch weiter als acht Meter gesprungen. Lutz Dombrowski hält seit 1980 mit 8,52 Metern den deutschen Rekord. Powells Weltrekord von 8,95 Metern ist seit 1991 unangetastet. Beamon (8,90 Meter/1968) und Lewis (8,87 Meter/1991) liegen in der ewigen Weltbestenliste direkt hinter Powell. Es ist die Crème de la Crème des olympischen Weitsprungs.
Am Freitag startet Markus Rehm genauso wie sein griechischer Trainingspartner Stelios Malakopoulus beim Para-Sportfest "Heimspiel" auf der heimischen Anlage in Leverkusen. Alle zehn für die WM in Paris (8. bis 17. Juli) nominierten Bayer-Athletinnen und -Athleten werden sich dort zeigen, neben Rehm auch Paralympics-Sieger und Weltrekordhalter Johannes Floors, Doppel-Weltmeisterin Irmgard Bensusan und Dubai-Weltmeister Léon Schäfer. Erwartet werden rund 200 Sportlerinnen und Sportler aus zehn Nationen, darunter sieben Paralympicssieger*innen und neun aktuelle Weldrekordhalter*innen.
Und nun ist ihnen ein Mann mit Beinprothese, "The Bladejumper", wie Rehm sich bei Instagram nennt, auf den Fersen. In Barcelona hat der Orthopädietechniker den Wettbewerb mit einem Satz auf 8,72 Meter gewonnen. Bei diesem Sprung blies der Wind zu stark von hinten, deshalb gilt er nicht als Rekord. Aber Rehm sagt: "Die Zahl fand ich auf dem Anzeigeboard sehr schick, das wäre auch eine schöne Nummer, um sie auf dem Auto zu haben."
Training mit Malakopoulus
Dass er aktuell in so guter Verfassung ist, hat einen Grund: Er trainiert seit dem vergangenen Herbst nicht mehr allein. Der Grieche Stelios Malakopoulus hat sich Rehm und dessen Trainerin Steffi Nerius angeschlossen.
Malakopoulus hat seinen Weltrekord der beidseitig Amputierten bereits von 7,04 auf 7,23 Meter geschraubt. Da er bei WM und Olympia allerdings mit Rehm in einer Klasse springt, sind Weltrekorde für ihn weiterhin eher zu erreichen als große Titel.
Jede Einheit ein Konkurrenzkampf
Zur neu formierten Trainingsgruppe gehört auch Para-Speerwerfer Tom Malutedi. Jede Übungseinheit ist ein Konkurrenzkampf. Das Resultat: Rehm liefert Trainingsbestleistungen auf allen Ebenen. Und bekundet: "Das hätte ich so nicht erwartet. Wenn dann noch die Technik passt, gehen die Sprünge richtig weit. Das ist schon schön, das macht richtig Laune." Und das lässt ihn träumen, wenn auch nur in Zentimeterstückchen.
Die 8,66 Meter zum offiziellen Rekord machen, ist ein erster Traum. Die 8,72 Meter mit zu viel Wind in einen regulären Satz umwandeln, ein nächster. "Top-Ten der ewigen Bestenliste, das ist noch ein Wunschtraum von mir", sagt Rehm: "Vielleicht irgendwann mal eine 80 stehen haben." Mit 8,72 Metern wäre er Neunter. Mit 8,80 Metern Fünfter.
Und die Spitze angreifen? An Mike Powell vorbeisegeln? "Wenn man da immer näher rankommt, spielt man schon irgendwann mit dem Gedanken", gesteht Rehm. Die Weite ist längst seine größte Motivation. Titel hat er reichlich. "Ich habe das Gefühl, da geht noch was."
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