Nach Rücktritt von Manuel Neuer: Torwartland war gestern

    Nach Rücktritt von Manuel Neuer:Torwartland war gestern

    von Frank Hellmann
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    Der Nachlass von Manuel Neuer in der deutschen Nationalmannschaft ist nur bedingt geregelt. Junge Keeper mit internationaler Perspektive sind rar geworden.

    DFB: Manuel Neuer
    Manuel Neuer hat sich entschieden: Der Weltmeister von 2014 tritt nach 15 Jahren als Nummer 1 aus der Fußball-Nationalelf zurück.
    Quelle: IMAGO/Bernd Feil/M.i.S.

    Als Tobias Haupt noch als Akademieleiter für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) arbeitete, legte der weitsichtige Professor gerne den Finger in die Wunde. Der ehemalige Torwart aus der Bayernliga warnte bereits vor zwei Jahren davor, dass Deutschland auf die Zeit nach Manuel Neuer nicht wirklich vorbereitet sei.

    Spätestens wenn Marc-André aufhört, haben wir eine Lücke an deutschen Torhütern.

    Tobias Haupt, Professor für Sportmanagement

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    Ter Stegen vor dem Ziel

    Da sorgte sich einer, dass Deutschland seinen Ruf als Torwartnation verspielt. Sofort ist das Problem freilich nach Neuers Rücktritt noch nicht akut: Vorerst dürfte sich Marc-André ter Stegen (32) freuen, endlich das Vertrauen bei der DFB-Auswahl zu genießen.
    Bei der Heim-EM hatte der Schlussmann des FC Barcelona seinen Frust noch mühsam heruntergeschluckt. Zwölf lange Jahre hat der in der Vorsaison zum besten Spieler der spanischen Liga gewählte Mönchengladbacher in der Rolle des Kronprinzen verharrt.
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    Rudi Völler macht sich keine Sorgen

    "Er ist ein weiterer Weltklasse-Torwart, der auf seine Chance wartet. Wir haben keine Sorgen", beschwichtigte kürzlich DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Bei der Nominierung des Kaders für die Nations-League-Partien gegen Ungarn (7. September) und die Niederlande (10. September) dürfte Bundestrainer Julian Nagelsmann den neuen Status des 40-fachen Nationalkeepers offiziell verkünden. Allein, um auf dieser Schlüsselposition keine Verunsicherung zu schüren.
    Dahinter hofft der vor der EM als vierter Tormann doch wieder ausgebootete Alexander Nübel (27) vom VfB Stuttgart auf die Ernennung zum Stellvertreter, denn Bernd Leno (32) vom FC Fulham, Oliver Baumann (34) von der TSG Hoffenheim und erst recht Kevin Trapp (34) von Eintracht Frankfurt gelten nicht mehr als Langzeitlösungen. Trapp war schon im Frühjahr bei Nagelsmann durchs Rüttelsieb gerauscht, weil seine Spieleröffnung nicht mehr zum Stil passe.

    Torwartkoordinator Marc Ziegler sieht ein Kardinalproblem

    Die Altersstruktur zeigt, dass Haupt durchaus zu Recht ausführliche Statistiken präsentierte, wie viel mehr Spielpraxis der italienische Klassemann Gianluigi Donnarumma bereits in jungen Jahren gesammelt hatte. Zusammen mit DFB-Torwartkoordinator Marc Ziegler startete er daher in seiner Amtszeit noch das Projekt "N28", um einen Schlussmann mit internationaler Perspektive bis zur EM 2028 zu formen.
    Auch Ziegler formulierte dringend Handlungsbedarf:

    Für die Zeit danach müssen wir jetzt unsere Hausaufgaben machen und ein paar Dinge anschieben, um im Frauen- und Männerfußball die nächste Generation heranzuführen.

    Marc Ziegler, DFB-Torwartkoordinator

    Torwartnachwuchs braucht Zeit

    In der Bundesliga haben oft Ausländer die Stammplätze inne: der Finne Lukas Hradecky bei Bayer Leverkusen, der Schweizer Gregor Kobel bei Borussia Dortmund oder der Ungar Peter Gulacsi bei RB Leipzig. Daher hat der Verband eine "Torwart-DNA" mit dem Anforderungsprofil der Zukunft erstellt, um seine Auswahlteams auf dieser Position zukunftssicher zu machen.
    Das Problem: Solche Projekte brauchen Zeit - und die Klubs müssen mitziehen. Ausbilder Ziegler benannte wiederholt das Kardinalproblem: "Die Älteren spielen, weil sie gut sind, die Jungen generieren ihren Mehrwert nicht, weil sie nicht spielen. Sie müssen Umwege gehen." Zudem benötigen sie einen Rückhalt, wie ihn beispielhaft Noah Atubolu (22) beim SC Freiburg genoss. Auch nach Patzern baute Lehrmeister Christian Streich den deutschen U21-Nationalkeeper immer wieder auf.

    Die Talente spielen in der 2. Bundesliga

    Ähnlichen Zuspruch erhielten die beförderten Moritz Nicolas (26) bei Borussia Mönchengladbach oder Michael Zetterer (29) bei Werder Bremen. Um deutsche Torhüterperspektiven zu entdecken, muss der Blick schon in die 2. Bundesliga gehen, wo der Nachwuchs vorspielt. Allen voran der beim 1. FC Köln zum neuen Stammtorwart ernannte Jonas Urbig (21), aber auch Felix Gebhardt (22) von Jahn Regensburg und natürlich Ernst Tjark (21) bei Hertha BSC besitzen gute Anlagen. Aber wächst da Weltklasse heran?
    Neuer war 20 Jahre alt, als ihm erst Mirko Slomka beim FC Schalke 04, dann bald darauf Joachim Löw in der Nationalelf vertraute. Der Gelsenkirchener sollte das Torwartspiel weltweit auf ein neues Level heben. Dieser Anspruch wird an seine Erben gar nicht gestellt, die bloß die DFB-Auswahl fehlerfrei zur WM 2026 in die USA, Kanada und Mexiko führen sollen. Was nach diesem Turnier auf einer deutschen Domäne passiert, kann heute keiner seriös vorhersagen.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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