Frauen im deutschen Fußball: Defizite bei der Diversität

    Frauen im deutschen Profifußball:Defizite bei der Diversität

    von Frank Hellmann
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    Der deutsche Fußball beschwört gerne seine Vielfalt, doch bei der Einbindung von Frauen auf Führungsebene sieht es düster aus. Die meisten Lizenzvereine werden männlich geführt.

    Marc Wilmots, Matthias Tillmann und Christina Rühl Hamers
    Seltenes Gegenbeispiel: Die Schalker Finanzchefin Christina Rühl-Hamers mit ihren Vorstandskollegen Matthias Tillmann und Marc Wilmots.
    Quelle: Imago

    Noch immer bestimmen fast ausnahmslos Männer, was im deutschen Profifußball passiert. Weiterhin sind die Lizenzvereine von einer paritätischen Besetzung oder zumindest eines 30-prozentigen Frauenanteils weit entfernt. Zu diesem enttäuschenden Ergebnis kommt die Initiative "Fußball kann mehr" (FKM) in ihrem ersten Jahresbericht zur Diversität im deutschen Profifußball.

    Kaum Frauen in Führungspositionen

    Auf ein "insgesamt ernüchterndes Bild" kommt die in Zusammenarbeit mit der AllBright-Stiftung erstellte Studie, an der sich außer Bayer Leverkusen, Holstein Kiel, Darmstadt 98 und SV Wehen Wiesbaden alle 36 Lizenzvereine beteiligt haben. Die deutliche Mehrzahl (28 Klubs) verzichtet komplett auf eine Frau in einer Führungsposition. Das ergab Abfrage von 636 Positionen im Profifußball.
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    Nur vier Vereine (FC St. Pauli, FC Schalke 04, Werder Bremen und 1. FC Heidenheim) haben überhaupt Frauen in der Geschäftsführung, insgesamt arbeiten gerade ein halbes Dutzend im Top-Management mit. Der Anteil von Frauen in den Kontrollgremien liegt nur knapp im zweistelligen Prozentbereich (26 von 220 Personen in den Aufsichtsräten).

    Rückständiger als die Politik

    "Es ist immer noch keine Überzeugung vorhanden, auf Frauen in Führungspositionen zu setzen", sagt Katja Kraus, die auch deshalb vor zwei Jahren die Initiative FKM mitgegründet hat. Die ehemalige Nationaltorhüterin und beim Hamburger SV als erste Frau im Vorstand arbeitende Beiratsvorsitzende ist überzeugt, dass es ohne öffentlichen Druck nicht zu einer Veränderung kommt.

    Im Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind ein Drittel der mehr als 600 Beschäftigten weiblich, knapp 20 Prozent der Führungskräfte sind Frauen - das Ziel sind 30 Prozent Frauen in Haupt- und Ehrenamt bis 2027, wie es die interne Strategie FF27 vorgibt. Immerhin haben es mittlerweile fünf Frauen ins DFB-Präsidium geschafft, wo bis 2022 noch Hannelore Ratzeburg über Jahrzehnte die einzige Vizepräsidentin war-– und dann auch bloß mit Zuständigkeit für Frauen- und Mädchenfußball.

    Die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) sagte auf der DFB-Veranstaltung "Women in Football Summit", sie hätte nicht gedacht, "dass wir noch ein Feld finden, dass noch rückständiger ist als die Politik". Sie könne aus ihrer Tätigkeit aus dem Verwaltungsbeirat des FC Bayern berichten, dass das Aufbrechen der männlichen Fußball-Strukturen "noch anstrengender" als im Politik-Alltag sei.
    Dabei ist längst erwiesen, dass diverse Teams verschiedene Blickwinkel aufnehmen, weil sie kontrovers diskutieren.

    Letztlich wird die Qualität der Entscheidungen verbessert.

    Christina Gassner

    Für den Fußball sei es "wichtig, sich dieser Entwicklung nicht zu verschließen", betont Christina Gassner, Direktorin der erst 2023 geschaffenen DFB-Direktion Institutionelle und Politische Beziehungen & Strategie.

    St. Pauli liefert das Gegenbeispiel

    Beispielhaft geht der Bundesliga-Aufsteiger FC St. Pauli vor, der sich konsequent zu 30 Prozent Frauen in seinen Gremien verpflichtet hat. Im siebenköpfigen Aufsichtsrat sitzen heute vier Frauen.
    Sandra Schwedler leitet dieses Gremium und betont: "Es kommt noch immer vor, dass Menschen davon irritiert sind, im Fußball einer Präsidentin oder Aufsichtsrätin zu begegnen. Daran zeigt sich, dass es Zeit braucht, um die fest verankerten Bilder in den Köpfen zu ändern. Die Diversität in unseren Gremien sendet ein anderes Bild - nach innen wie außen."
    Managerinnen im Profifußball
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    Ansonsten fällt noch der FC Schalke 04 mit seiner Finanzchefin Christina Rühl-Hamers auf, doch besteht das königsblaue Kontrollgremium lediglich aus elf Männern. Ein unrühmliches Beispiel liefern auch mitglieder- und reichweitenstarke Traditionsvereine wie der FC Bayern, Eintracht Frankfurt oder der 1. FC Köln ohne Frau im Top-Management oder Aufsichtsrat.

    Werder Bremen gibt sich eine Quote

    Es gebe bisher keine übergreifende Strategie zur Förderung von Geschlechterdiversität und gar Parität in den Klubs, kritisiert die Studie. Positivbeispiele gebe es vor allem in der zweiten Führungsebene, gemeint sind die sogenannten Direct Reports, die direkt an die oberste Führungsebene berichten. Hier hat der FC Bayern sechs von 18 Posten mit einer Frau besetzt.
    Oft ist indes nicht mal so richtig klar, wo das Thema Diversität überhaupt angesiedelt ist. Weil es als Klotz am Bein gilt? In anderen Branchen oder im öffentlichen Sektor gibt es deshalb Quoten oder Zielvorgaben, zu denen sich bislang nur noch SV Werder verpflichtet. Die Bremer wollen bis 2026 jede vierte Führungsposition mit einer Frau besetzt haben.

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    Quelle: Reuters

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