Leverkusen verpasst Finale: Trotzige Gesänge gegen den Zorn

    Leverkusen verpasst Finale:Trotzige Gesänge gegen den eigenen Zorn

    von Andreas Morbach, Leverkusen
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    Nach dem 0:1 im Hinspiel in Rom scheidet Leverkusen durch ein torloses Remis im Halbfinale der Europa League aus. Wütend macht die Rheinländer dabei das Zeitspiel der Italiener.

    Leverkusen-Spieler begrüßen Fans in der BayArena.
    Leverkusen-Spieler begrüßen Fans in der BayArena.
    Quelle: ap

    Die Ausführungen von Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes zum Leverkusener Halbfinal-Aus waren gerade verklungen, als im Tiefgeschoss der BayArena ein dezentes Klackern zu vernehmen war. Für das Geräusch sorgte Robert Andrich, der verletzte Mittelfeldspieler der Rheinländer, der sich auf seinen Gehhilfen Richtung Ausgang schwang.

    Finale zwischen Sevilla und Rom

    Es war eine Szene mit hoher Symbolkraft, die der gebürtige Potsdamer da zu vorgerückter Stunde lieferte. Im mit 0:1 verlorenen ersten Duell bei der AS Roma eine Woche zuvor hatte der 28-Jährige einen Mittelfußbruch erlitten. Nun reichte den Italienern ein 0:0 im Rückspiel für den Sprung ins Finale. Und während Andrich sich durch die Flure schleppte, jubelten in dem Fernseher über seinem Kopf die Fußballer des FC Sevilla.
    Das Team aus Andalusien hatte sich just in dem Moment mit 2:1 nach Verlängerung gegen Juventus Turin durchgesetzt. Sevilla und Rom duellieren sich am 31. Mai also im Budapester Endspiel der Europa League. Während die Leverkusener die Hoffnungen auf ihr erstes europäisches Finale seit 21 Jahren begraben mussten.

    Entlarvendes Zahlenwerk

    Begleitet wurde das Adieu von der internationalen Bühne von einem entlarvenden Zahlenwerk: 72 Prozent Ballbesitz und 23:1 Torschüsse vermochte das Team von Xabi Alonso nicht in einen einzigen Treffer umzumünzen. "In den engen Situationen haben wir das letzte Bisschen vermissen lassen", bemängelte Sportchef Rolfes.
    "Sehr enttäuscht" sei er über die versäumte Gelegenheit, räumte der 41-Jährige ein. Und anschließend widmete er sich dem ausufernden Zeitspiel der Römer, das der slowenische Referee Slavko Vincic mit insgesamt elf Minuten Extrazeit ahndete.

    Sportchef Rolfes mit grimmiger Ironie

    "Bei der WM in Katar gab es bei normalen Spielen schon zehn Minuten Nachspielzeit. Hier hätten heute 20 Minuten oder mehr nachgespielt werden müssen", murrte Rolfes und fauchte in grimmiger Ironie: "Da lässt sich der Schiedsrichter verarschen, wenn er das mitmacht - dass nach jedem Torschuss ein Römer mit der Trage fast vom Platz getragen werden muss. So schwer verletzt waren die."
    José Mourinho, der portugiesische Coach der Italiener, vertrat nach einem, wie er fand, "fast schon epischen Spiel", naturgemäß eine völlig konträre Ansicht. "Der Schiedsrichter war großartig, diese Partie hätte auch sehr chaotisch verlaufen können", kommentierte der 60-Jährige, der unmittelbar nach Spielschluss mit unentwegt zuckender Siegerfaust zu den eigenen Fans geeilt war.

    Spielunterbrechungen bringen auch das Publikum in Wallung

    Auf dem Weg dorthin gab es eine feste Umarmung zwischen Mourinho und Xabi Alonso. Der 19 Jahre jüngere Spanier, der zwischen 2010 und 2013 unter Mourinhos Leitung bei Real Madrid spielte, stand seinerseits später mit verschränkten Armen im Strafraum vor der Nordkurve. Dort, wo die Leverkusener Fans mit großer Inbrunst ihr frisch ausgeschiedenes Team feierten.
    Ihre Gesänge waren ein trotziger Konter gegen den eigenen Zorn: Die von den Gästen unentwegt provozierten Spielunterbrechungen hatten auch das Publikum immer wieder in Wallung gebracht.

    Xabi Alonso: "Ich will hier nicht weinen"

    Auf Seiten der Bayer-Kicker nannte Kerem Demirbay das Ausmaß des römischen Zeitspiels "am Ende sehr ekelhaft". Zudem seufzte der 29-Jährige:

    Dass so eine Spielweise letztlich belohnt wird, ist sehr, sehr bitter für den Fußball.

    Kerem Demirbay

    Bank-Vorstand Xabi Alonso blieb deutlich gefasster und meinte: "Ich will hier nicht weinen." Feuchte Augen waren auch bei Simon Rolfes nicht zu erkennen. Einen verbalen Giftpfeil schoss Bayers wütender Sportchef aber schon noch ab, als er prognostizierte: "Ich glaube alle, die heute im Stadion waren, wünschen Sevilla für das Finale alles Gute."
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