Bolzplatz: Heidenheims Konstanten auf dem Weg nach oben

    Bolzplatz:Heidenheims Konstanten auf dem Weg nach oben

    von Ralf Lorenzen
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    Der 1. FC Heidenheim beweist, wie es ein kleiner Klub mit Konstanz und Klugheit nach oben schaffen kann. Der Erfolg hat zwei Väter: einen für das Geld, einen für die Mannschaft.

    Heidenheim
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    Im Mai 2012 gab es im Süden Deutschlands, im Abstand von 150 Kilometern und zehn Tagen, zwei Fußballspiele, die von ihrer Bedeutung her Lichtjahre auseinanderlagen. Am 9. Mai gewann der Drittligist 1. FC Heidenheim in Aalen vor 2.100 Zuschauern das Pokal-Finale des Württembergischen Fußballverbands gegen die SG Sonnenhof Großaspach mit 2:0. Zehn Tage später bezwang der damalige englische Meister FC Chelsea in München den FC Bayern im Elfmeterschießen des Champions-League-Finals.
    Gute zwölf Jahre später treffen beide Gewinner nun im selben Wettbewerb aufeinander. Am 28. November empfängt der 1. FC Heidenheim den Premier-League-Klub FC Chelsea in der Conference League. Der rasante Absturz der Londoner ist ein Top-Thema in der Fußballwelt, dabei ist der langsame Aufstieg der Heidenheimer vom Sechstligisten zum Europokal-Teilnehmer wesentlich bemerkenswerter.
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    "Wir haben einen klaren Weg und den verlassen wir auch nicht", sagt Heidenheims U19-Co-Trainer Marc Schnatterer, der im Pokalfinale von 2012 selbst ein Tor geschossen hat, im neuen "Bolzplatz". Manch andere Klubs würden ihren Weg verlassen und hätten die Fans als einzige Konstante.

    Bei uns sind die Fans, die Vereinsführung, der Trainer und die Philosophie die Konstante.

    Heidenheims U19-Co-Trainer Marc Schnatterer

    Der Klubchef: Grundsolide und knallhart

    Der Vorstandsvorsitzende Holger Sanwald hält nun seit 30 Jahren in der Führungsetage Kurs auf diesem Weg. Langjährige Begleiter beschreiben ihn als grundsoliden, realistischen, aber auch knallharten Geschäftsmann, der die wirtschaftliche Basis des Vereins Schritt für Schritt erweitert hat.
    Timo Lämmerhirt, Redaktionsleiter Ostalb bei der "Schwäbischen Zeitung", beschreibt es so:

    Sanwald hat früher mit dem Bäcker XY über 50 Euro gefeilscht. Aber dieser Bäcker XY ist immer noch da, obwohl die ganzen Big Player dazugekommen sind.

    Timo Lämmerhirt, Redaktionsleiter Ostalb bei der "Schwäbischen Zeitung"

    Mittlerweile hat der 1. FC Heidenheim 550 Sponsoren, eine im Bundesliga-Vergleich herausragende Zahl. "Oben sind unsere vier großen Sponsoren und trotzdem haben wir unten ein Fundament, das uns hält", ergänzt Schnatterer.

    Der Trainer: Spürnase und Spielerentwickler

    Damit aus einem soliden wirtschaftlichen Fundament sportlicher Erfolg erwächst, braucht es auch in der sportlichen Leitung herausragende Fähigkeiten. Die verkörpert seit 17 Jahren Trainer Frank Schmidt, der dienstälteste Trainer in der Geschichte der Bundesliga. "Nachdem ich meine Profikarriere in der sechsten Liga beendet habe, habe ich als Trainer in der fünften Liga übernommen", sagt Schmidt.

    Wir reden von Amateurfußball, wir reden von einem Kasten Bier in der Kabine und zwanzig Jahre später sind wir in der Bundesliga.

    Heidenheims Trainer Schmidt über seinen Werdegang

    Neben der Vereinstreue und Identifikation mit Heidenheims Philosophie der kleinen Schritte zeichnen Schmidt nach Meinung von Beobachtern vor allem zwei Dinge aus: der Blick für charakterstarke Spieler, die als Team zusammenpassen, sowie die Fähigkeit, die Spieler weiterzuentwickeln.
    Heidenheims Trainer Frank Schmidt vor dem Spiel am 19.02.2023 in Heidenheim.
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    Letzteres führt dazu, dass Spieler den Klub immer wieder zu finanzstärkeren Vereinen verlassen, so wie in diesem Sommer Tim Kleindienst zu Borussia Mönchengladbach und Jan-Niklas Beste zu Benfica Lissabon.

    Mit Weitsicht und Realismus in die Zukunft

    Auch wenn es am vergangenen Spieltag gegen den SC Freiburg eine schmerzhafte Heimniederlage (0:3) gab - der bisherige Saisonverlauf mit Platz neun zeigt, dass die Abgänge gut kompensiert wurden. "Ich möchte nicht wissen, was sie jetzt im Herbst 2024 schon für 2025 auf die Beine gestellt haben", ist Lämmerhirt von der Weitsicht der Verantwortlichen überzeugt.
    Ritsu Doan vom SC Freiburg im Zweikampf mit Heidenheims Benedikt Gimber.
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    Allen im Klub sei aber auch klar, dass es jederzeit wieder nach unten gehen könne, so Lämmerhirt: "Ich glaube, dieser Realismus, mit dem sie in dieser Fußball-Bubble herumwabern, macht den Verein aus." In gut einem Monat ist sogar ein Sieg gegen den FC Chelsea realistisch. Wer das vor zwölf Jahren prophezeit hätte, wäre wohl eher als Träumer bezeichnet worden.
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