Viele junge Spieler, nur wenig Erfahrung: Die deutschen Handballer starten als Außenseiter in die Heim-EM. Der Auftakt gegen die Schweiz ist die erste Bewährungsprobe.
Andreas Wolff steht für Top-Leistung im DHB-Team (Archivfoto)
Quelle: dpa
Rhetorisch ist Andreas Wolff immerhin schon in Topform. Nun, da am Mittwoch (20.45 Uhr, live im ZDF) das EM-Eröffnungsspiel gegen die Schweiz bevorstehe, beginne bei ihm "das Kopfkino", berichtete der Torwart der deutschen Handballer. Er könne es gar nicht erwarten, in das mit 54.000 Menschen gefüllte Düsseldorfer Stadion einzulaufen.
Die Handball-Europameisterschaft in Deutschland beginnt mit einem Weltrekord. 53.000 Zuschauer sind beim Eröffnungsspiel in Düsseldorf dabei - mehr als je zuvor im Handball.
von Normen Odenthal
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Wolff im Angriffsmodus
Der 32-Jährige, dessen Stern bei der EM 2016 in Polen aufging, hatte sich lange mit Ansagen zurückgehalten. Nun aber, da er nach einem Bandscheibenvorfall wiederhergestellt ist, schaltet er in den Angriffsmodus. "Das Ziel ist ganz klar, Europameister zu werden", sagte er lächelnd beim Medientag in Brunsbüttel.
Auch die Kollegen haben bei der 16. EM hohe Ziele. Nicht nur Timo Kastening (MT Melsungen) träumt ebenfalls vom Gewinn der ersten Medaille seit acht Jahren, wie er im ZDF-Sportstudio klarmachte. "Ich glaube, dass wir als Team eine hohe Qualität haben und es mit den Zuschauern im Rücken schwer werden wird, uns zu schlagen", sagt auch Linksaußen Rune Dahmke (THW Kiel).
Gislason, der Mahner
Der Bundestrainer Alfred Gislason aber mahnt. "Ich schaue nur auf das erste Spiel, danach sehen wir weiter", sagt der 64-jährige Isländer, der das Team seit fast vier Jahren trainiert. Denn er hat nicht vergessen, dass seine Mannschaft noch im Frühjahr zwei desaströse Niederlagen gegen Weltmeister Dänemark kassierte.
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Sehr viel wird abhängen vom Deckungszentrum, in dem Kapitän Johannes Golla (Flensburg) und Julian Köster (Gummersbach) erste Wahl sind. Aber dieses Duo braucht Entlastung. Und die beiden Alternativen im Mittelblock, der Göppinger Sebastian Heymann und Justus Fischer aus Hannover, sind Greenhorns des internationalen Handballs.
David Späth (Rhein-Neckar Löwen), Andreas Wolff (Industria Kielce)
Sebastian Heymann (Frisch Auf Göppingen), Martin Hanne (TSV Hannover-Burgdorf), Julian Köster (VfL Gummersbach), Philipp Weber (SC Magdeburg) Rückraum Mitte: Juri Knorr (Rhein-Neckar Löwen), Nils Lichtlein (Füchse Berlin)
Kai Häfner (TVB Stuttgart), Renars Uscins (TSV Hannover-Burgdorf)
Nach Wechseln im Innenblock sei gegen starke Gegner manchmal "nicht mehr die Qualität da, die vorher da war", sagte der Bundestrainer mit nachdenklicher Miene:
Schon das Auftaktspiel gegen die Schweiz wird eine echte Bewährungsprobe, denn der abgekochte Spielmacher Andy Schmid lenkt die Eidgenossen. Gut möglich, dass die Schweizer oft in 7:6-Überzahl agieren.
Da niemand weiß, wie das Team auf den hohen Druck reagiert, sind seriöse Prognosen jedenfalls kaum möglich. "Wir sind so etwas wie eine Wundertüte", sagt der noch junge Spielgestalter Juri Knorr, der bei der WM 2023 als Schütze und Passgeber brillierte.
Üblicherweise erreicht ein Spielmacher im modernen Handball seinen Leistungszenit erst mit 29 oder 30 Jahren. Aber der Bundestrainer ist gezwungen, den 23-Jährigen als Führungskraft ins Feuer zu schicken.
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Neulinge können überraschen - auch den Gegner
Auf der anderen Seite kann Unbekümmertheit auch zum Vorteil gereichen. Nicht ausgeschlossen, dass der Halblinke Martin Hanne, 22, bei der EURO durchbricht. Welche Anlange der Rechtshänder besitzt, zeigte er bei seinem Debüt am vergangenen Donnerstag, als er gegen Portugal fast traf wie er wollte.
"Er kann uns sehr helfen", hofft Gislason. Auch Torwart David Späth, Kreisläufer Fischer, der Linkshänder Renars Uscins und Spielmacher Nils Lichtlein können, da sie international unbekannt sind, die Gegner düpieren.
ARD und ZDF übertragen alle WM-Spiele des deutschen Teams - im TV und online. Viele weitere Zusammenfassungen ausgewählter Partien sehen Sie in den Mediatheken.
Das zweite Gruppenspiel der DHB-Auswahl live auf sportstudio.de:
Schweiz - Deutschland, 17. Januar, 20:30 Uhr
Defizite im Rückraum
Ballgewinne in der Abwehr und die folgenden Tempogegenstöße sind aber auch deshalb nötig, weil der Positionsangriff sicherlich nicht zu den Stärken des deutschen Spiels gehört.
Im Rückraum steht zwar mit Kai Häfner, 34, ein routinierter Linkshänder zur Verfügung. Aber bisher ist nur Philipp Weber durch das Stahlbad Champions League gegangen - spielte beim SC Magdeburg zuletzt jedoch nur eine Nebenrolle.
Wolff bietet Erfahrung und Top-Leistung
Auf immerhin einer wichtigen Position ist viel Erfahrung vorhanden. Torhüter Andreas Wolff glänzte in den vergangenen drei Spielzeiten mit dem polnischen Serienmeister Kielce in der Königsklasse und auch in der DHB-Auswahl. Wolffs offensive Rhetorik speist sich also aus Topleistungen.